Sie haben es tatsächlich getan! Der hierzulande weitgehend unbekannte Schiedsrichter Jakob Semler wird von der Schiedsrichterkommission des Fußballbundes für die FIFA-Liste 2025 nominiert.
Man darf gespannt sein, wie der Weltverband nun auf den Vorschlag aus Wien reagiert.
Nach dem Kommentar zur Situation rund um die Schiri- bzw. VAR-Entscheidungen und die Nicht-Aufklärung auf der Website "VAR Österreich" richtete LAOLA1 eine Anfrage an die ÖFB-Pressestelle bezüglich der möglichen Nominierung des 33-jährigen Steirers als Referee für das kommende Jahr.
Die Antwort aus den Büros im Happel-Stadion verwundert. Der ÖFB lässt wissen, dass die Schiedsrichterkommission einstimmig beschlossen hat, Jakob Semler für die FIFA-Liste zu nominieren.
Im E-Mail des Verbandes heißt es: "Die Entscheidung liegt - wie in allen weiteren Fällen auch – nach eingehender Prüfung auf Seiten der FIFA. Die Kommission hat ein Ranking der Kandidaten für die Besetzung des freigewordenen Platzes erstellt, im Rahmen dessen sich Semler eindeutig durchsetzen konnte."
ÖFB will früh internationale Einsätze ermöglichen
Weiters steht im ÖFB-Schreiben: "Jakob Semler erfüllt die Kriterien der FIFA, da er vor seinen Einsätzen als Schiedsrichter in der höchsten heimischen Spielklasse bereits als vierter Offizieller im Einsatz war."
Als Argument führt der Fußballbund an: "Der ÖFB und die Schiedsrichterkommission sehen es als ihre Verantwortung, den Schiedsrichter:innen möglichst früh Einsätze und damit wichtige Erfahrungen auf höchster internationaler Ebene im Sinne der optimalen Potentialentfaltung zu ermöglichen."
Die FIFA soll prüfen, ob Semler entspricht
Na bumm. Die Haltung der Kommission ist aus gleich aus mehreren Blickwinkeln interessant.
Der ÖFB überlässt es nun tatsächlich der FIFA, zu überprüfen, ob Jakob Semler den Bestimmungen entspricht.
Der offizielle FIFA-Text für die Anforderung (Abschnitt 6, Absatz 2, lit. e) lautet jedenfalls: "(...) Die vorgeschlagenen Spieloffiziellen müssen seit mindestens zwei Jahren regelmäßig Spiele auf höchster Ebene im Mitgliedsverband ihres Landes geleitet haben. (...)"
Jakob Semler hat laut transfermarkt.at am 18. Februar 2022 sein erstes Spiel in der 2. Liga gepfiffen (Young Violets gegen FAC) und war am 9. April 2023 bei der Partie Red Bull Salzburg gegen Austria Wien erstmals als 4. Offizieller im Einsatz.
Werdegang des Kandidaten steht im Widerspruch zu Kriterien
Sein Debüt als Schiedsrichter in der Bundesliga gab Semler am 7. Oktober 2023 bei Austria Wien gegen Blau-Weiß Linz.
Der "Werdegang" des 33-Jährigen steht nachweislich klar im Widerspruch zu den Anforderungskriterien, da es um Leitung von Spielen geht - also als Schiedsrichter.
Wenn es aber die ÖFB-Schiedsrichterkommission so sieht, dass die von der FIFA geforderte "Spielleitung auf höchster Ebene" damit erfüllt ist, wenn ein Kandidat grundsätzlich auch nur als 4. Offizieller zum Einsatz kommt, dann wäre der Kreis an möglichen Referees um einiges größer.
Vermutlich sind mehr als die Hälfte der Schiris, die bisher nur in der 2. Liga als Referee zum Einsatz gekommen sind, auch als 4. Offizieller in der Bundesliga eingesetzt worden.
Österreich riskiert eine Ablehnung des Nominierten
Somit ignoriert die Schirikommission die an sich klare Anforderung bewusst und geht das Risiko ein, dass Semler von der FIFA mangels Erfüllung formaler Kriterien abgelehnt wird und Österreich dann auch nicht mehr nachnominieren kann.
Oder versucht das Gremium, einen "Systemliebling" einfach durchzuschleusen und zu hoffen, dass niemand diesem ("Täuschungs"-)Versuch auf die Schliche kommt.
Die Stellungnahme des ÖFB, wonach dies als Verantwortung gesehen wird, den Spieloffiziellen "möglichst früh Einsätze und damit wichtige Erfahrungen auf höchster internationaler Ebene im Sinne der optimalen Potentialentfaltung zu ermöglichen", ist rührend.
FIFA und UEFA werden die Argumentation des ÖFB sicher mit Freudentränen aufnehmen, wenn im kommenden Jahr ein unbekannter und unerfahrener Referee, der bisher 6 Mal in der Bundesliga, 43 Mal in der 2. Liga und einige Einsätze als 4. Offizieller aufweist, zukünftig UEFA-Bewerbsspiele pfeifen soll.
UEFA-Einsätze, um das optimale Potential zu entwickeln?
Internationale Begegnungen als Spielwiese für "wichtige Erfahrungen im Sinne der optimalen Potentialentwicklung" heranzuziehen und dann im Ausland zu experimentieren, ist hochgradig fahrlässig.
Sollte das "Projekt" in die Hosen gehen, wird die Nominierung wohl weitere Fragen aufwerfen und das ohnehin angekratzte Image der heimischen Schiris weiter beschädigen.
LAOLA1 wird das Thema weiter mit Interesse verfolgen und die FIFA-Pressestelle um Aufklärung ersuchen.