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Oliver Glasner: Emotion statt Whatsapp

Die Trainer-Karriere von Oliver Glasner begann aus Langeweile:

Oliver Glasner: Emotion statt Whatsapp Foto: © GEPA

"Es macht mir Spaß, es ist lässig – aber es ist längst nicht alles."

Oliver Glasner sagt über sich selbst, dass er schon mit einem Fuß unter der Erde war. Im August 2011 wurde dem damals 36-Jährigen in Kopenhagen per Notoperation ein Blutgerinnsel entfernt, nachdem der ehemalige Ried-Verteidiger Tage zuvor eine Gehirnerschütterung erlitt.

Das Rieder Europacup-Wunder gegen Bröndby in der dänischen Hauptstadt – die "Wikinger" stiegen damals nach einem 2:0-Heimsieg mit einer 2:4-Niederlage auf – fand ohne den Kapitän statt.

Ein 0:0 bei Rapid, wo Glasner verletzt ausschied, markierte das 569. und letzte Profi-Spiel des Innenverteidigers, der in knapp 20 Jahren zur Rieder Spieler-Legende avancierte.

Als Trainer arbeitet der heute 43-Jährige nun beim LASK am Legenden-Status. Nach dem Bundesliga-Aufstieg 2017 führte Glasner den früheren Chaosklub nach 19 Jahren Pause 2018 in den Europacup.

Dabei ist es einem Zufall geschuldet, dass die heißeste heimische Trainer-Aktie in der Bundesliga überhaupt diesen Beruf ausübt. Denn der Plan A sah eigentlich eine andere Karriere danach vor.

LAOLA1 zeichnet den Weg des Oberösterreichers an die Trainer-Spitze Österreichs nach und sprach mit Glasner über jene Dinge, die ihm abseits der fußballerischen Komponenten wichtig sind.


In der 5. Ausgabe von "LAOLA1 On Air - Der Sport-Podcast" geht es um den LASK und die Wandlung vom Chaos-Klub zum Vorzeige-Verein. Wir hören über die Sternstunde gegen Inter Mailand in den Achtzigern, erfahren skurrile Anekdoten aus den 90ern und gelangen über die Reichel-Ära in die schwarz-weiße Neuzeit mit dem Jahrhundert-Projekt. Hier anhören:


Trainer-Kurs aus Langeweile

Neben seiner aktiven Karriere studierte Glasner Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität Hagen. Dieses Studium schloss der heute dreifache Familienvater im Jahr 2006 auch ab.

Als Glasners Sohn 2008 in die Schule kam, war der traditionelle Familien-Urlaub nach Ende der Herbstsaison und vor Weihnachten nicht mehr möglich. Glasner suchte nach einer neuen Aufgabe.

Ein Trainer-Kurs tat sich auf. Bundesliga-Spieler mit entsprechender Erfahrung durften teilnehmen.

"Meine Frau meinte, ich wüsste ja ohnehin nie, was ich daheim machen soll, ich solle den Kurs machen. Ich gab ihr Recht und so hat das alles begonnen", grinst Glasner rund zehn Jahre später.

Seine erste Trainer-Station war die U10 in seinem Heimatort Riedau. "Mir wurde schon oft als Spieler gesagt, dass ich einmal Trainer werden würde. Ich selbst habe aber damit eigentlich nicht spekuliert."

Wozu sieben Jahre parallel zur Fußball-Karriere studieren, um dann etwas ganz Anderes zu machen?

Manchmal muss eben der Zufall Regie führen, damit einem der richtige Weg gezeigt wird. Glasners Trainer-Karriere ist eine, die einen Anlauf benötigte. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere startete Glasner nicht als Trainer, sondern wurde von Peter Vogl als Sportkoordinator in Salzburg verpflichtet.

Die Mannschaft ist meine zweite Familie, zumal ich mit ihr mehr Zeit verbringe als mit meinen eigenen Kindern. Mir kann ein Spieler auch einmal etwas sagen, was mir nicht passt, aber mir ist wichtiger, dass es ehrlich ist, als dass mir Honig ums Maul geschmiert wird.

Ricardo Moniz war damals Trainer, holte 2012 das Salzburger Double, doch überwarf sich mit der neu installierten medizinischen Abteilung. Sein Rücktritt ebnete den Weg für einen Paradigmen-Wechsel.

Die deutsche Schule um Ralf Rangnick löste die niederländische ab und Roger Schmidt wurde neuer Cheftrainer. Wenige Wochen später wurde Glasner Co-Trainer des charismatischen Deutschen.

Beide hatten dieselbe Spielidee, in seiner Abschluss-Arbeit zur UEFA-A-Lizenz beschrieb Glasner diese auch bereits im Frühjahr 2012. Durch die Umschichtungen im Salzburger Backoffice ergab sich der fliegende Wechsel auf die Trainer-Bank, von der Glasner seither nicht mehr wegzudenken ist.

Mit Schmidt an vorderster Front wurde eine Salzburger Erfolgsgeschichte geschrieben, zumindest im zweiten Jahr mit Meistertitel, Cup-Sieg und dem Erreichen des Achtelfinales in der Europa League.

Mit einem Bein folgte Glasner Schmidt 2014 nach Leverkusen, um doch Ried-Trainer zu werden. Kein Jahr später folgte der Wechsel nach Linz. Von der Bundesliga in die Erste Liga zum großen Erzrivalen.

Jürgen Werner, Architekt des "LASK neu", hatte Glasner als jenen Trainer auserkoren, der den Klub zurück ins Oberhaus führen sollte. Das jahrzehntelang nicht ausgeschöpfte Potenzial zum einen, die sportliche Handlungsfreiheit als Trainer und Sportchef zum anderen – Glasner überlegte nicht lange.

"Ich habe mir damals zum Ende meiner aktiven Karriere geschworen, dass ich nur noch einen Job mache, der mich fordert, wo ich mitgestalten kann und wir gemeinsam etwas weiterbringen können. Das hat sich beim LASK aufgetan", sagt Glasner über die naturgemäß umstrittene Entscheidung.

Handschrift auf und abseits des Platzes

Eine, die weder er noch der LASK bereuen. Im zweiten Jahr folgte der Aufstieg, im dritten Jahr qualifiziert sich der Traditionsklub für den Europacup – und das wohl mit Aufsteiger-Punkterekord.

Glasner hat noch im Dezember 2017 einen neuen Vierjahres-Vertrag bis 2022 unterschrieben, er weiß selbst, dass es keine Garantie gibt, ihn zu erfüllen. "Meine Trainer-Karriere hat jetzt schon sehr viele Wendungen genommen, wie ich es selbst nicht dachte. Ich habe da ein Haus ausgesucht und bin dort gelandet."

Glasner weiß auch, was er am LASK hat. Vor zehn Jahren hätte der Klub dem Trainer nach dem Nicht-Aufstieg 2016 wohl nicht so schnell die Treue gehalten, wie es die jetzige Klubführung tat.

An jenem Freitag, den 13., als der LASK beim SKN St. Pölten mit 2:3 verlor und den Aufstieg vorzeitig abschreiben musste, gab es Aufmunterung statt Schimpftiraden. Es menschelte beim LASK. Am Spielfeld ist Glasners fußballerische Handschrift zu sehen, aber es gibt auch eine abseits davon.

"Die Mannschaft ist meine zweite Familie, zumal ich mit ihr mehr Zeit verbringe als mit meinen eigenen Kindern. Mir kann ein Spieler auch einmal etwas sagen, was mir nicht passt, denn mir ist wichtiger, dass es ehrlich ist, als dass mir Honig ums Maul geschmiert wird."

Ich bin diesbezüglich ‚old school‘. Es ist viel Handy, viel Whatsapp, viel Social Media. Das ist nicht unbedingt mein Thema, ist aber eben heutzutage so. Manchmal gibt es sportliche oder private Probleme und die will ich mit dem Spieler nicht via Whatsapp abhandeln.

Glasner sucht dabei die direkte Kommunikation. "Ich bin diesbezüglich ‚old school‘. Es ist viel Handy, viel Whatsapp, viel Social Media. Das ist nicht unbedingt mein Thema, ist aber eben heutzutage so. Manchmal gibt es sportliche oder private Probleme und die will ich mit dem Spieler nicht via Whatsapp abhandeln. Um zum einen das richtig zu verstehen, und zum anderen, richtig handeln zu können. Ich will ja dem Spieler helfen, manchmal bedarf es Verständnis, manchmal klarer Worte. Es ist immer ein Dialog."

Neben der fachlichen Komponente ist auch die soziale für einen Trainer wichtig. Ehrlichkeit und Klarheit stehen bei Glasner diesbezüglich ganz oben. Rene Gartler wurde auch deswegen noch vor der Frühjahrssaison mitgeteilt, dass der auslaufende Vertrag nicht verlängert werden würde.

"Sobald wir als Verein diese Entscheidung getroffen haben, würde ich es als Schwäche empfinden, ihm das nicht zu sagen. Ich würde das umgekehrt als Verein auch so erwarten. Ich habe selbst einmal miterlebt, dass ein verdienter Spieler sehr lange in Unklarheit gelassen wurde. Das war für ihn sehr schwierig. Erst als der Verein ihm die Entscheidung mitgeteilt hat, meiner Meinung nach viel zu spät, ist ihm ein Stein vom Herz gefallen und er konnte daraufhin wieder seine Leistung bringen."

Von Angesicht zu Angesicht

Nicht nur das hat Glasner über die Jahre gelernt. "Lernen funktioniert über ‚Trial and Error‘, probieren, probieren, probieren, beobachten, lesen, Feedback geben lassen – auch aus der Mannschaft. Einmal war ich bei einem Testspiel sehr aufbrausend, weil wir nicht das umgesetzt haben, was wir uns vorgenommen haben. Ein Spieler kam zu mir und meinte, dass das nicht geholfen habe. Ich habe darüber nachgedacht und habe mich dann auch bei der Mannschaft entschuldigt."

Das Geben-und-Nehmen-Prinzip hilft auch sportlich. "Wenn es dir nicht gut geht, kannst du nicht deine beste Leistung abrufen. Alle Spieler werden wiederum nach Leistung bewertet, das wollen sie auch und so kann ich mich auf jeden zu 100 Prozent verlassen. Jeder ist da, wenn die Mannschaft ihn braucht."

Auch auf diese Weise hat Glasner eine Mannschaft zusammengestellt, die nun von Sieg zu Sieg eilt.

Das Leben kann so schnell vorbei sein. Mach‘ das, was dir taugt, mach‘ das, wo du etwas bewegen kannst. Wenn du etwas gern machst, machst du es auch gut und wenn du etwas gut machst, verdienst du Geld. Der Lohnzettel als Trost interessiert mich zum Beispiel überhaupt nicht.

"Es wurde auch kein Spieler verpflichtet, mit dem ich nicht von Angesicht zu Angesicht gesprochen habe. Ich will die Emotionen auf der anderen Seite sehen. Es ist kein Monolog. Der Mensch ist wichtig. Das sind alles Fußball-Profis, aber in erster Linie Menschen und oft sehr junge Menschen. Sie kommen in ein Rad hinein, das sie oft überfordert. Per Mertesacker hat darüber zuletzt gesprochen."

Mit dem 17-jährigen Akademie-Torhüter spreche Glasner genauso wie mit dem 60-fachen Teamspieler Emanuel Pogatetz. "Jeder Spieler will gesehen werden, jeder sucht nach Anerkennung. Ich mache mir permanent Gedanken, was einem Spieler helfen könnte." Selbst sucht er auch Hilfe.

Sein Auftreten beschreibt Glasner selbst als emotional. Ganz aus seiner Haut könne er eben auch nicht. "Ich bin alles andere als fehlerfrei", so der Coach, der sich seit Jahren beraten lässt.

Selber Ratgeber wie Peter Stöger

Werner Zöchling heißt der Ratgeber an seiner Seite. Der 67-jährige Steyrer und studierte Soziologe ist Teamentwickler und Berater – unter anderem nimmt auch Peter Stöger dessen Hilfe in Anspruch. "Ich kenne Werner seit 20 Jahren, er hat mich als Spieler im Bereich Persönlichkeitsentwicklung begleitet und unterstützt mich auch jetzt, sagt Glasner, der sich viel mit dem Steyrer austauscht.

Dann wird etwa auch Glasners Auftreten an der Seitenlinie analysiert. Selbst beobachtet er gerne mal auch andere Trainer in ganz anderen Sphären und nimmt sich das eine oder andere für sich mit.

"Mir ist einmal bei einem Champions-League-Halbfinale aufgefallen, wie Jose Mourinho bei einer schlechten Aktion sehr positiv war. Da gab es einen Fehlpass und er applaudierte. Bei einer guten Aktion war es umgekehrt. Darauf schaue ich, das probiere ich aus. Aber es muss auch zu mir passen."

Und es muss Spaß machen. Das war Glasner bis zu einem sommerlichen Tag in Kopenhagen im Jahr 2011 nicht immer glasklar. Auf schmerzvolle Weise wurden ihm damals die Augen geöffnet.

"Das Leben kann so schnell vorbei sein. Mach‘ das, was dir taugt, mach‘ das, wo du etwas bewegen kannst. Wenn du etwas gern machst, machst du es auch gut und wenn du etwas gut machst, verdienst du Geld. Der Lohnzettel als Trost interessiert mich zum Beispiel überhaupt nicht. Ich fahre jeden Tag gerne hier her, mache mir jeden Tag gerne Gedanken darüber. Das war nicht immer so, weil alles selbstverständlich war. Mir macht das Spaß, es ist lässig – aber es ist längst nicht alles."


So könnte das neue Stadion des LASK anschauen:

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