Auch viele Kilometer entfernt unter der griechischen Sonne wirkt Stefan Schwab besorgt. Das Chaos bei seinem Ex-Klub Rapid lässt ihn nicht kalt.
Der ÖFB-Legionär in Diensten von PAOK Saloniki verließ den SCR 2020 als Kapitän, war insgesamt sechs Jahre in Hütteldorf und pflegt noch viele Kontakte zu Spielern und anderen Vertrauten im Verein.
So gab es im Sommer nicht nur Gespräche mit dem LASK, sondern auch mit seinem Ex-Klub. Hätte es mit einer Verlängerung bei PAOK nicht geklappt oder sich eine andere passende Möglichkeit im Ausland aufgetan, wäre eine Österreich-Rückkehr durchaus möglich gewesen.
Ob Schwab aufgrund der aktuellen Krisen-Situation froh ist, dass es nicht konkreter wurde, verneint er im Gespräch mit LAOLA1: "Grundsätzlich habe ich schon ein sehr gutes Gefühl gehabt bei Rapid vor der Saison, weil ich die Mannschaft schon spannend finde. Die hat irgendwas, damit kann man schon etwas machen. Wenn es etwas geworden wäre, wäre ich schon sehr positiv an die Sache herangegangen."
"Ohne Vaduz würde es komplett anders ausschauen"
So wurde Schwabs Vertrag spät aber doch um zwei Jahre verlängert, bei Rapid ist hingegen von Positivität keine Spur mehr.
Die Blamage gegen den FC Vaduz und das damit verbundene Verpassen der Conference-League-Gruppenphase war der Auslöser für Chaos, Intrigen, Rücktritte und Kritik von allen Seiten.
"Natürlich hat es im Hintergrund schon Sachen gegeben, aber wenn der Einzug in die Conference League geglückt wäre, bin ich überzeugt, dass es komplett anders ausschauen würde und es wäre noch alles beim Alten", ist sich der 31-Jährige, der die Mechanismen bei den Grün-Weißen bestens kennt, sicher.
Dann wäre wohl auch über einen schwächeren Start in der Bundesliga hinweggesehen worden. "Vielleicht wäre dann der eine oder andere Transfer zu Rapid noch möglich gewesen oder der eine oder andere Abgang nicht passiert", glaubt Schwab.
Bruckner? Peschek? "Auch nicht außergewöhnlich bei einem Verein wie Rapid"
Dass Rapid vom einen auf den anderen Moment zum Pulverfass werden kann, erlebte Schwab während seiner Zeit in Hütteldorf am eigenen Leib.
"Das Ausscheiden gegen Vaduz war richtig überraschend. Nicht überraschend ist für mich – wenn es so ein Ausscheiden gibt – dass beim Verein Steine ins Rollen kommen können", hält der Routinier fest.
"Dass man jetzt auf das Präsidium und Christoph Peschek (Anm.: Geschäftsführer Wirtschaft) losgeht, okay. Aber dass sportlich etwas passieren wird, davon wäre ich überzeugt gewesen. Dass es jetzt von ganz oben losgeht, ist aber auch nicht außergewöhnlich bei einem Verein wie Rapid."
Sowohl Martin Bruckner, der für eine Wiederwahl als Präsident nicht mehr zur Verfügung steht, als auch Peschek betonten "die sehr negative Stimmung" im Verein, die sie zum Abschied zwang.
Erwartungshaltung und Anspruch klaffen auseinander
Nicht nur aufgrund der Kampfabstimmung bei der Präsidentenwahl 2019 weiß Schwab, was seine ehemaligen Vorgesetzten meinen.
"Dass die Erwartungshaltung riesig ist und dem Anspruch nicht entspricht, ist eh allen bewusst. Diese Negativstimmung hat man natürlich immer gespürt – vor allem wenn man Niederlagen erlitten hat."
"Dass die Erwartungshaltung riesig ist und dem Anspruch nicht entspricht, ist eh allen bewusst. Diese Negativstimmung hat man natürlich immer gespürt – vor allem wenn man Niederlagen erlitten hat", erinnert sich der Griechenland-Legionär.
"Bei Kühbauer war es so, dass er in zwei Jahren zwei Mal Vizemeister wurde, und trotzdem war alles schlecht. Von dem her gibt es bei Rapid wenig dazwischen – wenn du Meister wirst und international spielst, ist alles super. Aber auch wenn du Meister werden würdest, heißt das nicht, dass alles ruhig wäre."
Vergleich mit Salzburgs Düdelingen
Ob man sich jedoch auf die negative Stimmung versteifen müsse, um seinen Rückzug aus dem Amt zu begründen, lässt Schwab offen.
"Ich verstehe schon die Negativstimmung hinterher, aber das darf die Verantwortlichen nicht beschäftigen, das kannst du nicht beeinflussen. Was willst du dagegen machen als Verantwortlicher?"
Als plakativen Vergleich zu Vaduz nennt Schwab Salzburgs Debakel gegen Düdelingen. "Danach war bei Salzburg ja auch nicht alles happy peppy. Da hat sich ja dann doch auch einiges verändert. Nicht nur bei Rapid, das wäre bei vielen Vereinen ausgeartet."
"Dass die Community mehr Macht hat, ist halt so bei Rapid"
"Dass dann der Hut brennt, war vorherzusehen", nach so einem einschneidenden sportlichen Erlebnis, wie es Rapid auf dem Weg in die Conference League widerfahren ist.
Dass das so weit führt, dass sich bisherige Freunde anfeinden, Feinde verbünden, Strukturen, der Mitgliederverein und Einfluss der Fans hinterfragt wird, war in diesem Ausmaß nicht so zu erwarten und wird von vielen Insidern als größte Krise überhaupt bezeichnet.
"Rapid hat eine Historie, positioniert sich als Mitgliederverein. Dass dann die Leute mitreden, ist ganz klar. Das funktioniert dann bei einem Mitgliederverein anders. Dass die komplette Community mehr Macht hat als bei anderen Vereinen, ist halt so bei Rapid, weil sie sich auch so positionieren."
Wie es dazu kommen konnte? "Weil sich das aufbaut, wenn es lange Zeit keine Titel gibt und so weiter. Aber Rapid hat eine Historie, positioniert sich als Mitgliederverein. Dass dann die Leute mitreden, ist ganz klar. Das funktioniert dann bei einem Mitgliederverein anders. Dass die komplette Community mehr Macht hat als bei anderen Vereinen, ist halt so bei Rapid, weil sie sich auch so positionieren. Es sagt ja keiner, dass das nicht der Fall ist."
Der Verein driftet immer weiter auseinander, immer unterschiedlichere Interessen werden verfolgt und sportlich mit zehn Neuzugängen und einem 30-Mann-Kader sowie von der Klubführung her stellt sich immer mehr die Frage, wofür Rapid eigentlich steht.
"Aktuell mehr gegeneinander als miteinander"
Ein sofortiger Trainer- oder Sportdirektoren-Wechsel hakt daran, dass man dem zukünftigen Präsidium nicht vorgreifen will. Bruckner ist noch nicht weg, Peschek auch nicht komplett, aber strategische Planungen sind in dieser Form nicht mehr möglich.
"Wichtig ist halt, dass schon langsam Entscheidungen kommen, weil aktuell hängt alles in der Luft. Es ist wichtig, dass wieder etwas vorgegeben und daran gearbeitet wird. Was kommt für ein Präsidium? Wie geht es sportlich weiter? Da sind so viele Fragezeichen, und das mitten unter der Saison. Das ist natürlich suboptimal", schätzt Schwab die Situation problematisch ein.
Aus Erfahrung weiß er, was entscheidend ist, um wieder Ruhe einkehren zu lassen. Schnellstmögliche Weichenstellungen, vom Präsidium angefangen bis zu einer klaren sportlichen Definition, wie Rapid weitermachen will, seien notwendig, "damit die Mannschaft, Spieler, Fans und Mitglieder an etwas halten und arbeiten können und wieder geschlossener auftreten. Aktuell gibt es mehr gegeneinander als miteinander."
Das müsse bei der momentan giftigen Stimmung im Verein Priorität haben. "Das Miteinander muss schnellstmöglich wieder hergestellt werden. Das hat schon Auswirkungen auf das Sportliche, und das ist das Wichtigste."
Ob Schwab noch einmal in seiner Karriere für Rapid auflaufen wird, bleibt abzuwarten. Fakt ist, dass ihm der Verein noch viel bedeutet. Das aktuelle Chaos lässt ihn somit auch in der Ferne nicht kalt.