"Wir müssen als Verein härter zu uns selbst werden.“
Sportdirektor Andreas Müller ist im Gespräch mit LAOLA1 geladen, das Ende aller Titelträume und vor allem die Art und Weise, haben Spuren hinterlassen.
Der 53-jährige Deutsche scheut nicht davor zurück, Kritik zu üben und das Kind beim Namen zu nennen. Typisch Müller, könnte man meinen. Allgemein gesehen jedoch untypisch für Rapid.
"Es kann sein, dass wir untereinander nicht die Härte haben, die manchmal nötig ist, um Konflikte auszutragen."
So könnten dann auch Hürden einfacher überwunden werden.
Müller sauer, aber auf Lösungssuche
Sehr viel Charakter und Entschlossenheit sowie Mentalität sei erforderlich, um aus diesen Situationen gestärkt hervorzugehen.
„Mein Eindruck ist, dass im Frühjahr wirklich etwas liegengeblieben ist gegenüber dem Herbst, was ich so noch nicht erklären kann“, gibt Müller offen zu.
Doch gerade, weil die Gründe für das Versagen seiner Mannschaft im Frühjahr noch rätselhaft sind, betreibt der sportliche Leiter Ursachenforschung. Die Lösungsansätze sind vielschichtig.
Vor allem stößt dem ehemaligen Profi sauer auf, dass einige Spieler aufgrund spielerischer Lichtblicke im Herbst scheinbar mehr an ihre Zukunft als an die Gegenwart denken.
Abgelenkte Spieler? „Da kann ich nicht groß widersprechen“
„Bei unserer Situation im Frühjahr kann man sicherlich den Eindruck haben, dass der eine oder andere nicht mehr mit ganzem Herzen und hundert Prozent dabei ist – da kann ich nicht einmal groß widersprechen“, moniert Müller.
Namen nennt der Sportdirektor freilich keine. Durch die genaueren Ausführungen wird jedoch klar, welche Spieler sich im Speziellen angegriffen fühlen können.
„Die Spieler werden vielleicht zum ersten Mal in ihrer Karriere damit konfrontiert, aufgrund einer tollen Europa-League-Gruppenphase. Da gibt es sicherlich Interesse und Spekulationen, die über Berater oder Vereine laufen. Das haben sie so noch nie erlebt“, spricht er jene an, die nach einem halben starken Jahr bereits mit Transfers zu ausländischen Top-Klubs liebäugelten.
„Wenn man sich mit Dingen beschäftigt, die zum jetzigen Zeitpunkt absolut kontraproduktiv sind, kann es durchaus sein, dass der eine Meter oder Zentimeter, der entscheidend sein kann, und die nötige Konsequenz fehlen. Das sind dann Dinge, die möglicherweise dazu führen, dass man im Unterbewusstsein abgelenkt wird.“
Vorsicht scheint einzukehren
Florian Kainz etwa ist seit dem geplatzten Gladbach-Deal nicht mehr jene spielbestimmende Persönlichkeit, die er noch im Herbst war. Auch Stefan Stangl liebäugelte bereits mit dem Ausland, um nur zwei zu nennen.
Mit Thanos Petsos entschied sich aber erst einer für diesen Schritt. Der Wechsel des Deutsch-Griechen im Sommer zu Werder Bremen ist in trockenen Tüchern, damit ist der Mittelfeldspieler der einzige, der sich bisher klar deklariert hat.
„Keine einzige Anfrage für Spieler des SK Rapid“
Müller ist davon überzeugt, dass das herbe 0:10-Aus in Europa League gegen Valencia beim einen oder anderen ein Umdenken bewirkt hat.
„Ich denke, dass sie dadurch vorsichtiger geworden sind und ernsthafter darüber nachdenken, dass es nicht so einfach ist, nur wegen toller Leistungen im Herbst zu einem großen Klub in Europa zu wechseln.“
Das macht dem Deutschen Hoffnung, Sorgen bestehen ohnehin keine. Schon gar nicht befürchtet er einen oft heraufbeschworenen Ausverkauf im Sommer.
„Es gibt bis zum heutigen Tag keine einzige Anfrage für irgendeinen Spieler des SK Rapid“, verneint Müller unter anderem auch Interesse an den heißesten Transferobjekten Kainz und Stangl.
„Werden jeden einzelnen unter die Lupe nehmen“
Noch sei es zu früh, Prognosen zu wagen.
„Aber es gibt sicherlich Tendenzen, in welche Richtung es gehen wird. Wir werden am Ende der Saison klar definieren, wie der Kader aussehen soll, mit dem wir ins neue Allianz-Stadion gehen, um wirklich konkurrenzfähig zu sein. Das ist unser Anspruch und unser Ziel.“
Sicher sein darf sich daher keiner. Denn Müller kündigt an: „Dafür werden wir sicherlich jeden einzelnen unter die Lupe nehmen.“
„Hat gesehen, wer bei Rapid Zukunft hat“
Einige Spieler dürften dabei keine guten Karten haben. Denn trotz der miserablen Vorstellungen in den vergangenen Wochen hat die sportliche Leitung durchaus wichtige Schlüsse für die Zukunft ziehen können.
„Man hat in den letzten Wochen sehr genau gesehen, welches Material in Zukunft für Rapid wichtig und wertvoll ist, auf welchen Spieler man sich verlassen kann. Es gibt dann den einen oder anderen, der mit der Situation, unbedingt gewinnen zu müssen, nicht klar kam. Bei dem Druck, den man bei Rapid hat, um ganz vorne mit dabei zu sein, sieht man, wer dem Stand hält und wer nicht. Von daher ist es die Aufgabe der sportlichen Leitung, genau diesen Spielern zu vertrauen oder die Neuen zu finden, von denen wir überzeugt sind, dass sie in diesen Situationen standhaft sind.“
Trainerdiskussion? Keine Rückendeckung für Barisic
Doch nicht nur das Spieler-Material wird einer genauen Analyse unterzogen. „Jeder“ schließt in dem Fall auch den angezählten Trainer Zoran Barisic mit ein.
Nur drei Punkte aus den letzten fünf Spielen gab es in Zokis Ära als Cheftrainer der Grün-Weißen noch nie. Die kritischen Stimmen werden lauter, der Druck auf den Coach steigt.
Wer in diesem Fall jedoch auf eine klare Rückendeckung seitens seines Vorgesetzten Müller wartet, liegt falsch. Denn dieser gibt sich diplomatisch und schließt gleichzeitig nichts aus.
„Es ist völlig normal, dass die Ersten immer nach dem Trainer schreien. Aber ich werde mich zu diesem Thema nie äußern. Weil sobald ich damit anfange, irgendwas darüber zu sagen, wird mir das in die eine oder andere Richtung ausgelegt. Deswegen werde ich zu diesem Thema überhaupt nichts sagen“, meint der Sportdirektor zur aufkeimenden Trainerdiskussion.
Das Gesamte soll beleuchtet, jeder einzelne überprüft werden. Um die Frage zu klären, was verabsäumt wurde. Denn ein Titel war anders als in den letzten Jahren zum Greifen nahe.
Konsequenzen sind deshalb nicht ausgeschlossen. Denn auch in dieser Hinsicht muss der Verein vielleicht härter zu sich selbst werden, als ihm lieb ist.
Alexander Karper