Hickersberger!
Da kommt jedem Rapid-Fan sofort der Meistertitel 2005 in den Sinn, jedem ÖFB-Team-Unterstützer "Färöer-Pepi". Um Josef Hickersberger geht es aber in diesem Fall nicht, sondern um seinen Sprößling, dem er die Fußball-Expertise praktisch in die Wiege gelegt hat.
Wie der Vater, so schreibt auch der Sohn Thomas Hickersberger sein Kapitel beim SK Rapid. Nach vielen, vielen Jahren als Co-Trainer unter den verschiedensten Trainern ist er nun jener starke Mann, der Rapid nach der Trennung von Didi Kühbauer und Manfred Nastl als Interimstrainer in die Winterpause führen soll - mit Steffen Hofmann an seiner Seite.
Seine Vita liest sich interessant, von allen Seiten wird der 48-Jährige, der im Besitz der UEFA-Pro-Lizenz ist, als absoluter Fachmann bezeichnet, als loyaler Assistent, den man gerne in seinem Team hat, weil man so viel von ihm lernen kann. So viel Know-How er auch mitbringt, umso ungerner steht Hicke junior im Rampenlicht. Umso interessanter wird es sein, wie er mit seiner neuen Rolle umgeht.
LAOLA1 stellt den neuen Rapid-Interimstrainer Thomas Hickersberger vor und lässt seine ehemaligen "Chefs" Goran Djuricin und Klaus Schmidt zu Wort kommen - wie der Ex-Profi wirklich tickt und wie beide gewaltig von ihm profitiert haben. Ein erster Vorgeschmack Schmidts: "Ich schätze seine Expertisen, er kennt wirklich jeden Spieler in Österreich. Mit ihm über Fußball zu reden ist ein Volksfest." Oder wie es "Gogo" ausdrückt: "Ein supernetter, introvertierter Typ, der Fußball in seinen Venen hat."
Der Meistertrainer-Sohn
Ein lautes "Hicke, Hicke, Hicke" wird wohl nicht so schnell durchs Allianz Stadion tönen, wie es bei seinem Vater der Fall war. Es wäre Thomas Hickersberger auch vor allem eines: Unangenehm!
Aber natürlich ist der Name eine Bürde. Fällt der Name Hickersberger wird man sofort hellhörig, denkt in erster Linie an Josef "Pepi" Hickersberger, der schon als Spieler bei Rapid, Innsbruck, Austria und auch in Deutschland bei Fortuna Düsseldorf und Kickers Offenbach seine Spuren hinterließ sowie 39 Mal im Nationalteam (5 Tore).
Den Jüngeren ist er vor allem als erfolgreicher Trainer in Erinnerung. U21, Co-Trainer, Teamchef von 1987 bis 1990 - das war wohl sein erstes Highlight, inklusive Blamage auf den Färöern. Es folgten Trainerstationen bei Düsseldorf, Austria und schon damals in den Wüstenstaaten Bahrain, Ägypten, den Emiraten oder Katar. Von 2002 bis 2005 coachte er Rapid und führte es zum bis dato vorletzten Meistertitel, ehe der ÖFB ihn für die Heim-EURO 2008 abwarb. Danach ließ er seine Karriere wieder in der Wüste ausklingen, war noch als Berater für Rapid tätig und genießt mittlerweile seine Pension.
Thomas Hickersberger ging einen anderen Weg. Als Profi legte er nicht die ganz große Karriere hin, spielte 60 Mal in der Bundesliga (3 Tore für Vorwärts Steyr, Schwarz-Weiß Bregenz, Admira und Austria Salzburg) sowie 94 Mal in der 2. Liga für FavAC, Vienna und Steyr, zusätzlich in Wien auch für FAC und Wiener Sportclub.
Sein Weg spricht für ihn. Goran Djuricin ist ein Jahr jünger, spielte schon in der Jugend seit der U12 gegen ihn. "Wir kennen uns schon ewig lang", verrät "Gogo" im Gespräch mit LAOLA1. Dass Thomas immer mit seinem Vater verglichen worden wäre, verneint Djuricin. "Gar nicht. Sein Vater hat ihm immer eher das gegenteilige Gefühl gegeben, dass er noch mehr machen muss als alle anderen. Er hat ihn in dem Sinn sicher nicht verhätschelt. Thomas hat sich viel selber erkämpfen müssen, er hat das auch nie raushängen lassen."
497 Spiele als "Co"! Das Urgestein, das einige Trainer "überlebte"
Ein Fakt vorweggenommen: Hickersberger blickt bereits auf 497 Spiele (!) als Co-Trainer zurück. 2008 beendete dieser seine aktive Karriere bei der Vienna, war damals sogar ein halbes Jahr schon Spieler-Co-Trainer und verdiente sich bis 2010 seine ersten Sporen bei den Döblingern - unter großen Namen wie Frenkie Schickels (6 Spiele) und Peter Stöger (30 Spiele) wohlgemerkt -, ehe es für ein Jahr als U16-Trainer in die Admira-Akademie ging. Das, und der Fakt, dass ihn schon damals jeder als Taktik-Freak und tollen Menschen kannte, war Visitenkarte genug, um bereits 2011 als Co-Trainer zu Rapid abkommandiert zu werden. Das ist der Verdienst von Peter Schöttel, der ihn zu den Grün-Weißen holte.
Bis heute, also knapp zehneinhalb Jahre, blieb er seitdem den Hütteldorfern treu - mit einer einjährigen Unterbrechung, zuerst ohne Klub und dann beim SCR Altach. Ansonsten startete Hickersberger als Schöttel-Assistent von 2011 bis 2013 (82 Spiele) und wurde von Nachfolger Zoran Barisic (148 Spiele) von 2013 bis 2016 übernommen. "Zoki" ist es auch, der ihn nun als Sportdirektor in die Interimstrainer-Position hievte, wie man hört vor allem deswegen, da er selbst vorgeschlagen wurde, jedoch dezidiert ablehnte.
Auch Mike Büskens (25 Spiele) vertraute auf Hicke jr., Damir Canadi nicht. Somit war er ein halbes Jahr vereinlos, ehe SCR Altach die Chance nützte. "Ich habe dieses halbe Jahr mit ihm sehr genossen, das war großartig", bestätigt der damalige Coach der Vorarlberger Klaus Schmidt gegenüber LAOLA1, der auch den Kreis zu Hickersbergers Vater schließt. "Ich war mit seinem Vater zwei Jahre in Arabien unterwegs, daher kommt das."
Danach holte ihn Goran Djuricin im Jänner 2018 (34 Spiele) zu Rapid zurück, "weil ich über seine Qualitäten Bescheid wusste". Auch unter Trainer Didi Kühbauer (141 Spiele) war er in den letzten etwas mehr als drei Jahren gesetzt und soll nun vorübergehend als Chef übernehmen, bis eine langfristige Lösung gefunden wird.
Der absolute Fachmann
Hört man sich in der Szene um, ist es fast schon kitschig, wie sehr Hickersbergers Weggefährten von ihm schwärmen. Oder wie es Klaus Schmidt auf seine Art ausdrückt: "Erstens: Er ist ein überragender Mensch. Zweitens: Er ist ein überragender Experte. Drittens: Er ist er einer, der nicht gerne in der ersten Reihe steht. Viertens: Er ist einer, der nicht gerne mit Journalisten redet. Fünftens: Ich liebe ihn."
Der aktuelle TV-Experte beschreibt seinen ehemaligen Assistenten wie folgt: "Er ist einfach ein akribischer Arbeiter, der so viel über Fußball weiß, wie kein anderer in Österreich." Und da gibt es in diesem Business doch einige. Seine Stärken: "Er kann ein Spiel richtig gut lesen. Er kann Dinge, die in einem Spiel passieren, sehr gut auf die Trainingsarbeit ummünzen. Er kann Standard-Situationen offensiv, defensiv. Er kann also eigentlich alles als Cheftrainer."
Ex-Sportdirektor Andreas Müller beschrieb ihn LAOLA1 2014 als "Hirn, was das Taktische betrifft". Besessen, wissensbegierig, detailgetreu sind weitere Attribute, die auf ihn zutrefffen sollen. Barisic, damals noch Coach, meinte: "Er weiß über Fußball so viel Bescheid, wie wir alle nicht. Das ist manchmal sogar unheimlich. Er ist definitiv einer, der über den Tellerrand hinausschaut und verfügt über riesige Kapazitäten."
Djuricin macht Hickersbergers Qualitäten an einem Beispiel fest: "Für eine Video-Analyse bereitet er sich überhaupt nicht vor, weil er schaut sich die Szene an und sagt dir in zwei Sekunden, was gut, nicht gut war und besser sein könnte. Er hat gleich ein paar Optionen auf Lager. Er hat das in sich, so viele Jahre am Buckel und so viel theoretisches Wissen – das ist unfassbar." Darüber hinaus habe er so viele taktische Kniffe parat, beim Spielaufbau so viele unterschiedliche Ideen. Beim einen oder anderen Trainer kommen seine Ideen besser zu tragen, beim anderen weniger. "Er war kein Ja-Sager", beschreibt ihn Djuricin, der gerne auf die eingebrachten Vorschläge einging.
Was man vom Interimstrainer nun erwarten darf? In einem seiner wenigen Interviews äußerte er sich damals nicht als Freund des Wartens auf Fehler des Gegners, um dann schnell umzuschalten sondern als Freund des Ballbesitzfußballs, welchen Rapid unter seinem damaligen Vorgesetzten Barisic spielte. "Ballbesitz ist wichtig, solange er zielgerichtet ist. Ich glaube, dass die Leute sehen wollen, wie das eigene Team den Ball kontrolliert, das Spiel auch einmal verschleppt und Rhythmuswechsel einbaut. Aber man darf die Umschaltphasen natürlich nicht verpassen. Das sind die einzigen Momente, in denen der Gegner unorganisiert ist."
Der Taktikfuchs, dem das Rampenlicht zu grell ist
Bei all den Lobeshymnen drängt sich natürlich immer wieder die Frage auf, warum ein Fachmann, Menschenfänger und Fußball-Verrückter nicht schon längst als Cheftrainer in der ersten Reihe steht. Das liegt sicher nicht an fehlenden Angeboten, sondern viel mehr an der Grundeinstellung des ruhigen, introvertierten Trainers, der gerne im Hintergrund arbeitet.
"Er liebt es, in der zweiten Reihe zu stehen. Er will das nicht und er ist auch nicht geeignet dafür – das weiß er auch. Es ist auch großartig, wenn jemand genau seine Stärken kennt und weiß, wo er am besten einsetzbar ist. Nicht umsonst ist er mit dem halben Jahr Auszeit, das ich mit ihm bei Altach genießen durfte, seit Jahren ein extrem angesehener Faktor bei Rapid", beschreibt Schmidt den Menschen Hickersberger. "Ich weiß auch nicht, ob er, wenn es ganz hart auf hart kommt und es links und rechts reinregnet auch noch dort stehen kann und will. Das glaube ich, weiß er, dass er vielleicht nicht stressresistent bis zum Letzten ist."
Unabhängig davon betont auch Djuricin genau die gleichen Gründe. "Draußen stehen und laut coachen, ist nicht sein Fall. Aber er ist ein sehr kluger Mensch, das schafft er für kurze Zeit. Aber es ist nicht seine Bestimmung und sein Wille, auf längere Sicht Nummer eins zu sein", blickt "Gogo" auf Hickes Interimsrolle voraus, bei der möglicherweise aber auch Steffen Hofmann eher den Ton an der Seitenlinie angeben wird. Für Djuricin sind das aber ohnehin zwei verschiedene Berufe. "Du musst das wollen, Verantwortung übernehmen, das ist nicht so einfach und nicht jedermanns Sache." Oder: "Vielleicht ist er so einfach zufrieden."
Demnach wird man ihn nicht in eine Rolle stecken, in welcher er sich nicht wohlfühlt. So wie vor Kameras, bei Interviews oder öffentlichen Ansammlungen, wo er im Rampenlicht stehen würde. Oder wie es Schmidt wieder scherzhaft, aber trefflichst formuliert: "Um jedes Mikro und jede Kamera macht er den größten Umweg, den ich je gesehen habe." Das kann auch der Schreiber dieser Zeilen nur so unterschreiben.
Der Co-Trainer, der die Chefs besser macht
Hickersberger macht es, so viel steht fest. Auch wenn es ihm nicht behagt, hilft er Rapid in einer schwierigen Phase und stellt sich in die erste Reihe. Für wie viele Spiele ist noch unklar, allerdings wird er danach wieder in die Co-Trainer-Rolle schlüpfen.
"Der perfekte Co-Trainer ist er sowieso. Ich habe ihn damals nicht umsonst zu Rapid zurückgeholt. Jeder Trainer, der mit ihm zusammengearbeitet hat, wird das sagen. Ich sage gar nicht, es ist schade, dass er nicht die Nummer 1 sein will, weil er das einfach nicht ist", unterstreicht Djuricin. Tatsache ist aber auch, dass Hickersberger im Trainer-Staff die Chefs besser macht.
"Jeder, der ihn im Trainerteam hat, kann sich glücklich schätzen", weiß Schmidt. "Ich glaube auch, dass die Spieler genau wissen, was sie an ihm haben und was sie von ihm lernen können." Viel von ihm lernen konnte auch Djuricin, der bei Rapid schnell aufstieg und noch nicht die große Erfahrung hatte, in der Bundesliga sowieso nicht. "Er war sehr wichtig für mich, ich habe einiges von ihm lernen können. Ich habe sicher mein Wissen erweitert durch Thomas Hickersberger."
Deshalb traut Djuricin seinem ehemaligen Assistenten auch die Wende bei Rapid zu. "Er ist loyal, ein netter Mensch, das weiß die Mannschaft. Er ist klug und alt genug, um zu wissen, dass er jetzt in die Köpfe der Spieler reinkommen muss. Er muss alles einfach halten, fachlich ist er sowieso top, da kann ihm fast kein Trainer in Österreich den Finger reichen. Ich traue ihm zu, dass er die Saison positiv zu Ende bringen wird und dass er in den nächsten Wochen einen Spielstil entwickeln kann, der sich positiv auswirkt."
Die Spieler kennen ihn über viele Jahre und haben das nötige Vertrauen, nun hängt viel davon ab, ob er bis zur Winterpause in der Chefrolle bleibt oder schon früher abgelöst wird. "Er kennt alle Mechanismen im Fußball", betont Djuricin. Und alle wissen, welch ernormes Know-How er mitbringt, das er gerne teilt. Somit wird es ihn auch nicht stören, wenn Rapid bei der Trainersuche fündig wird. Denn Hickersberger ist Rapids Mastermind im Hintergrund, das Rampenlicht ist ihm zu grell.