"Ich hoffe, dass die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden und an den richtigen Schrauben gedreht wird, damit sie wieder die Dominanz ausstrahlen wie gewohnt."
Diese weisen Worte gibt Andreas Ulmer "seinem" FC Red Bull Salzburg quasi als Abschiedsgeschenk mit.
Mit "daraus" meint der Routinier freilich die titellose Saison 2023/24, die als eine der unerfolgreichsten der Red-Bull-Ära in die Geschichtsbücher eingehen wird. Nicht nur wegen der verpassten Titel, sondern auch deshalb, weil sich die "Bullen" nach Jahren der puren Dominanz plötzlich nicht mehr unantastbar anfühlen.
Klar, es gab auch früher Schwächephasen, nicht immer marschierten die "Bullen" schnurstracks zum Double. Doch irgendwie hatte man in solchen Phasen immer das Gefühl, die "Bullen" würden schon noch irgendwie die Kurve kratzen. Heuer war das anders.
"Es fehlt nicht an Potenzial. Aber Einstellung und Mentalität"
Das Mannschaftsgebilde wirkte quasi seit Saisonstart fragil. Auf Erfolgserlebnisse folgten rasch immer wieder Rückschlage; immer, wenn man glaubte, die Mannschaft würde die Kurve kratzen, folgte der nächste spielerische Rückfall - das beste Beispiel ist das 1:0 in Graz Ende März, welches katastrophale Wochen zur Folge hatte.
Was erschreckend war: Zwischenzeitlich hatte man das Gefühl, einige Salzburger Kicker würden gar nicht unbedingt Meister werden wollen.
"Es fehlt nicht an Potenzial. Aber Einstellung und Mentalität, Woche für Woche an die Leistungsgrenze zu gehen, das muss der Anspruch sein", hielt Ersatzkeeper Timo Horn nach dem letzten Saisonspiel fest. Er hat als im Winter Dazugeholter eine Art Außenperspektive, aus der ihm Dinge auffallen, für die andere im Verein womöglich betriebsblind geworden sind.
Vielleicht kann eine der Schlüsse, die die Salzburger Verantwortlichen aus dieser Saison ziehen müssen also sein, dass Spieler, die zwei, drei oder vier Mal hintereinander schon österreichischer Meister geworden sind, sich in ihrer Karriere aber eigentlich schon weiter sehen, nicht mehr den nötigen Hunger aufbringen können, um in der Bundesliga alles zu geben.
Und vielleicht würde der Mannschaft auch der eine oder andere Führungsspieler mehr gut tun - auch wenn die Verpflichtung eines solchen zuletzt fast kategorisch ausgeschlossen wurde.
(Text wird unter dem VIDEO fortgesetzt)
Im Sommer wartet vielleicht der größte Umbruch aller Zeiten
Aber vielleicht könnte das verpasste Double auch in dieser Thematik noch zum Umdenken führen.
"Das ist schon ein Signal, dass wir richtig reagieren müssen. Wir werden schon massiv umgestalten. Man wird in der Mannschaft, beim Spielsystem, beim Staff Veränderungen spüren", sagte Geschäftsführer Stephan Reiter am Sonntag bei "Sky".
Einen großen Umbruch hätte es in diesem Sommer so oder so gegeben. Selten waren so viele Mozartstädter gleichzeitig bereit für den nächsten Schritt - beziehungsweise fühlten sich zumindest bereit.
Man kann davon ausgehen, dass Spieler wie Strahinja Pavlovic und Luka Sucic, die am Sonntag beide davon sprachen, ihre Zukunft nach der EURO klären zu wollen, genau so wie Amar Dedic, Oumar Solet, Maurits Kjaergaard und Roko Simic allesamt den Klub verlassen. Auch ein Verbleib von Karim Konate und Oscar Gloukh steht noch in den Sternen. Andreas Ulmer und Sekou Koita sind schon sicher weg.
Obwohl der Umbruch heuer so groß wie nie zuvor werden könnte, erfährt man von den Salzburger Fans, wenn man mit ihnen redet, dass ein solcher fast schon herbeigesehnt wird. Sie wünschen sich frisches Blut, Spieler, die sich für Salzburg zerreißen, die aber auch die Qualität haben, die "Bullen" über die schwierige Qualifikation in die Champions League zu schießen.
"Nur weil man nicht Meister wird, muss man nicht alles verteufeln"
Das sind Ansprüche die, realistisch betrachtet, kaum zu erfüllen sind. Auf Sportdirektor Bernhard Seonbuchner wartet eine Herkulesaufgabe.
In seinem allerersten richtigen Sommer-Transferfenster muss er einen Kader zusammenstellen, der binnen weniger Wochen so gut abgestimmt sein muss, dass er erfolgreich in die Champions-League-Quali starten kann, deutlich weniger verletzungsfrei als der aktuelle ist (auf die Salzburger warten in der kommenden Saison realistischerweise über 50 Spiele) und der kompetitiv genug ist, um bei der Mega-Klub-WM in den USA im Sommer 2025 mitzuhalten.
"Nur weil man nicht Meister wird, muss man nicht alles verteufeln. Man wird nichts aus Emotion oder Aktionismus entscheiden, sondern ein klares Bild davon haben, was man möchte."
Mit der Verpflichtung von Jürgen Klopps langjährigem Assistenten Pep Lijnders hat man schon mal die Muskeln spielen lassen, vielleicht folgt auch auf dem Spielersektor noch der eine oder andere Blockbuster-Transfer. Einnahmen, um einen solchen zu finanzieren, wären in den letzten Jahren mehr als genug in die Klubkassen geflossen.
Was es aber ganz sicher nicht geben wird, ist die Verpflichtung eines Altstars mit großem Namen. Denn: Der Klub wird auch nach der verpatzten letzten Saison nicht von dem abweichen, was er am besten kann. Nämlich talentierte Spieler früh in ihrem Entwicklungsstadium zu verpflichten und sie weiterzuentwickeln.
"Nur weil man nicht Meister wird, muss man nicht alles verteufeln. Man wird nichts aus Emotion oder Aktionismus entscheiden, sondern ein klares Bild davon haben, was man möchte", hält Seonbuchner fest.
Damit hat er freilich völlig recht. Denn vielleicht ist die wichtigste Erkenntnis aus der titellosen Spielzeit 2023/24 jene, dass der vor über einem Jahrzehnt eingeschlagene Weg nach wie vor der richtige ist, diesem aber nicht konsequent genug nachgegangen wurde. Sei es bei der Trainerbestellung, sei es bei der Kaderzusammenstellung.
Salzburg wird jedenfalls die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Daran bestehen nur wenige Zweifel.