Miroslav Klose ist beim SCR Altach Geschichte.
Einen Tag nach dem überraschenden Punktgewinn der Rheindörfler gegen Serienmeister Salzburg (Spielbericht >>>) gibt das Tabellenschlusslicht die Trennung vom 44-Jährigen sowie Co-Trainer Slaven Skedelic bekannt.
Damit endet eine Arbeitsbeziehung, von der sich wohl beide Seiten mehr erhofft hatten. Ein Rückblick:
Die Euphorie
Als am 17. Juni bekannt wird, dass Miroslav Klose Trainer in Altach wird, ist Fußball-Vorarlberg aus dem Häuschen. Der 16-fache WM-Torschütze im beschaulichen Rheindorf? Ein Wahnsinn.
Fakt ist aber, dass Kloses Verpflichtung aus dem Nichts kam – und Altach dringend einen Trainer brauchte. Einen, der Euphorie auslöst, umso lieber. Die Verhandlungen mit Markus Schopp brachten bereits zuvor kein positives Ergebnis, der Versuch, Liechtensteins Nationaltrainer Martin Stocklasa loszueisen, verlief eher peinlich – und der Start in die Vorbereitung war bereits erfolgt.
Wenngleich das Medieninteresse in Altach plötzlich spürbar groß war, versuchte der Klub stets, Klose nicht als den großen Star zu inszenieren, der er als Spieler war – sondern als Trainer, der seine erste Station bei einem Profiklub absolviert. Was half: Klose gab sich stets nahbar, er strahlte Bodenständigkeit und Höflichkeit aus. Klar: Autogrammwünsche und Selfies mit dem ehemaligen Top-Stürmer gab es immer, ob in Wolfsberg, Salzburg oder im Schnabelholz.
Die Ernüchterung
Dass sich Klose das alles etwas unkomplizierter vorgestellt hatte, schien aber recht schnell klar. Besonders das Verhältnis zum ehemaligen Sportdirektor Werner Grabherr dürfte dem Vernehmen nach nicht das beste gewesen sein.
"Ich verstehe den Verein, ich verstehe auch das Budget des Vereins, aber ich kann nur das entscheiden und beurteilen, was ich sehe. Da muss man ehrlich sein. Darüber habe ich die Verantwortlichen informiert. Werner weiß, welche Positionen Priorität haben“, sagte Klose einen Tag vor dem Zweitrunden-Aus im Cup gegen die Admira. Trotz Kloses Forderung: Transfers konnten keine fixiert werden. Noch im Herbst kündigte Grabherr, der auch bei den Fans unbeliebt war, seinen Rückzug an.
"Ich gehe nicht von Bord. Ich bin nicht der Typ, der beim ersten Gegenwind gleich alles hinschmeißt“, sagte Klose am 6. September gegenüber den „Vorarlberger Nachrichten“. Bereits da zeichnete sich ab, dass die Saison schwer werden würde, Altach stand mit fünf Punkten nach sieben Spielen auf Rang zehn.
Nach einer langen Durststrecke – zwischen Spieltag vier und neun wurde nur ein Punkt geholt – wurde es besser. Die SV Ried bezwang man 3:2, Hartberg (1:0) und der WAC (3:2) wurden ebenso mit einem Tor Unterschied besiegt.
"Man lernt brutal viel. Was Besseres hätte mir als Trainer nicht passieren können."
Der "11Freunde" sagte Klose über das Werken im Abstiegskampf: "Das ist neu, aber man lernt brutal viel. Was Besseres hätte mir als Trainer nicht passieren können." Nach dem Spiel in Wolfsberg meinte er: "Es macht momentan unglaublich viel Spaß, Trainer von dieser Mannschaft zu sein.“
Der Spaß fand rasch ein Ende, seit dem Spiel am 23. Oktober wartet Altach auf einen Sieg. Zum Abschluss des Herbstdurchgangs gab es ein schmerzhaftes 0:3 im Derby bei der Lustenauer Austria, bei dem Altach vieles vermissen ließ – allen voran Mentalität.
Die Durststrecke
Diese Mentalität war es, die Klose stets einforderte – aber nur selten zu sehen bekam. Der Deutsche wirkte nach außen hin immer weniger wie jemand, der der Mannschaft noch das nötige Feuer im Abstiegskampf einhauchen kann, sondern haderte zunehmend mit seinen Spielern, die nicht lieferten.
In der Wintertransferfenster verlor Altach dann mit Tibidi noch einen der Besten. Verpflichtet wurden neben Husein Balic (Leihe) und Mike-Steven Bähre mit Torwart Andreas Jungdal, Simon Nelson, Jurica Jurec, Marko Lazetic und David Herold vor allem junge Spieler – aber keine, die es kennen, einen beinharten Abstiegskampf zu führen. Hinzu kommt: Die Youngster sind fast allesamt ausgeliehen.
Nach der Winterpause startete Altach mit fünf Neuen in der Startelf beim LASK (0:1), die Automatismen fehlten. Gegen Rapid (0:3) bemängelte Klose die „fehlende Cleverness“, welche sein Team auch aufgrund der mangelnden Erfahrung habe.
Der Tiefpunkt war eine blamable 0:3-Pleite in Klagenfurt (Klose: „Ich werde nicht davonlaufen.“), als Altach eine erste Halbzeit ablieferte, die nicht erstligareif war. Es folgte ein 1:2 im Abstiegsgipfel gegen die SV Ried.
Im Endeffekt scheiterte Klose in Altach vermutlich auch ein wenig an seiner Art, Fußball zu denken. Der Ballbesitzfußball, den er spielen lassen wollte, war in Altach nicht wirklich zu erahnen. Das Spielermaterial ließ es nicht zu – schlussendlich ist Altach Altach und nicht der Bayern-Nachwuchs oder die Deutsche Nationalmannschaft. Stationen, bei denen Klose zuvor als Trainer bzw. Co-Trainer gearbeitet hatte.
Am deutlichsten wurde dies beim 0:3 am Wörthersee, als der Plan, die eigene Schnelligkeit auszuspielen, ebenso katastrophal scheiterte wie der Versuch, den Gegner in eigenem Ballbesitz laufen zu lassen. Die Mannschaft war verunsichert, wirkte gehemmt. Zwischenzeitlich blieb Altach 531 Minuten ohne eigenen Treffer.
Ähnlich erfolglos verlief das Experiment, Adthe Nuhiu – im Herbst immerhin mit acht Treffern – zu Beginn des Frühjahrs wegen Schnelligkeitsdefiziten gegen Rapid und Klagenfurt auf der Bank zu lassen. Vom Tempofußball war auch ohne den Hünen wenig zu sehen, gegen Salzburg brachte der bullige Stürmer Altach wieder in Führung.
"Ich glaube, dass ich auf vieles vorbereitet bin und weiß, was auf uns zukommt."
Das Ende
Bereits vor der Partie in Salzburg war Klose angezählt, im Vorfeld gab es schon Gerüchte zu seiner Ablöse und möglichen Kandidaten auf die Nachfolge. Zwei Zähler aus den acht Spielen zuvor waren zu wenig. Im Interview mit „Sky“ wollte Altach-Geschäftsführer Christoph Längle vor der Partie in Wals-Siezenheim bereits keine Jobgarantie mehr aussprechen: "Im Fußball kann man nichts garantieren – so ist es auch in Altach.“
"Wir wissen um die Situation Bescheid, dem Trainer braucht man das logischerweise auch nicht erklären“, meinte Längle. Man erwarte sich in Altach eine Reaktion. Die forderte auch Klose, wollte Intensität, Laufbereitschaft und Mut sehen. Alles Dinge, die er schon Spiele zuvor fast mantraartig wiederholen musste.
Nur gegen Salzburg sah er sie auch. Altach kämpfte im "Eh-schon-wurscht-Spiel" plötzlich; biss, kratzte, schmiss sich alle Bälle, die angeflogen kamen. Der 1:1-Punktgewinn gegen Salzburg kam ebenso überraschend wie verdient – und dürfte den Verantwortlichen die Entscheidung erschwert haben, von Klose abzulassen.
Selbiger wirkte noch bei der Pressekonferenz nach dem Salzburg-Spiel erleichtert. Sprach von der Gier, die er endlich in den Augen seiner Spieler gesehen habe, dass die Mannschaft es endlich verstanden habe und sprach ein „Riesenkompliment“ aus: "Wie sie zusammengestanden ist, wie sie leidenschaftlich verteidigt hat, das ist richtig schön anzusehen. Deswegen war ich heute – bis auf die letzten vier, fünf Minuten – sehr entspannt.“
Auf seine eigene Position angesprochen, meinte Klose: „Es geht ja nicht so um mich. In erster Linie habe ich immer den Rückhalt verspürt. Man kann in Ruhe arbeiten, das macht der Verein, der Vorstand schon richtig gut.“ Er wisse aber auch, wo er hergekommen sei und „dass viele Sachen noch nicht so funktionieren wie ich – wie wir – uns das vorstellen.“
In den letzten Wochen betonte Klose stets, viele Gespräche mit Spielern und Staffmitgliedern geführt zu haben, die den Abstiegskampf bereits in der Vorsaison erlebt haben. Auch am Sonntag meinte er noch: „Ich glaube, dass ich auf vieles vorbereitet bin und weiß, was auf uns zukommt. Auf dieser Leistung heute können wir aufbauen.“
Der Ausblick
Auf dieser Leistung kann Altach in der Tat aufbauen – aber ohne Klose. Am Montag gab der SCR Altach bekannt, nach umfassender Analyse des Grunddurchgangs Klose von seinen Aufgaben zu entbinden. In der Bundesliga kommt Klose auf einen Punkteschnitt von 0,77 Punkten pro Spiel. Es ist dies, in der Länderspielpause, der letzte wirklich gute Zeitpunkt, um zu reagieren, ehe die Quali-Gruppe beginnt.
"Miroslav Klose hat vom ersten bis zum letzten Tag alles gegeben und es war eine riesige Erfahrung, ihn als Trainer und vor allem Menschen in Altach erlebt zu haben", ließ Längle im Pressestatement ausrichten. "Auch wenn ein Trainerwechsel immer enorm schmerzt, steht über allem, dass der SCR Altach auch in der Saison 2023/24 in der Bundesliga vertreten ist."
Ein neuer Trainer soll im Laufe der Woche präsentiert werden.