Die Ruhe beim SK Rapid ist verdächtig.
Noch vor wenigen Tagen und Wochen stand der Verein kopf, das Aus im Conference-League-Playoff gegen den FC Vaduz brachte das Pulverfass endgültig zum Explodieren.
Dabei kamen interne Intrigen, Anfeindungen und unterschiedliche Ansichten ans Licht, die nie für die Außenwelt bestimmt waren. Sogar Unstimmigkeiten zwischen Fan-Klubs offenbarten, wie zerschnitten das Tischtuch zwischen den Grün-Weißen an sich ist.
Die Gründe dafür sind Unzufriedenheit auf allen Ebenen, eine sportliche Misere, ein neuerlicher Umbruch und immer wieder auftauchende Mechanismen, die bei Rapid in deutlich zu oft auftretenden Abständen greifen.
Dass Präsident Martin Bruckner nicht mehr für eine weitere Periode zur Verfügung stehen wird und sich Geschäftsführer Wirtschaft Christoph Peschek ebenfalls dem Druck beugte und trotz wirtschaftlicher Teilerfolge in der Corona-Pandemie seinem Herzensklub den Rücken kehrte, unterstreicht nur, wie festgefahren der Karren ist.
Die Zukunft Rapids trägt einen "Maulkorb"
Wie es weitergeht, ist offen. Denn die Handlungsunfähigkeit des Vereins ist aktuell eine große Schwachstelle, niemand will dem neuen Präsidium vorgreifen. Somit wird erst die Ende November erwartete Hauptversammlung samt Präsidentschafts-Wahl die Weichen stellen.
Doch aktuell, rund eineinhalb Monate davor, ist niemandem so richtig klar, was die abstimmungsberechtigten Mitglieder erwartet. Ein langjähriges Mitglied mit großer Nähe und Verbindung zum Verein bestätigt gegenüber LAOLA1, dass die Unwissenheit im Vorfeld nicht zu ertragen sei.
Bei allen kolportierten Namen und Listen - die vier zugelassenen präsentierten sich diese Woche beim Hearing im grün-weißen Headquarter - sei nach wie vor nicht klar, wer überhaupt mit wem antritt und das Wichtigste: Von Absichten und Programmen keine Spur.
Das liegt vor allem daran, dass der SK Rapid den Bewerbern einen Maulkorb verpasst hat - der bis heute gilt. Präsentiert wird somit nur im stillen Kämmerlein, anstatt schon im Vorfeld Anhänger mit Ideen und Plänen für sich zu gewinnen. Das gefällt den Verantwortlichen aber wohl insofern nicht, weil damit schon Einfluss genommen werden könnte auf eine Wahl, die aller Voraussicht nach so nicht stattfinden wird.
Eine einzige Liste als Weisheit letzter Schluss?
Denn der SK Rapid hat (k)eine Wahl. Präsidentschafts-Wahlkampf ist insofern eine trügerische Wortwahl, weil es keinerlei Abstimmungsmöglichkeiten geben wird. So sieht es der Sportklub Rapid vor, so will man die Lagerspaltung innerhalb des Vereins, unter den Mitgliedern und Fans unterbinden.
Eine einzige Liste soll der Weisheit letzter Schluss sein, um Gräben zu schließen. Die Folgen der Ereignisse von 2019 gelten dabei als das abschreckende Beispiel, in diesem Jahr wurde erstmals in der Vereinsgeschichte ein Kampf um den Präsidentschaftsposten zugelassen. Martin Bruckner setzte sich damals unter tosendem Applaus der Ultras gegen den für Veränderung plädierenden Roland Schmid durch - allerdings mit einem minimalen Vorsprung, was die SCR-Gemeinde aufbrachte und den gemeinsamen Weg gefährdete.
Allerdings kann es durchaus als Trugschluss bezeichnet werden, wenn man mit einer Liste alle zufriedenstellen will. Das wird nicht funktionieren, vielleicht wird nur der Zeitpunkt des Zorns, der Enttäuschung, der Kritik verschoben, wenn potenzielle Präsidentschaftskandidaten vorzeitig ausgeschlossen werden. Das Ergebnis bleibt dasselbe, zurück bleiben definitiv Verlierer.
Ein Wahlkomitee mit konservativem Stallgeruch
Nicht bei einer offiziellen Wahl, sondern vom sogenannten Wahlkomitee, bestehend aus sechs Personen, die über die Zukunft des SK Rapid entscheiden sollen. Darunter zu finden ist mit Nikolaus Rosenauer ein aktuelles Präsidiumsmitglied, zwei Kuratoriumsvertreter inklusive einem Ex-Präsidiumsmitglied namens Erich Haider, der auch den Vorsitz hat, und drei gewählten Mitgliedern, die Einfluss nehmen können und somit der beste Beweis für den Mitgliederverein Rapid sein sollen.
Das einzige Problem der Hütteldorfer kann man bei dieser Namensliste durchaus herauslesen. Keiner wird sich selbst ins eigene Knie schießen und den Weg, den man teilweise selbst mitgeprägt hat, verlassen. Der konservative Stallgeruch stinkt vielen zum Himmel. Ein aktuelles Präsidiumsmitglied, einer seiner Vorgänger, Kuratoriums- und Fan-Vertreter - sollten sich diese für Veränderungen aussprechen, würde das gleichzeitig das Eingestehen von Fehlern in den vergangenen Jahren bedeuten. Das wird nicht passieren!
Deshalb prangern diesen Modus auch viele (Ex-)Mitglieder, (Ex-)Abonnenten und Fans an, die gegenüber LAOLA1 Bedenken äußerten. Viel mehr vermittelt diese Herangehensweise das Gefühl, dass sich der Verein gegen Angriffe wehrt, und ohnehin alles intern so vorbereitet wird, dass der Verein ja keine andere Abzweigung nimmt. Eine, die vielleicht nicht im Sinne der im Amt befindlichen Personen oder des harten Fan-Kerns ist, mit dem sich die Grün-Weißen vielleicht auch einmal im Sinne Rapids Investoren und anderen Möglichkeiten des modernen Fußballs öffnen würden.
"Wer glaubt, dass das Wahlkomitee komplett unbefangen, abgeschottet von der Öffentlichkeit und ohne Einfluss von außen Entscheidungen treffen kann - und das in Hütteldorf -, der glaubt wohl auch noch an den Weihnachtsmann oder Rapids Champions-League-Sieg in den kommenden fünf Jahren inklusive Mission 33."
Wer glaubt, dass das Wahlkomitee komplett unbefangen, abgeschottet von der Öffentlichkeit und ohne Einfluss von außen Entscheidungen treffen kann - und das in Hütteldorf -, der glaubt wohl auch noch an den Weihnachtsmann oder Rapids Champions-League-Sieg in den kommenden fünf Jahren inklusive Mission 33.
Das "Packeln" der Listen als Kompromiss ohne Innovation
Dass von vier Listen, von denen nur einzelne Namen durchsickerten, gleich einmal zwei in die Favoritenrolle bugsiert wurden, ist da ebenso wenig verwunderlich. Schließlich ist es auf der einen Seite jene rund um den grün-weißen "Fußballgott" Steffen Hofmann, dem keiner etwas anhaben will, für den bei Rapid ein neuer Posten nach dem anderen gesucht wird und der immer wieder als Auslöser der Revolution rund um Bruckner und Peschek genannt wird.
Und zum anderen ist es jene rund um Stefan Singer, der sich früher um Fan-Anliegen bei Rapid gekümmert hat, nach wie vor einen guten Draht zur Fanszene pflegt, obwohl selbst er sich nach dem Vaduz-Debakel verteidigen musste. Er sitzt aktuell auch im Präsidium. Im Hintergrund soll auch Ex-Präsident Michael Krammer seine Finger im Spiel haben. Allesamt ehemalige oder aktuelle Entscheidungsträger.
Somit handelt es sich um zwei Listen mit guten Kontakten, einflussreichen Persönlichkeiten, alle eng verbandelt, mit einem guten Draht zu den Fans. Auch wenn die Programme noch nicht offengelegt wurden, kann erwartet werden, dass hier bestimmte Prinzipien nicht über Bord geworfen werden würden, weil alle genannten Anwärter in der Vergangenheit für dieselben Werte gestanden sind.
Da erscheint es dann auch nicht unwahrscheinlich, dass sich daraus eine einzige Liste formen lässt, in der wieder alle ehemaligen Ideengeber vereint an Rapids Zukunft basteln. Das "Packeln" ist dabei ein geflügeltes Wort, das eher für Kompromisse beim Formen der einen wahren Liste steht als für Innovation und einen gut durchdachten Weg, den das geformte Team nur in dieser Konstellation verfolgen will und nicht mit Personen aus einer anderen Formation.
Rapid lähmt sich selbst - seit vielen, vielen Jahren!
Die Gefahr ist aber groß, dass hier einige einknicken, um eben überhaupt dabei zu sein. Hier klare Vorstellungen und ein ausgetüfteltes Programm zu verfolgen und den Mitgliedern zu präsentieren, würde nämlich voraussetzen, dass man sich von anderen abhebt und sich nur durch eine richtige Wahl herausstellen lässt, wer die besten Ideen hat und welchen Weg Rapid auf demokratische Weise gehen will - doch das will der SCR scheinbar nicht.
Selbst Bruckner, ein Rapid-Fan seit Kindheitstagen, der in Michael Krammers Präsidiumsteam mitwirkte und dessen Nachfolge antrat, musste zugeben: "Wir müssen in diesem Verein etwas ändern. Dieser Mitgliederverein muss im dritten Jahrtausend ankommen! Es tut mir Leid, aber der Mitgliederverein, so wie er im Moment aufgestellt ist, ist nicht führbar."
Auch wenn der scheidende Klub-Boss das gerne hätte. "Aber nicht in dieser Form, in der man sich gegenseitig lähmt und so viel Kraft nach innen geht. Dabei wäre in diesem Verein unendlich viel Kraft da, wenn man sie in die richtige Richtung bringt." Das hatte Bruckner vor und prompt war er weg - garantiert nicht nur aus freien Stücken.
Denn viel besser kann man es wohl nicht auf den Punkt bringen: Rapid lähmt sich selbst - seit vielen, vielen Jahren! Zu sehr schmoren die Hütteldorfer im Saft verjährter Erfolge, in der stets betonten Tradition - die es zwar hochzuhalten gilt, die jedoch keine Garantie für eine Wiederholung verjährter Sternstunden ist. Alle paar Jahre ist die Unzufriedenheit so groß, dass das Pulverfass explodiert. Am Ende wird aber ähnlich bis genau so weitergemacht und weitergewurschtelt, wie bisher. Noch weitere Fragen? Keine.