Die große Abschiedstour ist vorerst aufgeschoben.
Die Spiele der restlichen Frühjahrssaison in der HPYBET 2. Liga hätten die letzten Auftritte von Ammar Helac im Tor von Blau-Weiß Linz werden sollen. Schließlich ist der ÖFB-U21-Teamtorhüter zu Höherem berufen.
Austria Wien sicherte sich schon früh die Rechte am Keeper-Talent und wirbelt mit dem Sommer-Neuzugang die (noch) vorhandene Keeper-Hierarchie durcheinander. Dabei handelt es sich keinesfalls um einen Spontankauf.
Zwei Jahre unter Beobachtung
Zwei Jahre hatten die Veilchen Helac bereits beobachtet, ihn vor einem Jahr bereits zum Probetraining eingeladen und seine Entwicklung stets dokumentiert. Nun scheint die Überzeugung groß, mit dem gebürtigen Linzer einen guten Fang zu machen.
Trotz der aktuell schwierigen Phase beim FAK musste der Youngster nicht lange überlegen: "Das ist ein Top-Klub in Österreich, für mich persönlich ein Top-4, wenn nicht Top-3-Klub - der LASK schnuppert jetzt auch schon langsam rein. Aber es ist in Österreich ein großer Klub mit einer richtig großen Tradition, Fans und noch viel mehr. Für mich persönlich war es einfach auch wichtig, den nächsten Schritt in die Bundesliga zu machen. Ich glaube, dass die Austria mit ihrer Infrastruktur und allem drum und dran eine super Plattform bietet - und in der Vergangenheit öfters auch jüngeren Torhütern die Chance gegeben hat."
Doch wer steckt hinter dem Familienmensch und akribischen Arbeiter, der Gigi Buffon und Jan Oblak nacheifert? LAOLA1 traf Helac - noch vor dem Kontaktverbot - in Linz. So tickt Austrias "Neuer":
Mentale Stärke und Gesamtpaket überzeugte Austria
Helac entpuppt sich als durchaus weit in seiner Entwicklung, trotz seiner erst 21 Jahre. Wenn er sich Ziele steckt, ordnet er diesen alles unter. Dabei scheint er selbst sein größter Kritiker zu sein.
"Ich glaube, meine große Stärke ist die mentale Stärke und das Gesamtpaket, das ich mitbringe. Ich bin jetzt kein Torhüter, der 1,80 Meter groß ist und dafür fußtechnisch gut. Sondern ich bringe ein gutes Gesamtpaket mit - mit meiner körperlichen Voraussetzung, dass ich keine großen Defizite in manchen Bereichen habe, aber auch nicht überdrüber stark bin. Sondern einfach, dass ich eine gute Balance habe in meinen Fähigkeiten", beschreibt der Stahlstädter sein Tormann-Spiel.
Bis es soweit ist, will er noch alles für BW Linz geben, auch wenn die Vorfreude groß ist. "Natürlich blickt man schon mit einem kleinen Auge nach Wien, ich habe seither auch die Bundesliga und meine zukünftigen Kollegen viel intensiver verfolgt. Die Freude ist extrem groß, es ist für mich persönlich eine neue Herausforderung, die ich auch unbedingt wollte."
Dabei bewies er auch Geduld. Denn das Probetraining 2019 diente mehr dazu, die Person hinter dem Keeper kennenzulernen, von einer Verpflichtung war damals noch keine Rede.
BWL-Rekordtransfer! Nutznießer der FAK-Tormann-Rochade?
Helac nützte indes das Jahr, um seine Leistungen in der 2. Liga zu bestätigen und sich ins U21-Nationalteam zu spielen - und überzeugte somit die Austria, die richtige Entscheidung zu treffen. Mit BWL war zudem bei seiner Vertragsverlängerung abgeklärt, dass sie ihm beim nächsten Schritt keine Steine in den Weg legen - und so wurde er zum Rekordtransfer der Linzer.
"Das Probetraining war nur dazu gedacht, dass ich reinschnupper, sie mich kennenlernen, der Tormanntrainer ein Gefühl kriegt, was ich für ein Mensch bin und wie ich ticke. Deswegen haben sie mich auch über so einen langen Zeitraum beobachtet. Wie bin ich in einzelnen Phasen, wie reagiere ich, wenn es mal nicht gut rennt, wie wenn es gut rennt?"
Dabei gibt er auch zu, dass die Torhütersituation bei den Wienern früher nichts ermöglicht hätte. Jetzt im Sommer laufen hingegen sowohl der Vertrag von Patrick Pentz als auch von Ivan Lucic aus, mit Helac steht bereits ein Neuer ante portas.
Heißt so viel, dass mit einem der Keeper mit Sicherheit nicht verlängert wird. Da Pentz als Nummer 1 ins Frühjahr ging, deutet viel auf einen Abschied von Lucic hin. Auch diese Konstellation hat es dem Oberösterreicher einfacher gemacht, eine Wahl zu treffen.
"Ist normal, dass ich nicht der bekannteste Austria-Transfer bin"
Das gibt Helac offen und ehrlich zu: "Natürlich, ich komme zum Verein, weil ich spielen will – das ist das Ziel jedes Fußballers. Ich denke, dass ein fairer Konkurrenzkampf auch wichtig ist für beide Seiten - für den Torhüter, der spielt und der nicht spielt. Aber ich bin bereit, wenn es auch mal ein halbes Jahr oder Jahr nicht funktioniert, dass ich akribisch an mir arbeite und mich hinten einordne, um auf meine Chance zu warten. Die wird kommen."
Bei Austrias vorletztem Auftritt vor dem Liga-Stopp, dem 1:1 bei Sturm Graz, bezogen die FAK-Fans klar Stellung für Lucic. Die Situation ist verschärft, nun auch in der Tormann-Frage. Doch der künftige Neuzugang macht sich keine Sorgen.
"Auch meine Anfangsphase bei Blau-Weiß war schwierig. Da hat es geheißen: Wer ist das? Den kennen wir nicht." Dieses Schicksal könnte ihm auch in Wien-Favoriten blühen. "Es ist normal, dass ich jetzt vielleicht nicht der bekannteste Spieler bin, den Austria transferiert hat. Aber mit harter Arbeit kann man sich alles erarbeiten. Ich bin so ein Typ, arbeite hart an mir und das wird auf jeden Fall das Ziel sein. Und früher oder später werde ich mir dort einen positiven Einfluss erarbeiten."
An Eifer, Ehrgeiz und Selbstvertrauen mangelt es nicht. Helac will seine Bundesliga-Chance nützen, ein Auslands-Transfer kam für ihn noch nicht in Frage. "Vielleicht wäre der Schritt ins Ausland eine Nummer zu groß – das kann ja auch sein. Und dann muss man ein paar Schritte zurückmachen, dass man wieder in die Spur findet. Deshalb finde ich, dass es der ideale Schritt für mich ist, dass ich mich dann in der Bundesliga etabliere und mich zeige. Von dort aus kann ich dann sowieso den nächsten Schritt machen."
"Started from the bottom" - mit Buffon und Oblak als Vorbildern
Seine Erfahrungen beschränken sich bisher rein auf Oberösterreich. Selbst führt er an, dass das Motto "Started from the bottom" perfekt auf ihn zutrifft.
"Ich habe meine Karriere bei Donau Linz begonnen, bin dann mehr oder weniger über den Nachwuchs als Nachzügler in die Akademie gekommen. Ich habe mich durchgeboxt, was auch nicht einfach war. Ich bin dann nicht direkt aus der Akademie zu einem Bundesligisten oder Zweitligisten gekommen, wo ich dann Profi-Luft schnuppern durfte. Ich bin einfach über den Amateurbereich gegangen, habe dann bei Donau in der vierten Liga meine Kampfmannschaftseinsätze gesammelt", schildert Helac.
Erst mit 19 Jahren kam er zu Blau-Weiß Linz, wo er das erste Jahr als Zweier-Tormann ausgebildet und für die nächsten Herausforderungen vorbereitet wurde. Seine Chance konnte er nützen, danach ging es rasant nach oben.
Als Kind war für ihn Gigi Buffon das Nonplusultra, das mehrere Generationen geprägt hat. Momentan ist Atletico-Madrid-Schlussmann Jan Oblak sein Favorit. "Einfach durch die Ruhe, die er ausstrahlt, die Coolness und dass er vielleicht 90 Minuten keinen einzigen Ball berührt und in der 95. Minute einen Big Save hat." Prinzipiell verfolgt er jedoch mehrere Torhüter, um sich von jedem einzelnen für sich persönlich etwas abzuschauen und sich zu verbessern.
Bodenständiger Familienmensch mit Hang zur harten Arbeit
Fußball-Fans, die ihn eben noch nicht kennen, stellt er sich gerne vor. Als Familienmensch, der sehr großen Wert auf Bodenständigkeit und harte Arbeit legt.
"Das ist einfach die beste Beschreibung für mich. Ich habe sehr viel Freizeit verloren durch die ganzen Trainings, die ich dafür investiert habe. Aber am Ende sieht man, dass das alles Früchte trägt und umso glücklicher bin ich, wenn man dann das Endprodukt sieht."
Als Hobbies führt er Zeit mit Freunden und Familie an, ansonsten sieht er sich als Sportverrückten, der keine Möglichkeit auslässt, sich körperlich zu betätigen. Neben relativ viel Zeit im Fitnessstudio ist er auch für andere Sportarten wie Schwimmen und Co. zu begeistern.
Auch die wirtschaftliche Krise bei Blau-Weiß hat er weggesteckt, mit der Austria wartet in Wien die erste eigene Wohnung, weg von daheim. Aber zumindest wohnt die Tante und seine drei Cousins in Wien.
U21? Helac konnte es nicht glauben: "Der Plafond ist noch nicht erreicht"
Sportlich hat Helac Großes vor. Auch im U21-Nationalteam, für das ihn Teamchef Werner Gregoritsch erstmals im September nominierte. Beim 1:0 in Ungarn im November durfte er erstmals das rot-weiß-rote U21-Trikot tragen (davor bestritt er erst einen Einsatz für die U20.
Plötzlich der Senkrechtstarter zu sein, der auch für Österreich auflaufen darf, kam dann doch wie aus heiterem Himmel. "Ich habe nach dem Training den Flugmodus ausgeschaltet und dann sind die Nachrichten reingeraschelt. Da habe ich gesehen, dass ich beim ÖFB-U21-Team in die Gruppe hinzugefügt wurde. Ich dachte, das ist vielleicht ein schlechter Scherz, das habe ich nicht ganz glauben können. Dann habe ich die Telefonnummern durchgeschaut und habe Marko Raguz, Kelvin Arase und Co. gesehen – dann habe ich mir gedacht, das ist wohl doch ernst."
Mittlerweile fühlt er sich als fixer Bestandteil, der das Ziel ausgibt, dass Österreich unbedingt zur EM fahren muss. Großes Vertrauen, das für seine Entwicklung spricht. Ziele sollen nach und nach abgearbeitet werden. Doch Helac wäre nicht Helac, wenn er sich auch hier keine Grenzen setzt: "Der Plafond ist noch nicht erreicht."