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Spielsituation Anstoß: Du kannst den Gegner kalt erwischen!

LAOLA1 spricht mit Rapid-Trainer Robert Klauß, Austria-Coach Michael Wimmer und dem Taktikexperten Sargon Duran über die Spielsituation Anstoß.

Spielsituation Anstoß: Du kannst den Gegner kalt erwischen! Foto: © GEPA/getty

"Die ersten zehn Minuten sind für beide Teams da, um sich abzutasten und ins Spiel zu kommen" – eine Fußballfloskel, die wohl längst der Vergangenheit angehört.

Im Fußball kann es schnell gehen, sehr schnell sogar. Jedes Spiel startet mit einem Ankick, der ersten Standardsituation. Dass da Spiele schon vorentschieden werden können, zeigte das vergangene Länderspiel-Wochenende.

Sowohl das ÖFB-Team gegen die Slowakei, als auch die Deutschen gegen Frankreich führten durch eine entsprechende Aktion nach weniger als zehn Sekunden. "Alleine für die ersten sechs Sekunden hat es sich gelohnt, ins Stadion zu kommen", bilanzierte ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick nach dem Weltrekord-Tor von Christoph Baumgartner.

Das steckt hinter Baumgartners Weltrekord-Tor >>>

LAOLA1 beleuchtet die Spielsituation Anstoß genauer. Dabei helfen mit Rapid-Coach Robert Klauß und Austria-Trainer Michael Wimmer zwei Übungsleiter aus der ADMIRAL Bundesliga. Mit Sturm-Frauen-Coach Sargon Duran liefert zudem ein Taktikexperte und ehemaliger Co-Trainer (bei Austria Wien) von Sturms Christian Ilzer Einblicke.

Anstoß als Standardsituation

"Im Endeffekt ist Anstoß ein ruhender Ball. Das ist eine Standardsituation. Es gibt verschiedene Möglichkeiten", stellt Austrias Michael Wimmer die Situation vor.

Für Rapids Robert Klauß ist es beim Ankick einfacher an Varianten zu arbeiten, denn "es ist klar, wie ungefähr die Anordnung auf dem Spielfeld ist. Der Zufall ist nicht so gegeben".

"Der Ankick ist ein Zeichen oder Ausdruck, wie du Fußball spielen willst", sieht Sargon Duran in der ersten Spielaktion schon die Chance, seine Handschrift zu präsentieren.

Das Momentum kann mit Anpfiff auf eine Seite gezogen werden. "Wenn das Stadion voll ist und du hast den ersten Pressschlag, bist du im Spiel. Es geht schon darum, solche Momente für einen zu nutzen", meint Wimmer.

"Du kannst einen Gegner total erwischen, wenn er nicht ab der ersten Sekunde da ist", weiß Sargon Duran.

In Altach wurde Wimmers Austria beinahe Opfer einer Ankick-Variante
Foto: © GEPA

Die Wiener Austria wurde am vergangenen Bundesliga-Spieltag beinahe Opfer einer solchen Aktion. Dort kassierten die Veilchen in Altach nach 36 Sekunden fast ein Tor. Die Vorarlberger agierten mit einem weiten Ball ins Seitenaus, den folgen Einwurf pressten sie erfolgreich an. Eine knappe Abseits-Position rettete die Wimmer-Elf.

"In Altach wäre fast ein Tor passiert, das gibt dir natürlich ein schlechtes Gefühl. Du musst erst wieder rein, und positive Sachen geben dir ein positives Gefühl", meint der Coach der Violetten.

Klauß unterscheidet Ankick in zwei Arten

Für einen guten Start vom Ankick aus gibt es mehrere Möglichkeiten. Der Ball kann nach vorne gespielt, oder in den eigenen Reihen gehalten werden. Mit einer entsprechenden Variante kann der Gegner überrascht werden.

Robert Klauß unterscheidet zwischen Ankick zu Beginn der jeweiligen Spielhälfte und Anstoß nach einem Gegentor. "Da geht es ein bisschen um Wirkung, gerade nach einem Gegentreffer hat der Anstoß eine relativ große Bedeutung, weil es da um das Momentum geht", meint der Rapid-Coach.

Er mache seiner Mannschaft immer klar, "dass wir nach einem Gegentreffer den Ball nicht nach hinten spielen". Das würde den Gegner zum Pressing einladen. "Du spielst nach einem Gegentor aus Sicherheitsgedanken erstmal zurück, das ist klar ein Signal an den Gegner, 'Ok, die sind verunsichert'", so Klauß. Daher sollte seine Mannschaft nach vorne agieren.

Ankick-Variante von eigenen Spielern abhängig

Sargon Duran, der Klauß' These versteht, lässt dies aus einem anderen Motiv machen: "Wir wollen zeigen, abgehakt und wieder nach vorne spielen."

Zu Beginn einer Halbzeit lautet die Devise bei Rapid: "Wir positionieren uns auf einer Seite, um Überzahl herzustellen, flach dort hinzuspielen, und versuchen ein 3-gegen-3 oder 3-gegen-2 herzustellen." Das hat auch damit zu tun, "dass wir nicht die kopfballstärkste Mannschaft sind".

Die Qualiäten der eigenen Spieler müssen beachtet werden. Kopfballstarke Teams könnten beispielsweise mit langen Bällen agieren.

Ankickvariante für Wimmer auch gegnerabhängig

Auch die Wiener Austria tüftelt an Ideen. "Grundsätzlich machen wir uns schon Gedanken, weil es ein ruhender Ball ist. Man kann es trainieren", meint Wimmer. Das Ganze sei auch gegnerabhängig.

"Natürlich schaust du ein bisschen darauf, ob der Gegner vielleicht ins Angriffspressing übergeht. Dann entstehen irgendwo Räume vor der Kette, die du gleich bespielen kannst. Das ist natürlich eine Idee", erläutert Wimmer.

"Die Standardbesprechungen leiten die Co-Trainer. Das ist deren Verantwortungsbereich."

Michael Wimmer

Ähnlich sieht es Robert Klauß, der wissen will "in welchen Bereichen gibt der Gegner einem Räume, vielleicht hinter der letzten Kette, vor der letzten Kette oder am Flügel".

Trainiert werde das Ganze bei der Austria im Zuge von Spielformen im 11-gegen-11 oder 11-gegen-0. Mit Ahmet Koc ist ein Mann für die Offensiv-Varianten bei Standards zuständig, Christian Wegleitner macht den defensiven Part. Dazu gehört jeweils der Ankick.

Co-Trainer übernehmen Verantwortung

"Wir haben am Tag des Spiels Besprechungen. Die Standardbesprechungen leiten die Co-Trainer. Das ist deren Verantwortungsbereich. Es ist im Vorfeld mit mir abgestimmt. Aber da lasse ich jedem freie Hand, da will ich, dass sie selbst Verantwortung übernehmen, kreativ sind", so Wimmer.

Daniel Seper ist bei Rapid für Standards verantwortlich.
Foto: © GEPA

"Wir besprechen es im Video oder mit den einzelnen Spielern, die beteiligt sind. Wir trainieren es nicht direkt", erklärt Robert Klauß eine ähnliche Herangehensweise bei Rapid.

Mit Daniel Seper gibt es in Hütteldorf ebenso einen Spezialisten für Standards. "Wir besprechen es meistens im Team. Ich bin dabei, weiß was passiert. Wenn ich eine Idee habe, dann sage ich sie. Wenn nicht, dann nicht."

Andere Ankick-Trainingsmethoden bei Sturm Graz?

Anders dürfte der Ankick bei Sturm Graz trainiert werden. Dort ist Dominik Deutschl hauptverantwortlich für Standards. Bei der Austria teilte sich Deutschl im Team von Christian Ilzer die Aufgabe mit Sargon Duran.

"Wir haben es, um ehrlich zu sein, einfach isoliert trainiert. Wenn eine Idee oder Variante da war, dann gehst du es durch", berichtet Sargon Duran. In einem Traingsmatch habe man viel zu selten die Anstoßsituation.

Er bestätigt, dass in der ADMIRAL Bundesliga der Ankick meist Co-Trainer-Sache ist. Bei den Sturm-Frauen müsse er sich selbst darum kümmern.

"In meinem Trainerteam bin ich der einzige, der Vollzeit beschäftigt ist. Alle anderen arbeiten nebenbei 40 Stunden pro Woche, sie haben nicht die Ressourcen, das zu übernehmen", erzählt er.

Teams wissen, wer sich Varianten überlegt

Nach den letzten Ereignissen dürften die Teams nun gewarnt sein, denn auch defensiv könnte die Spielsituation zum Thema werden.

"Grundsätzlich kannst du bei manchen Mannschaften, wie zum Beispiel Sturm Graz, die richtig gut bei Standards sind, wissen, dass etwas passieren könnte."

Michael Wimmer

"Beim Anstoß musst du wach sein. Im Endeffekt kannst du nicht alles, was sich der Gegner überlegt, im Vorfeld, wissen", meint Wimmer.

Der Austria-Coach möchte Abwehr-Prinzipien seiner Mannschaft sehen. "Wie wollen wir den Raum verteidigen? Wie wollen wir die Spieler blocken?" Da wolle sich die Austria selbst treu bleiben.

Im Vorfeld soll gesichtet werden, ob der Gegner in der Vergangenheit auf bestimmte Varianten zurückgegriffen hat. "Grundsätzlich kannst du bei manchen Mannschaften, wie zum Beispiel Sturm Graz, die richtig gut bei Standards sind, wissen, dass etwas passieren könnte", meint Wimmer. Die Austria möchte defensiv zudem schnell ins Pressing kommen.

Klauß ortet Thema bei Nationalteams

Klauß ortet Thema bei Nationalteams
Robert Klauß arbeitete unter Nagelsmann und Rangnick in Leipzig
Foto: © GEPA

"Für mich stellt sich die Frage: Erwartet man was Besonderes? Das ist bei Nationalmannschaften immer so. Es ist schwierig, das vorher zu analysieren, zu scouten", ortet Klauß das Thema eher bei den Länderspielen.

Dort wisse man eher weniger, wer aufläuft bzw. seien die letzten Spiele oft länger her.

Dass es bei Österreich und Deutschland passiert, sei kein Zufall. Klauß arbeitete in Leipzig unter den Trainern Rangnick und Nagelsmann.

"Österreich hat mit Rangnick einen innovativen Trainer, der immer schaut, wie kann man optimieren, wie kann man was verbessern. Er hat sicher einen Trainer beauftragt, eine Idee zu entwickeln, weil er versucht, im Hinblick auf die Europameisterschaft möglichst viel rauszuholen in diesen Bereichen", meint Klauß.

"Wenn man das macht, klappt es vielleicht in 50 Versuchen einmal."

Robert Klauß zu Ankick-Varianten im Klubfußball

Mit dem Dänen Mads Buttgereit beschäftigen die Deutschen einen ausgewiesenen Standardexperten.

Klauß glaubt nicht an langfristige Änderungen

Im Ligabetrieb hingegen kennen sich die Teams oft zu genau. "Wenn man das macht, klappt es vielleicht in 50 Versuchen einmal", meint Klauß. Er wisse genau, welche Teams derartige Varianten verwenden würden.

An eine große Änderung in diesem Bereich glaubt der Rapid-Trainer nicht. "Elf Gegenspieler ist die größtmögliche Anzahl, die man überwinden muss, deswegen glaube ich nicht, dass es in Zukunft einen so großen Einfluss haben wird." Dennoch werde versucht, diesen Bereich zu optimieren.

"Das ist keine neue Erkenntnis. Bis jetzt wussten die Mannschaften in der Defensive, dass es viele Varianten gibt beim Ankick. Das hat es auch schon in den letzten zehn bis zwanzig Jahren gegeben. In dieser Woche ist mit den zwei Toren etwas passiert, deshalb ist der Fokus wahrscheinlich riesig", meint Sargon Duran.


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