In unserem neuen Format "Ansichtssache" versuchen wir, Meinungen, Stimmungen, Überreaktionen oder sonstige Ansichten jeglicher Art in eine These zu packen und zu analysieren.
Das kann mal provokant sein, mal eine oft gehörte Meinung. Mal sehr strittig, mal weniger. Mal eine Prognose, mal eine simple Einordnung.
Dieses Mal widmen wir uns dem Titel-Duell in der Bundesliga zwischen Serienmeister FC Red Bull Salzburg und Herausforderer SK Sturm Graz.
<<<Klagenfurt - Sturm, Sonntag, ab 14:30 Uhr im LIVE-Ticker>>>
<<<Salzburg - Hartberg, Sonntag, ab 17 Uhr im LIVE-Ticker>>>
In Zukunft wollen wir auch User-Thesen debattieren. Diesmal waren unsere Redaktions-Kollegen aufgerufen, vier Ansagen zu liefern, die in weiterer Folge von den LAOLA1-Redakteuren Simon Urhofer und Peter Altmann eingeordnet wurden.
1.) Noch dürfen die Sturm-Fans träumen, aber Red Bull Salzburg ist auch heuer in den nationalen Big Games zu gut, um sich den Meistertitel nehmen zu lassen.
Simon Urhofer:
"Wenn es darauf ankommt, sind wir, wie man es von Salzburg kennt, da."
Diese Worte hat mir am vergangenen Samstag Salzburg-Kapitän Amar Dedic als Antwort auf die Frage gegeben, wie spannend die Meistergruppe heuer werden kann. Und er hat völlig recht.
Wenn es eine herausragende Qualität gibt, die den Serienmeister im letzten Jahrzehnt (zumindest auf nationaler Ebene) auszeichnete, ist es, in Schnitt-Partien voll da zu sein. Sei es in den K.o.-Spielen des ÖFB-Cups, sei es in entscheidenden Begegnungen in der Meistergruppe.
Ich gehe klar davon aus, dass sowohl Salzburg als auch Sturm mehr oder weniger durch die Meistergruppe marschieren werden, da zwischen diesen beiden Mannschaften und dem Rest meiner Meinung nach momentan eine Klasse Unterschied liegt. Die Meisterschaft wird sich also in den direkten Duellen entscheiden – und in denen werden die "Bullen" wie in der Meisterrunde der Vorsaison wieder die Oberhand behalten.
Peter Altmann:
Ja eh. Bis zum Beweis des Gegenteils kann man gegen diese Annahme wenig sagen, wenn man halbwegs faktenbasiert unterwegs ist. Dafür hat Salzburg einfach zu verlässlich wieder und wieder und wieder gezeigt, was Sache ist, wenn es drauf ankommt.
Kann man Sturm zutrauen, diesen Gegenbeweis zu liefern? Zutrauen schon.
Im Vorjahr waren die verlorenen direkten Duelle in der Meistergruppe das Zünglein an der Waage. Diese Sturm-Mannschaft hat über die Jahre bewiesen, dass sie aus Rückschlägen lernen und sich weiterentwickeln kann.
Es wird jedoch nicht nur auf die beiden Liga-Spiele mit Salzburg ankommen. Im Frühjahr gewann man erst zwei von fünf Bundesliga-Matches. Neben dem Gastspiel in Salzburg ließ man auch gegen Rapid und in Hartberg Punkte liegen.
Mit zu vielen Remis wird das nix werden. Auf den Punkt gebracht: Um Salzburg zu entthronen, wird es eine Meistergruppe sehr, sehr nahe an der Perfektion brauchen.
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2.) Ob Meistertitel oder nicht, der SK Sturm wird kommende Saison nicht wiederzuerkennen sein.
Peter Altmann:
Gehen wir der Reihe nach durch, bei welchen Mitgliedern des erweiterten Stamms es wenig Fantasie braucht, dass die kommende Saison andernorts unter Vertrag stehen könnten:
- Viteszlav Jaros (soll wieder von Kjell Scherpen abgelöst werden)
- Jusuf Gazibegovic (Verkauf denkbar bis wahrscheinlich)
- David Affengruber (Vertrag läuft aus, nächster Schritt wäre logisch)
- Alexander Prass (war vergangenen Sommer schon am Sprung)
- Otar Kiteishvili (Vertrag läuft aus, die vielleicht letzte Chance auf den nächsten Schritt)
- Stefan Hierländer (Vertrag läuft aus)
- Mika Biereth (Leih-Geschäft mit Arsenal endet)
Das heißt natürlich nicht, dass keiner dieser Spieler zu halten ist. Im Gegenzug sind jedoch auch andere Abgänge nicht auszuschließen. Auch Gregory Wüthrich war beispielsweise vergangenen Sommer quasi schon weg. Dass Jon Gorenc Stankovic ein Klassespieler im besten Alter ist, wird man auch anderswo wissen. Sollte die Meister-Sensation gelingen, könnten weitere Protagonisten ins Transfer-Rampenlicht rücken.
Soll heißen: Natürlich kann man dieser These mit dem jetzigen Wissensstand nicht widersprechen. Ein größerer Umbruch käme jedoch auch nicht überraschend. In Wahrheit hat man den einen oder anderen Abgang ohnehin länger als erwartet hinausgeschoben, weshalb man sich auch darauf vorbereiten konnte.
Problematischer wäre unterm Strich ein Abgang von Andreas Schicker und/oder Christian Ilzer. Aber das ist wieder ein anderes Thema...
Simon Urhofer:
Auch ich gehe von einem sommerlichen Facelifting beim SK Sturm aus. Gleichzeitig denke ich, dass die von Kollegen Altmann aufgezählten Abgänge mit einer Ausnahme alle zu ersetzen sind.
Diese Ausnahme heißt wenig überraschend Otar Kiteishvili. Mit dem Georgier am Feld ist Sturm einfach auf einem anderen Level. Ihn adäquat zu ersetzen wird Andreas Schickers schwierigste Aufgabe für die kommenden Monate sein.
Ansonsten bin ich der festen Überzeugung, dass die erwartete Abgangsflut vor allem eine Chance für andere Spieler darstellt:
Der Jaros-Erbe befindet sich ohnehin schon im Kader und wird wohl nochmals geliehen: Kjell Scherpen.
Mit Max Johnston steht ein Spieler, der mir in seiner Auslegung des Rechtsverteidigers extrem gut gefällt, als Gazibegovic-Nachfolger parat.
William Böving könnte durch einen Prass-Abgang zwei Etagen tiefer, vom Angriff auf die Acht, rutschen, wo meiner Meinung nach seine Qualitäten bisher immer deutlich besser zum Vorschein kamen.
Mika Biereth wird ob seiner Klasse vor dem Tor freilich schwer fehlen, sollte es mit einer weiteren Leihe nicht klappen. Gleichzeitig gefielen mir Amady Camara und Seedy Jatta in ihren wenigen Einsätzen bisher extrem gut, auch vom Potenzial eines Leon Grgic bin ich nach wie vor überzeugt.
Die meisten Spieler-Abgänge sind also zu ersetzen. Aber wie sieht es mit den sportlichen Verantwortlichen aus? Es wäre keine Riesen-Überraschung, wenn einer oder beide aus dem Erfolgsduo Andreas Schicker/Christian Ilzer den Verein im Sommer verlassen würde. Und diese Abgänge wären meiner Meinung nach kaum problemlos aufzufangen.
Dennoch glaube ich, dass man sich um Sturm mittelfristig keine Sorgen machen muss. Dafür wird momentan zu konstant gut gearbeitet. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass bei einem etwaigen Schicker- oder Ilzer-Abgang vom eingeschlagenen Weg abgewichen wird.
3.) Alle reden vom vermeintlichen Stürmer-Problem, die wahre Achillesferse der Salzburger ist die Mittelfeld-Zentrale.
Simon Urhofer:
Für mich eine Frage der Definition. Zählt man zur Mittelfeld-Zentrale auch noch die Zehnerposition, gibt es von mir eine klare Absage an diese These. Dort spielt nämlich Oscar Gloukh, und der ist gleichzeitig sowohl einer der formstärksten Spieler im aktuellen Kader als auch einer der talentiertesten Salzburger Kicker überhaupt. Zudem gibt es noch einen Luka Sucic, der ebenfalls auf dieser Position beheimatet ist und im Laufe der Meistergruppe sein Comeback geben wird.
Nun zum Aber: Sieht man vom Gloukh und Sucic ab, würde ich das Mittelfeld tatsächlich als die mit Abstand schwächste Position der Salzburger bezeichnen. Gehen wir die einzelnen Personalien durch:
Lucas Gourna-Douath ist zwar ein solider Sechser, konnte seiner Rekordablöse von 13 Millionen Euro bisher aber deutlich nicht gerecht werden. Er steckt seit Jahren in seiner Entwicklung fest.
Mads Bidstrup hat zu Saisonbeginn wie ein absoluter Goldgriff gewirkt, je länger das Laufwunder in Salzburg kickt, desto klarer werden aber seine Schwächen mit dem Ball offensichtlich.
Maurits Kjaergaard ist ohne Frage einer der besten Standardschützen der Liga, gefühlt kann er sein hohes Potenzial aber noch immer nicht annähernd ausschöpfen, immer wieder hat er mit Formschwankungen zu kämpfen.
Nicolas Capaldo war in den letzten zwei Jahren mehr verletzt als fit. Wenn der Argentinier spielt, darf man sich von ihm – ähnlich wie bei Bidstrup – viel Energie im Spiel gegen den Ball erwarten, spielerisch hat aber auch er Mängel.
Mamady Diambou und Forson Amankwah zeigten in dieser Saison bereits gute Ansätze, recht viel mehr aber noch nicht.
Kurzum: Das Salzburger Mittelfeld ist zweifelsfrei anständig besetzt. Das Potenzial, eine Karriere à la Konrad Laimer, Xaver Schlager oder Dominik Szoboszlai hinzulegen, sehe ich momentan aber nur bei Gloukh und mit Abstrichen bei Sucic.
Peter Altmann:
Kollege Urhofer hat dies bestens seziert, hier bleibt mir wirklich nur mehr die Ergänzung, dass ein gewisser Nicolas Seiwald eben einen Wert hatte, der nicht so einfach zu ersetzen ist. Ich hoffe, er beweist dies auch bei RB Leipzig bald nachhaltiger.
Meinetwegen kann man auch problemlos argumentieren, dass der beste defensive Mittelfeldspieler im Titelkampf Jon Gorenc Stankovic ist.
Zudem ist es auch wichtig, dass es analysiert und klar benannt wird, wenn in der Salzburger-Fußball-Welt mal nicht alles wie gewohnt flutscht.
Trotzdem ist es doch so: Diese "Probleme" hätten andere gerne.
Die meisten der genannten Herren wären bei der Konkurrenz nicht nur gesetzt, sondern Leistungsträger. Und so lange die "Bullen" ergebnistechnisch nicht gehöriger wackeln, kann man über etwaige "Achillesfersen" diskutieren, so viel man will, es bleibt Jammern auf hohem Niveau.
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4.) Spiele der Titelkandidaten am Freitagabend?! Damit tut sich die Bundesliga keinen Gefallen.
Peter Altmann:
Ich persönlich habe nichts gegen den Freitagabend-Slot, werfe hier aber dennoch zwei "Aber" in den Ring: Einerseits verstehe ich, dass es für Auswärts-Fans arbeitstechnisch mühsam sein kann. Andererseits sehe ich diesen Termin in Österreich als Spieltermin der 2. Liga etabliert.
Zur konkreten These: Sowohl Salzburg als auch Sturm spielen im Frühjahr jeweils nur ein Mal am Freitag, das werden beide verkraften.
Mit einem anderen Detail des Meistergruppen-Spielplans hat sich die Bundesliga indes tatsächlich keinen Gefallen getan, da sich Sturm ungleich behandelt fühlt:
Salzburg hat nämlich quasi ein Dauer-Abo auf den 17-Uhr-Termin am Sonntag. Wenn wir die beiden zeitgleichen Runden 31 und 32 (ebenfalls So um 17 Uhr) sowie den einen Mittwochs-Termin abziehen, spielen die Mozartstädter an sechs von sieben Gelegenheiten an diesem Slot, dafür nie um 14:30.
Das kann man jetzt für schwarz-weißes Mi-Mi-Mi halten, aber dieser Kritik von Sturm hätte man mit einer ausgewogeneren Aufteilung ziemlich simpel entgehen können – vor allem an dem einen Sonntag, an dem es wirklich einen Unterschied macht, nämlich jenem in dieser Woche:
Nach einem Europacup-Auftritt wie jenem am Donnerstag in Lille kommt es tatsächlich auf jede Stunde Regeneration an. Hier wäre es ein fairer Zug gewesen, die Partien von Salzburg und Sturm zu switchen.
Simon Urhofer:
Ich habe einige Fußballfans in meinem engeren Freundeskreis, die nicht das Privileg genießen, einen Stadion-Besuch als Job zu bezeichnen, sondern sich - speziell für Auswärtsfahrten - oftmals für einen solchen extra frei nehmen müssen.
Dementsprechend kann ich es mehr als nachvollziehen, wenn etwa ein Fan der Wiener Austria sauer ist, wenn an einem Freitagabend Anfang Mai eine Auswärtsreise nach Lustenau ansteht und deshalb ein wertvoller Urlaubstag draufgeht.
Gleichzeitig finde ich den Flair eines Freitagabend-Spiels enorm spannend. Im Frühling bzw. Frühsommer ein Bundesliga-Spiel bei Flutlicht und lauen Außentemperaturen zum Start ins Wochenende zu genießen, klingt für mich extrem ansprechend, und ich denke, einigen Menschen wird es wie mir gehen.