In unserem neuen Format "Ansichtssache" versuchen wir, Meinungen, Stimmungen, Überreaktionen oder sonstige Ansichten jeglicher Art in eine These zu packen und zu analysieren.
Das kann mal provokant sein, mal eine oft gehörte Meinung. Mal sehr strittig, mal weniger. Mal eine Prognose, mal eine simple Einordnung.
Dieses Mal widmen wir uns dem brisanten "Kampf um den Strich" in der Bundesliga. Sonntag, ab 17 Uhr im LIVE-Ticker >>>
In Zukunft wollen wir auch User-Thesen debattieren. Diesmal waren unsere Redaktions-Kollegen aufgerufen, vier Ansagen zu liefern, die in weiterer Folge von den LAOLA1-Redakteuren René Mersol und Peter Altmann eingeordnet wurden.
1.) Interne Tabellen, direkte Duelle und Co. – Spannung schön und gut, aber niemand will während eines Fußballspiels den Taschenrechner zücken. Das ist viel zu kompliziert.
René Mersol:
Grundsätzlich bin ich der Ansicht: Ganz ohne Rechnereien wird es im Fußball nicht gehen. Und bis zu einem gewissen Punkt spannt dies ja auch den Bogen, sorgt für Brisanz, macht den Kampf um den Strich spannend.
Nur: Kommt es dann so weit, dass man gefühlt ein Lehramts-Studium braucht, um den Durchblick zu behalten, ist es zu viel des Guten. Selbst ich als Redakteur dieses Hauses war mir da zunächst nicht sicher, musste den Rechner zücken, um ein klares Bild zu bekommen.
So wie die Lage heuer ist, wird das "Rechen-Thema" auf eine neue Stufe gehoben. Wenn mir beim Fußball-Schauen der Kopf raucht, ich nach der Partie nicht direkt weiß, wer nun in welchem Playoff spielt - da vergeht mir bald einmal die Freude.
Ich für meinen Teil brauche das nicht. Ob man wieder zum altbewährten System ohne Teilung zurückkehren sollte? Seit der Saison 2018/19 wird nun schon in diesem Format gespielt, nach nunmehr sechs Jahren wäre ich der Einfachheit halber dafür.
Peter Altmann:
Ich glaube nicht, dass diese These das Format generell in Frage stellt – und das sollte man auch nicht! Ich sage nicht, dass das aktuelle System eines für die Ewigkeit ist, aber gegenwärtig macht es Sinn.
Genauso macht es Sinn, die jeweilige Platzierung bei Punktegleichheit nicht vom Torverhältnis abhängig zu machen, sondern von direkten Begegnungen. Das ist fairer und wertet jedes einzelne Match im Saisonverlauf auf.
Kann dies dazu führen, dass am Ende komplizierte Rechnungen notwendig sind? Ja, das kann es.
Aber wenn man beispielsweise über den Tellerrand zur NFL blickt, sind dort die Playoff-Szenarien oft noch wesentlich wilder, und trotzdem hat das Publikum der Liga nicht den Rücken gekehrt. Ganz im Gegenteil.
Und praktischerweise gibt’s im Jahr 2024 auch schon tauglichere Hilfsmittel als einen "Taschenrechner". Angeblich steht uns ja noch der eine oder andere Modernisierungsschub bevor. Hört man.
2.) Austria Klagenfurt und Rapid wären dumm, wenn sie nicht einfach Unentschieden spielen würden.
Peter Altmann:
Austria Klagenfurt wäre dumm, würde man nicht alles unternehmen, um einen hochkarätigen Kontrahenten um die Europacup-Plätze wie Rapid von der Meistergruppe fernzuhalten.
Rapid wäre dumm, gerade angesichts der jüngsten Ereignisse, wenn man mit einer Art Gijon-Schande gleich den nächsten unnötigen Skandal nachlegen würde.
Mehr gibt’s für mich dazu nicht zu sagen.
René Mersol:
"Gijon-Schande" - na da packt der Herr Kollege die Nostalgie-Keule aus! Das impliziert aber, dass es diesbezüglich womöglich eine "Absprache" gibt, sich auf ein Remis zu verständigen. Daran glaube ich nicht, das wird nicht passieren.
Selbst wenn die Partie unentschieden ausgehen und beide Teams im Lauf derer keine großen Anstalten machen sollten, das Spiel für sich zu entscheiden, wäre das nur nachvollziehbar. Die Konstellation gibt das her und beide würden profitieren.
Sicher werden sowohl Rapid, als auch Klagenfurt zunächst auf Sieg spielen, aber wenn es zehn Minuten vor Schluss 1:1 steht - warum sollte sich da eines der beiden Teams noch ein "Gurkerl" ins Knie schießen?
Dafür bedarf es aber keiner Absprache, weil das ohnedies allen Beteiligten klar wäre.
3.) Die Austria wird das Wunder nicht mehr schaffen. Und das freut auch die Bundesliga, weil die Qualigruppe einen "Großen" braucht, um die Leute zu interessieren.
René Mersol:
Ja, das hoffe ich. Nicht, weil ich der Austria die Meistergruppe nicht gönnen würde. Aber ich bin ein Freund davon, dass es spannend bleibt und mit den "Veilchen" in der Qualigruppe wäre diese einfach hochwertiger.
Das würde auch den anderen Klubs da unten helfen, die sich über ein höheres Zuschauerinteresse freuen dürfen - anders, als wenn (bei allem Respekt, freilich!) Hartberg oder Klagenfurt noch unten reinrutschen würden. Und wie die These schon besagt: Es tut auch der Bundesliga als solcher gut, wenn ein "Großer" mit dabei ist.
Ich bin zwar bisweilen kein großer Fan der Ligateilung, aber wir haben sie nun mal. Insofern hoffe ich da im Interesse des Fußballs auf das Beste und das wäre ein Großklub in der Qualigruppe.
Abgesehen davon ist es für die "Veilchen" unter Umständen sogar der geschicktere Weg, um es noch ins internationale Geschäft zu schaffen. Denn dort braucht es nur drei Spiele, um diesen Schritt zu schaffen. Zudem winken machbare Gegner.
Peter Altmann
Ich glaube tatsächlich, dass es sowohl die Liga, als auch viele Medien nicht stören würde, wenn ein Großklub "unten" landet, weil dadurch der Bundesliga-Samstag im Frühjahr fraglos einfacher zu verkaufen wäre.
Also stimme ich dem Grundgedanken der These zu.
Falsch ist dieser Gedanke trotzdem. Das Premium-Produkt im Frühjahr ist die Meistergruppe. Je attraktiver sie ist, desto besser.
Die Punkteteilung sorgt dafür, dass in den meisten Jahren auch der Kampf gegen den Abstieg nicht fad ist.
Und wer gegen das aktuelle Liga-Format und für eine Aufstockung auf 14 oder 16 Klubs ist, muss ja generell eine gewisse Freude an Spielen im Tabellen-Niemandsland haben. So gesehen braucht es auch keinen "Großen", der eine ohnehin künstlich durch den Modus spannend gestaltete Qualigruppe aufpeppt.
Was ich mich viel mehr frage: Warum wäre es ein "Wunder", wenn die (Wiener?) Austria oben landet?
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4.) Dieser elende Kampf um den Strich lenkt viel zu sehr davon ab, dass wir den spannendsten Titelkampf seit einer gefühlten Ewigkeit erleben.
Peter Altmann:
LAOLA1 ist ein landesweites Medium, aber diese These muss ein Wiener verfasst haben. Dass der Titelkampf in der Bundeshauptstadt kein Dauerthema ist, mag so sein. Andernorts wird er sehr wohl aufmerksam verfolgt.
So richtig Fahrt nimmt er jedoch ohnehin erst in der Meistergruppe nach der Punkteteilung auf. Zu diesem künstlichen Eingriff kann man stehen, wie man möchte, aber Spannung garantiert er.
Und genau diese durch den Modus herbeigeführte Spannung ist es auch, warum diese These in doppelter Hinsicht ein Blödsinn ist. Denn dieser "elende" Kampf ist doch keine Ablenkung, sondern eine absolute Bereicherung für die Bundesliga.
Dem in vielen Ligen todlangweiligen Tabellen-Mittelfeld mitten in der Saison derartig Leben einzuhauchen, ist ein Kunststück, zu dem man nur gratulieren kann.
René Mersol:
Ich kann dieser These durchaus etwas abgewinnen. Auch mich selbst zieht dieser Kampf in seinen Bann, wenn auch nicht so, wie gedacht. Viel zu sehr bin ich in den letzten Tagen mit dem Rechenschieber befasst, als dass ich meinen Fokus voll auf den Titelkampf legen könnte.
Das ist schade, denn so eng ging es in der Liga nicht mehr zu, seit Ralf Rangnick bei den "Bullen" alles umgekrempelt hat. Ich hätte kein Problem damit, auf den "Strichkampf" zu verzichten. Rechnen müssten wir auch ohne ihn genug.
Mit der Ligateilung wird künstlich versucht, Spannung zu generieren. Vielmehr Sinn würde es da aus meiner Sicht machen, die Bundesliga auf 14 Teams aufzustocken, um ein echtes Mittelfeld zu haben.
Potenzielle Klubs gäbe es dafür mit dem GAK, Ried, der Vienna, Bregenz oder St. Pölten jedenfalls. Man sieht ja am Beispiel der 2. Deutschen Bundesliga, wie interessant eine größere Liga sein kann - ganz ohne "Strichkampf".