Wenn ein Spieler des SK Sturm Graz nach Wien zu Rapid wechselt, sind Debatten vorprogrammiert.
Mit Christoph Lang lässt der amtierende Cupsieger einen zuletzt - mit Erfolg - nach Hartberg verliehenen Spieler nach Hütteldorf ziehen. Alle Infos >>>
Dies ist ein Transfer, bei dem beide Lager intensiv beobachten werden, ob er sportlich aufgeht oder nicht.
Während bei Rapid natürlich dieser Blickwinkel im Vordergrund steht, steht diese Personalie bei Sturm stellvertretend für einen der wenigen Makel, die man in der grundsätzlich hervorragenden sportlichen Entwicklung der vergangenen Jahre sehen kann - und dies ist nun mal die Situation der Eigenbauspieler.
LAOLA1 stellt und beantwortet die jeweils drei wichtigsten Fragen zu diesem Transfer aus der Sicht beider Vereine.
Von Sturm zu Rapid und umgekehrt - die direkten Überläufer
DREI FRAGEN AUS STURM-SICHT:
Warum polarisiert dieser Transfer?
Dieser Deal erfüllt mehrere Kriterien, um einen Sturm-Fan zu triggern. Wechsel zu einem der beiden Bundesligisten aus der Bundeshauptstadt werden generell nicht gerne gesehen. Wenn es dann noch einen Eigenbauspieler nach Wien zieht, sorgt das für zusätzliche Emotionen – man denke an Moritz Wels und seinen Wechsel zur Austria im Sommer.
Wenn die Wiener Vereine – ob bewusst oder unbewusst – hier auch noch im wunden schwarz-weißen Punkt bohren, schmerzt es viele Sturm-Fans zusätzlich. Und das ist bei allem Erfolg nun mal der Fakt, dass hauseigene Talente derzeit bestenfalls eine Nebenrolle spielen. Das Rumoren dieses Themas betreffend lässt sich bei aller Freude über die sportliche Entwicklung kaum ignorieren.
War dieser Transfer alternativlos?
Ja. Laut Geschäftsführer Sport Andreas Schicker hat Lang klar durchblicken lassen, dass er nicht gedenkt, seinen 2025 auslaufenden Vertrag zu verlängern. Dass der 22-Jährige mit dem aktuellen Wissensstand nicht darauf vertraut, ab der kommenden Saison eine echte Perspektive bei Sturm zu bekommen, ist ebenso nachvollziehbar wie der Gedanke, es dann eben bei Rapid zu versuchen, wenn die Hütteldorfer eine ansehnliche Ablösesumme hinlegen.
Und spätestens diese Ablöse von einem kolportierten Sockelbetrag von 600.000 Euro, der auf bis zu eine Million Euro steigen kann, macht den Transfer für Sturm zu einem No-Brainer. Es passt zu Schickers Politik, lieber frühzeitig für klare Verhältnisse zu sorgen, als das Thema bis zum Vertragsende mitzuschleppen, währenddessen doch noch auf irgendeine Lösung zu hoffen und den Spieler dann womöglich trotzdem ablösefrei zu verlieren.
Sieht man es emotionslos, hat Sturm für einen Spieler, der ohnehin nicht langfristig bleiben möchte und kaum für die Grazer Bundesliga gespielt hat, nicht so schlecht abkassiert. Sollte Lang bei Rapid einschlagen, wird dies dennoch unangenehme Fragen aufwerfen. Auch das gehört zum Geschäft.
Was ist die Lösung für das Thema Eigenbauspieler bei Sturm?
Die einzig nachhaltige Antwort kann nur lauten: Besser ausbilden.
Der Output der Akademie ist bekanntlich nicht gerade fantastisch. Das wiederum lässt sich nicht von heute auf morgen lösen. Dass diese Thematik tatsächlich eine Herzensangelegenheit ist und mit Hochdruck bearbeitet wird (so gut das eben infrastrukturell geht), könnte man der schwarz-weißen Gemeinde bestimmt intensiver vermitteln.
Aber noch viel wichtiger ist, dass intern diese Messlatte unmissverständlich festgelegt ist. "Quoten-Junge" einzubauen, bringt niemandem etwas – und um aktuell in der Kampfmannschaft auf Einsatzzeit zu kommen, muss man nun mal richtig gut sein. Also kann der Anspruch nur lauten, Talente auszubilden, denen man dieses Niveau ohne Wenn und Aber zutrauen kann.
Gleichzeitig gibt es im vollgepackten Kalender sehr wohl Spiele, in denen man diesen ausgewählten Talenten erstens zumindest als Wechselspieler den Sprung ins kalte Wasser zutrauen und damit zweitens wichtige Signale senden könnte. Mit Leon Grgic bekam das aktuell größte Talent im Herbst drei Europa-League-Minuten, ansonsten bewegt er sich in der Zweitvertretung in der 2. Liga. Der Glaube, dass man hausintern den Weg über die 2. Liga hinaus schaffen kann, ist offenkundig verloren gegangen. Der einzige Weg aus diesem Dilemma ist nun mal, dass es eher früher als später wieder einmal ein Sturm-Talent tatsächlich in die Kampfmannschaft schafft. Betonung auf "schaffen".
Denn trotz allem gilt: So sehr es stets zur Sturm-DNA gehört hat, die eigenen "Buam" zu forcieren, so sehr gilt, dass konstante Erfolgsphasen wie die aktuelle eher die Ausnahme als die Regel sind. Es ist kaum anzunehmen, dass die Mehrheit der Sturm-Fans die Chance auf den Meistertitel gegen Platz fünf und drei eigene Talente im Stamm tauschen wird. Konstant vorne mitzuspielen und das mit einer vernünftigen Anzahl an Eigenbauspielern ist eine Aufgabe, die Sturm noch länger beschäftigen wird.
DREI FRAGEN AUS RAPID-SICHT:
Macht ein derartiges Investment in Lang Sinn?
600.000 Euro fließen von Wien-Hütteldorf nach Graz, inklusive Boni kann die Ablösesumme auf eine Million Euro steigen. Eine stolze Summe für den 22-Jährigen, die allerdings auch zeigt, dass Rapid großes Potenzial im Offensivmann sieht.
Lang war eine der Schlüsselfiguren beim TSV Hartberg und mit fünf Toren sowie drei Assists an knapp 30 Prozent aller Treffer (29) beteiligt. Im Vergleich mit seinen neuen Teamkollegen steht der Steirer mit Marco Grüll teamintern an der Spitze der Scorer-Wertung.
Die nackten Zahlen sprechen dafür, dass der beidfüßige U21-Nationalspieler in Grün-Weiß ebenfalls zum Leistungsträger werden kann, sofern er mit dem turbulenteren Umfeld zurecht kommt. Aus Graz kennt Lang dies mit Abstrichen schon, dass Rapid-Anhänger mit ihren Neuzugängen allerdings nicht immer die größte Geduld bewahren, ist hinlänglich bekannt.
Doch vergangene Investments in junge Österreicher haben sich stets bezahlt gemacht. Die Chancen stehen hoch, dass dies wieder der Fall sein wird.
Wo findet Lang seinen Platz in der Startelf?
Das hängt wohl auch ein Stück weit davon ab, ob Markus Katzer am Transfermarkt tatsächlich nochmal tätig wird. Prinzipiell kündigte der Geschäftsführer Sport an, die Augen nach einem klassischen Flügel weiter offen zu halten (alle Infos >>>).
Lang hat jedoch den Vorteil, die Gegebenheiten in Österreich selbstverständlich bestens zu kennen und kaum Anlaufzeit zu benötigen. Damit scheint der Neuzugang seinen Platz in der Startelf einmal sicher zu haben.
Markus Schopp stellte den 22-Jährigen in Hartberg zumeist als Zehner oder hängende Spitze auf, U21-Teamchef Werner Gregoritsch setzt wiederum am Flügel auf den polyvalent einsetzbaren Offensiv-Spieler. Die vielfältigen Möglichkeiten dürften mitunter sein größter Trumpf sein, Robert Klauß kann Lang auf jeder Angriffsposition einsetzen.
Vorerst scheint aber die freigewordene rechte Flügelposition jene zu sein, auf der Lang seinen Platz finden wird.
Wie passt Lang zur Transfer-Strategie von Markus Katzer?
Wie die Faust aufs Auge. Der im Jänner 2023 installierte Geschäftsführer Sport legt seinen Fokus vorwiegend auf junge, vielversprechende Kicker, die nach einiger Zeit mit Profit verkauft werden können.
Als Paradebeispiel gilt schon jetzt der erst im Sommer verpflichtete Matthias Seidl, der inzwischen von Ralf Rangnick ins ÖFB-Team einberufene Offensiv-Mann wird Rapid eher früher als später einen Geldregen bescheren. Lang reiht sich in dieser Hinsicht nahtlos ein, wenn er seine in Hartberg erbrachten Leistungen zumindest bestätigen kann.
Und mit Noah Bischof, auf den Altach ein halbes Jahr vor dessen Vertragsende nicht mehr setzt, hat Katzer schon das nächste Talent an der Angel, welches das Potenzial mitbringt, Rapid auf lange Sicht nicht nur sportlich, sondern auch finanziell zu helfen.
Dabei wurden noch nicht einmal der aktuell verletzte Thierry Gale und Fally Mayulu genannt. Der unter Katzer eingeschlagene Weg am Transfermarkt scheint zu stimmen.