Das Aus von Damir Canadi als Rapid-Trainer hat ein großes Echo ausgelöst.
Zum vierten Mal in nur einem Jahr starten die Grün-Weißen quasi bei Null. Auch wenn mit Goran Djuricin und Martin Bernhard eine naheliegende Lösung gefunden wurde, haben die Wiener seit dem Vorjahr Zoran Barisic, Mike Büskens und eben Canadi "verbraucht".
Der erneute Trainerwechsel setzt einige Änderungen voraus. Was bedeutet die Beurlaubung des bis dato schlechtesten Rapid-Trainers aller Zeiten also für die Grün-Weißen?
1. Canadis Aus bedeutet Fehlereingeständnis Krammers
Die Entscheidung, Damir Canadi vor die Türe zu setzen, ist dem SK Rapid mit Sicherheit nicht leicht gefallen. Vor allem aufgrund der Vorgeschichte. Im Sommer warf man vom einen auf den anderen Tag Zoran Barisic hinaus, der über Jahre ein Erfolgskonstrukt aufbaute und mit dem neuen Stadion sowie erstmals größeren Investitionen bereit für den nächsten Schritt gewesen wäre. Dann trat der Verein mit Mike Büskens ins Fettnäpfchen, vor allem weil Ex-Sportdirektor Andreas Müller sein Schicksal an jenes seines Schalke-Buddys knüpfte. Und dann war da noch die Auswahl von Damir Canadi, die auf die Kappe von Präsident Michael Krammer geht, der sich mit einer nie enthüllten Experten-Runde für den damaligen Altach-Coach stark machte. Denn ein Sportchef wurde mit Fredy Bickel erst nach dem Trainer installiert. Mit dem Scheitern Canadis muss somit auch Krammer einen Fehler eingestehen – für die falsche Wahl als auch für die verkehrte Vorgehensweise bei der Personal-Auswahl.
VIDEO: Das sagt Bickel zum Canadi-Aus:
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
2. Impuls mit bestehendem Trainerteam genug?
Die Frage, wie man sich für die kommenden Monate und dem nun anstehenden Abstiegskampf wappnen wird, wurde schnell beantwortet. Mit der offiziellen Beurlaubung Canadis wurden Goran Djuricin und Martin Bernhard interimistisch bis Saisonende ins Amt gehoben. Nicht ganz unberechtigt ist die Frage, ob das Vertrauen in bereits im Verein vorhandenes Trainerpersonal den erhofften Umschwung bringt? Nun sollen jene Männer die Kohlen aus dem Feuer holen, die der entlassene Chefbetreuer zum Verein holte und die ihm als Assistenten die Treue schworen. Diese könnten jedoch nicht unterschiedlicher sein. Für die Spieler bleibt der große Umbruch deshalb aus, dieser Schutz wurde von Sportchef Bickel bewusst gewählt. "Ein vierter Trainer in einem Jahr wäre nicht gut gekommen. Ich habe Vertrauen in die beiden, ich habe gesehen, wie sie arbeiten und wie sie in der Mannschaft akzeptiert sind." Man kennt sich nun seit einigen Monaten, stand auch die letzten Wochen gemeinsam auf dem Platz. Einziger Unterschied: Nun haben Djuricin und Bernhard das letzte Wort, nicht mehr Canadi. Es wird somit interessant zu beobachten sein, ob und wie schnell sich diese von Canadi abkapseln und bei Rapid funktionieren können. Glaubt man deren Worten, haben sie konkrete Pläne und werden es anders angehen - was bisher nicht möglich war.
3. Jetzt stehen die Spieler in der Pflicht
Alles, was in den letzten Wochen und Monaten bei Rapid schiefgelaufen ist, nur auf das Verschulden des Trainers zurückzuführen, wäre der verkehrte Weg. Das stellte bereits Sportchef Fredy Bickel nach dem desaströsen Auftritt beim 0:3 in Ried klar. Diverse Vorkomnisse, taktische Ausrichtungen oder der Umgang mit einzelnen Spielern wird da hineinspielen, im Endeffekt darf es jedoch keine Ausrede sein. Denn dass die Spieler im Frühjahr nicht einmal annähernd an ihren Leistungs-Zenit herankamen, liegt auch an jedem einzelnen. Obwohl Kapitän Steffen Hofmann sich nicht befugt dazu fühlte, über den Trainer zu urteilen, merkte er schon an, dass sich jeder einzelne selbst an die Nase fassen muss, um wieder in die Spur zu finden. Denn eine Ausrede fällt mit dem bisherigen Trainer nun weg. Jetzt erst recht müssen vor allem Leistungsträger wie Stefan Schwab, Louis Schaub, Mario Sonnleitner und Co. zeigen, dass sie bei weitem nicht so schlecht und "untrainierbar" sind. Auch Bickel stellt unmissverständlich klar: "Wenn in einer Saison vier Trainer benötigt wurden, trägt die Mannschaft schon auch eine Mitschuld." Es wird darauf ankommen, wie schnell unter den neuen Bedingungen an jenen Schrauben gedreht werden kann, um wieder erfolgreich zu sein bzw. welches Vertrauen die beiden neuen, altbekannten Cheftrainer genießen.
4. System-Frage wird neu aufgerollt
Für viele war das System, das Rapid mit dem vorhandenen Spielermaterial einfach nicht passte, ausschlaggebend für das Scheitern des Trainers. Doch dieser hielt stur daran fest, verteidigte es und ließ sich nicht beirren. Mit neuem Führungspersonal wird diese Frage neu aufgerollt. "Gogo" Djuricin schickte bereits voraus, dass unter ihm alles möglich sei, auch eine Rückkehr zur Viererkette sei nicht ausgeschlossen. Anders als zuvor Canadi wolle man flexibel sein, auf Gegner eingehen und vor allem: Die Stärken der einzelnen Spieler stärken und die Schwächen schwächen. Die Tage, an denen jeder beliebige Spieler in ein nicht passendes Korsett gezwängt wurden, sollen der Vergangenheit angehören. Djuricin meint aber auch: "System ist nicht wichtig im Fußball, sondern viel mehr, wie man es interpretiert. Ich habe seit gestern 17 Systeme im Kopf mit 20 verschiedenen Spielern. Wir werden das diese Woche planen." Bickel ist ähnlicher Ansicht, sieht Rapid auch eher als spielstarkes denn als abwartendes Team. Vordergründig gehe es aber darum, darauf einzugehen, was gerade passt.
5. Ein "spezielles" Team erfordert spezielle Maßnahmen
Sich anzupassen, war vielleicht nicht die große Stärke Canadis. Die Umgangsform war eigen und möglicherweise für die von Sportchef Bickel als sensibel bezeichnete Mannschaft einfach nicht verkraftbar. Wie der Schweizer die Mannschaft wahrnimmt, klingt interessant, denn Bickel spricht von einer "sehr speziellen Mannschaft, in jeder Hinsicht. Es ist eine überdurchschnittlich intelligente Mannschaft, in der die Spieler sich und alles hinterfragen, die Worte auseinandernehmen und sich mit dem Verein ständig auseinandersetzen. So eine Mannschaft habe ich in 25 Jahren nie erlebt, sie ist sehr charakterstark." Damit muss man umgehen können, die soziale und mentale Komponente werden eine der größten Aufgaben für das neue Trainer-Duo sein. Bickel hält auch fest: "Die Spieler haben in den Gesprächen auch immer auf ihre eigenen Fehler hingewiesen, waren sehr einsichtig und haben nie den Trainer kritisiert. Sie sind sehr sensibel, aber auch jeder sehr unterschiedlich. Deshalb kann man nicht jeden gleich behandeln." Unter Zoran Barisic passte die Chemie zwischen Spielern und Trainer, unter Mike Büskens bröckelte sie leicht, unter Canadi gab es mehrere Probleme. Ein "spezielles" Team fordert.
6. Im Abstiegskampf sind andere Tugenden gefragt
Canadi meldete sich nach seinem Aus selbst via Facebook zu Wort und gab ehrlich zu, es nicht geschafft zu haben, das Vertrauen der Mannschaft zu gewinnen. Vor allem konnte er seinen Spielern nicht jene Tugenden einimpfen, die in einer derart verfahrenen Situation von Nöten sind. Je tiefer Rapid in die Krise abdriftete, desto seltener wurde das Aufbäumen. Hier gilt es nun anzusetzen. Den Abstiegskampf nehmen alle Beteiligten an, spätestens seit dem 0:3 in Ried sei das laut Bickel auch den Letzten bekannt. Martin Bernhard spricht von "Kratzen, Kämpfen, Beißen" und das Besinnen auf Rapid-Tugenden, die den Verein so groß gemacht haben. Fakt ist aber auch, dass Rapid ohne jegliche Erfahrung in den Abstiegskampf geht. "Uns ist bewusst, dass es sehr schwierige Wochen werden", meint Bickel und ergänzt: "Die anderen Mannschaften haben uns gegenüber einen klaren Vorteil, da sie von Saisonbeginn an wissen, dass es für sie nur ein Ziel gibt: Den Klassenerhalt. Wir hatten ganz andere Ziele. Bei ihnen steigt die Hoffnung, sie haben eine Mannschaft mehr in dem Kampf, der den nicht gewohnt und mental vielleicht noch nicht bereit ist, so einen Kampf einzugehen. Es wird jede Mannschaft so auftreten wie gestern Ried, welches das mit größter Hochachtung gemacht, alles hineingelegt und gezeigt hat, was Abstiegskampf wirklich bedeutet und wie man darauf reagieren muss." Es wird somit eine entscheidende Aufgabe des neues Trainer-Duos werden, das in die Köpfe der Spieler hineinzubekommen.