Reinhold Ranftl ist längst angekommen. Der 31-Jährige ist seit seiner Ankunft bei der Wiener Austria im Sommer 2022 unumstrittener Stammspieler.
"Ich glaube, dass ich meine Karriere bei der Austria beenden werde", sagt der Steirer im LAOLA1-Interview.
Außerdem spricht der Flügelspieler über seine schwierige Zeit beim FC Schalke 04, Schmerzmittel und gute Gene.
LAOLA1: Wie abhängig ist dein Wohlbefinden von Spielergebnissen?
Reinhold Ranftl: Viele Menschen glauben, das nimmt man nicht mit nach Hause, aber bei mir ist das ganz extrem. Man macht sein Leben ein Stück weit abhängig vom Gewinnen und Verlieren. Gewinnt man, ist man mehr draußen, geht auf einen Kaffee. Wenn nicht, ist man frustriert. Ich habe immer geglaubt, das wird mit dem Alter besser, das ist aber nicht so. Vielleicht wurde es bei mir sogar eine Spur schlimmer. Ich war in der Vergangenheit oft vom Erfolg verwöhnt – da tun Niederlagen doppelt weh und die Siege vergehen viel zu schnell.
LAOLA1: Stört dich das an dir, dass dich das so wurmt? Man stößt da ja dann auch Menschen vor den Kopf, die gar nichts dafür können.
Ranftl: Das ist nicht nur für mich, sondern auch für die Familie belastend. Meine Eltern und meine Freundin stört das manchmal. Das ist für Menschen, die keine Profifußballer sind, schwer nachvollziehbar. Das ist mehr als ein Beruf, das ist Leidenschaft. Es gibt nichts, das ich lieber tue. Und dann reicht das Gewinnen oft nicht. Es muss die perfekte Leistung sein, das perfekte Ergebnis. Aber das gibt es nicht. Das stört mich oft an mir. Ich dachte, ich wäre da schon ein Stück weiter.
LAOLA1: Wie erlebst du dann die laufende Saison?
Ranftl: Als es zu Saisonstart nicht so gut gelaufen ist, hat mich das schon sehr belastet. Umso mehr hat es mich gefreut, als wir wieder gewonnen haben. Dann ist alles super. Aber eigentlich ist nicht alles super, weil es im Fußball so schnell geht. Nächste Woche kann die Welt schon wieder ganz anders aussehen. Deshalb habe ich zuletzt auch versucht, unseren Lauf zu genießen.
"Ich wusste nicht, ob es mir überhaupt noch Spaß macht, Fußball zu spielen"
LAOLA1: Wie abhängig ist dein Wohlbefinden vom Vertrauen, das du spürst?
Ranftl: Extrem! Ich muss vom Trainer und den Verantwortlichen spüren: "Hey, du wirst gebraucht! Wir zählen auf dich! Es kann auch mal ein schlechtes Spiel dabei sein." Mir ist das extrem wichtig. Auch da sind wir wieder beim Alter. Vertrauen braucht man immer, egal, wie alt man ist. Das kann man nicht ausblenden. Deswegen bin ich froh, das hier zu haben. Hier wird mir zu 100 Prozent vertraut – vom Verein, vom Trainerteam, von den Mitspielern.
LAOLA1: Du hast 66 von 67 möglichen Spielen für die Austria gemacht, einmal warst du gelbgesperrt, nur zwei Mal bist du nicht in der Startelf gestanden. Wie wichtig war das vor allem zu Beginn angesichts der Phase, in der sich deine Karriere befunden hat?
Ranftl: Ich hatte zuvor ein richtig schweres Jahr auf Schalke. Ich habe sehr an mir gezweifelt. Ich wusste nicht, ob es mir überhaupt noch Spaß macht, Fußball zu spielen. Ich habe teilweise schon sehr das Privatleben genossen, weil ich ja wochenlang nicht im Kader war. Da verliert man den Glauben, dass man es noch kann.
LAOLA1: Dann hat dich die Austria ausgeliehen.
Ranftl: Ich habe von Anfang an gespürt, dass ich wichtig bin. Dabei haben meine Leistungen nicht so gepasst. Aber Manfred Schmid hat mich gestärkt und ich habe wieder den Spaß am Fußball gefunden. Ich habe Woche für Woche die Leidenschaft fürs Gewinnen neu entdeckt.
LAOLA1: Du vermittelst glaubhaft, dass du dich bei der Austria sehr wohlfühlst.
Ranftl: Wir sind eine Einheit, jeder versteht sich mit jedem. Wir sind mehr als nur Mitspieler, sind eine richtige Mannschaft. Jeder fährt jeden Tag gerne hierher zum Training. Eigentlich brauche ich gar keinen freien Tag. Das ist wie Urlaub, wenn man hierher kommt und mit seinen Freunden am Platz steht. Nur so macht Fußball richtig Spaß.
LAOLA1: Du warst beim LASK immer unumstrittener Stammspieler. Dann bist du zu Schalke gekommen, wurdest in der zweiten Partie ausgewechselt und hast in der dritten schon nicht mehr gespielt.
Ranftl: So eine Situation hatte ich in meiner ganzen Karriere noch nie. Ich habe lange gebraucht, um das Ganze zu verarbeiten. Fangen wir damit an, dass ich gar nicht mehr geglaubt habe, dass ich irgendwann nochmal den Verein wechseln werde – ich war 29 Jahre und hatte einen langfristigen Vertrag beim LASK. Dann habe ich die Möglichkeit bekommen, bei so einem riesengroßen Klub wie Schalke zu unterschreiben. Das ist alles schnell gegangen.
"Ich war mit der Situation einfach komplett überfordert"
LAOLA1: Wie war es dort?
Ranftl: Ich habe das extrem unterschätzt – was dort medial abgeht, ist mit Österreich nicht zu vergleichen. Du musst von Anfang an zu 100 Prozent deine Leistung bringen. Außerdem ist es zwar deutschsprachig, aber trotzdem ein anderes Land. Du brauchst diverse Dinge – Auto, Wohnung,... Das ist im Ausland alles viel schwieriger. Ich habe echt lange gebraucht, um damit abzuschließen, dass ich weg bin aus Linz, weg aus Österreich.
LAOLA1: Und sportlich?
Ranftl: Ich habe davor sechs Jahre in einer funktionierenden Mannschaft gespielt. Das gab es dort nicht. Das gibt es dort immer noch nicht. Die Automatismen am Platz haben nicht gestimmt. Das Training war ganz anders. Es war so viel ganz anders. Ich habe die Größe des Vereins unterschätzt. In mich wurde extrem viel Hoffnung gesteckt. Ich war in dem Moment noch nicht soweit. Obwohl man das von einem 29-Jährigen glaubt. Ich habe für das Nationalteam gespielt, habe etliche Europacup-Spiele gemacht. Aber ich war mit der Situation einfach komplett überfordert.
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LAOLA1: Hast du etwas Positives mitgenommen?
Ranftl: Ja, es hat mich weitergebracht. Ich genieße jedes Spiel mehr. Und ich habe für den zweitgrößten Verein Deutschlands gespielt. Auch wenn es nur eine kurze Saison war, war es eine sehr lehrreiche Zeit.
LAOLA1: Du warst in deiner Karriere kaum verletzt. Ende der Saison 2017 hattest du einen Bänderriss, im Frühjahr 2016 hast du ein paar Spiele verpasst.
Ranftl: Damals hatte ich eine Schambeinentzündung. Das war unter Oliver Glasner. Ich hatte sehr lange Schmerzen. Ich habe lange mit Schmerzmitteln gespielt – das wird im Profifußball ja oft verschwiegen. Für mich war das ein Knackpunkt. Ich konnte maximal zwei Trainings in der Woche machen. Ich hätte damals den Klub wechseln können, doch ich habe gemerkt, dass mein Körper nicht richtig funktioniert, deswegen bin ich geblieben. Ich habe gelernt, dass Fußball mehr ist, als nur zum Training zu gehen. Ein Profifußballer macht mehr, als nur eineinhalb Stunden Training am Tag. Ich mache sehr viel Verletzungsprävention, habe vor und nach dem Training mein Programm, das ich jeden Tag abspule. Ich gehe früh ins Bett und ernähre mich gut.
LAOLA1: Hast du gute Gene?
Ranftl: Ich glaube schon, das habe ich von meinem Vater geerbt. Ich bin muskulär ja eher der Thomas-Müller-Typ. Natürlich kann man immer vorbeugen, aber teilweise ist es einfach eine Frage der Genetik.
LAOLA1: Bist du am Feld einer, der oft mal "drübergeht"?
Ranftl: Ja. Das hat mit meiner Erziehung zu tun. Es hat immer geheißen: "Zieh‘ so lange durch, bis es gar nicht mehr geht." Mein Papa ist genauso ein Typ. Es gab oft Momente, in denen ich mir gedacht habe, ob das gescheit ist, als Kranker nicht ganz fit am Platz zu stehen. Oder hin und wieder ein Schmerzmittel zu nehmen. Wenn man den Beruf so sehr liebt, will man halt nie fehlen. Oft bin ich zu ehrgeizig, was das betrifft. Ich höre da nicht auf meinen Körper. Aber ich würde es wieder tun. Solange ich kein Fieber habe, werde ich immer spielen. Ich setze mich doch nicht wegen einer Verkühlung oder einem leichten Schnupfen auf die Tribüne oder vor den Fernseher. Das kann ich nicht.
LAOLA1: Du hast im Sommer einen Vertrag bis 2026 unterschrieben. Du bist dann 34 Jahre alt. Ist die Austria in deinen Plänen dein letzter Verein?
Ranftl: Ich habe ja schon mit 29 Jahren nicht mehr geglaubt, dass ich nochmal wechseln werde. (grinst) Ich glaube, dass ich meine Karriere bei der Austria beenden werde. Solange ich fit bin, Spaß habe und mir der Verein vertraut, will ich bei der Austria spielen. Ich sehe mich nirgends anders, ich kann mir keinen cooleren Verein vorstellen. So schnell gebe ich das nicht her, das ist nicht selbstverständlich.
LAOLA1: Reizt es dich nicht, im Ausland zu zeigen, dass du es in einem anderen Land schon auch kannst?
Ranftl: Ich kann mir einen Wechsel ins Ausland nicht vorstellen. Es schaut zwar immer alles cool aus, finanziell ist es eine andere Dimension. Aber ich weiß schon, was ich an Österreich habe. Es ist cool, in Wien zu leben. Aber ich sage niemals nie, vielleicht passiert ja irgendwann was...