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Timo Ochs: "Das war schlimmer als das 0:7"

Die Erinnerungen von Ex-Salzburg-Keeper Timo Ochs ans Debakel gegen Rapid:

"Unfassbar. Vorentscheidung. Und vielleicht noch so etwas wie: Hoffentlich nie wieder."

Das sind jene drei (oder etwas mehr) Worte, die Timo Ochs ad hoc einfallen, wenn er an den 23. März 2008 denkt. An jenem Ostersonntag unterlag Salzburg zu Hause Rapid mit 0:7.

Ochs, damals 26 Jahre alt, stand bei der höchsten Niederlage in der Red-Bull-Ära im Tor. Von 2006 bis 2009 absolvierte der Deutsche 106 Spiele für Salzburg, holte zwei Mal die Meisterschaft - nur eben in jener Saison nicht.

"Das war das Allerschlimmste an der Sache. Wenn wir 0:7 verloren hätten und dennoch Meister geworden wären, dann wäre das für mich auch durchaus in Ordnung gewesen", sagt Ochs, der 2014 seine Karriere in Saarbrücken beendete und nun Inhaber von zwei Fitnessstudios in seiner Geburtstadt Göttingen ist, heute.

Für LAOLA1 nahm sich der 36-Jährige Zeit, über die schwärzesten Stunden seiner Profi-Karriere zu sprechen.


"LAOLA1 On Air - Der Sport-Podcast" mit Peter Pacult, Stefan Maierhofer, Erwin "Jimmy" Hoffer, Ümit Korkmaz, Christian Thonhofer, dem damaligen Salzburg-Goalie Timo Ochs und Thomas Trukesitz, der das Spiel für "Premiere", heute "Sky", kommentiert hat.


LAOLA1: Wie ist dieses Spiel mit zehn Jahren Abstand zu erklären?

Timo Ochs: Es ist gar nicht zu erklären. Das Unfassbare ist ja eigentlich gewesen, dass es kein Spiel war, in dem es um nichts ging. Da könnte man ja so ein Ergebnis noch erklären, wenn es für beide Mannschaften um gar nichts mehr geht. Da erlebt man dann egal in welchem Land und in welcher Liga solche Ergebnisse. Aber hier ging es um die Meisterschaft. Das macht es noch unfassbarer.

LAOLA1: Vor dieser Partie hatte Salzburg alle vier Heimspiele im damaligen Kalenderjahr mit einem Torverhältnis von 14:0 gewonnen.

Ochs: Umso unerklärlicher war es. Ich kann mich auch noch an die Halbzeit erinnern. Da hat der Trainer versucht, ruhig auf uns einzureden, denn auch er wusste nicht, was hier gerade passiert. Es war eine ganz außergewöhnliche Situation im negativen Sinne. Zum Glück habe ich das nicht mehr erlebt, aber einmal hat auch gereicht.

LAOLA1: Was ist an diesem Ostersonntag alles schiefgelaufen?

Ochs: Ich weiß einfach nur noch, dass es unfassbar war und aus meiner Perspektive waren die Tore so, dass sie letztlich ohne große Gegenwehr von unserer Seite entstanden sind. Rapid hatte in dieser Saison natürlich eine außergewöhnliche Offensiv-Abteilung, das weiß, glaube ich, jeder noch. Es waren sehr schnelle, kleine Spieler wie Ümit Korkmaz oder Jimmy Hoffer da sowie Stefan Maierhofer, der als Leuchtturm vorne die Dinger reingemacht hat. Wir wussten überhaupt nicht, wie uns in den ersten 20 Minuten geschieht. Ich habe die Tore nicht mehr vor Augen, aber es war einfach wenig Gegenwehr und wir haben es Rapid sehr einfach gemacht, in den ersten 20 Minuten das Spiel zu entscheiden.

Timo Ochs im Duell mit "Jimmy" Hoffer
Foto: © GEPA

LAOLA1: Trifft der Begriff Arbeitsverweigerung zu?

Ochs: Ich weiß nicht, wo der Übergang ist, aber wenn man sich wenig wehrt und nach 17 Minuten vier Gegentore bekommt, geht das schon in diese Richtung, ohne dass ich dieses Wort verwenden würde.

LAOLA1: Fühltest du dich von deinen damaligen Vorderleuten im Stich gelassen - speziell von den Innenverteidigern Ibrahim Sekagya und Jorge Vargas?

Ochs: Wir haben als Mannschaft komplett versagt und ich denke, jeder der am Platz stand, hatte das Gefühl, im Stich gelassen worden zu sein. Egal ob Stürmer, Torhüter oder Mittelfeldspieler. Niemand hatte eine Lösung parat, um da wieder raus zu kommen. Es liegt mir auch fern, zehn Jahre später aus der Entfernung auf Spieler zu zeigen und zu sagen, das war die Schuld der Innenverteidiger.

LAOLA1: Hast du dir selbst leid getan?

Ochs: Wenn du als Torhüter ein Gegentor bekommst, ist es immer bitter. Aber das Schlimmste war für uns eigentlich, dass wir die Meisterschaft nicht mehr gewinnen konnten. Ich war drei Jahre in Salzburg und das war jene Saison, in der wir nicht Meister geworden sind. Das war das Allerschlimmste an der Sache. Wenn wir 0:7 verloren hätten und dennoch Meister geworden wären, dann wäre das für mich auch durchaus in Ordnung gewesen. Das war das vorentscheidende Spiel und wir sind nicht mehr an Rapid rangekommen. Rapid hat auch verdient die Meisterschaft gewonnen. Da kann man sich auch nichts darum kaufen, dass wir zuvor wenig Gegentore bekommen haben. Dieses eine Spiel hat alles entschieden.

Ob Trainer, Spieler, Funktionsteam, da wusste keiner so richtig, was da passiert. Deswegen haben uns auch die Lösungen gefehlt, um zu versuchen, das zu drehen oder es auch beim 0:4 zu belassen, was schlimm genug gewesen wäre.

LAOLA1: Warum gelang auch keine Schadensbegrenzung?

Ochs: Ich glaube in der Tat, dass wir perplex waren. Der Trainer hat früh einen Wechsel gemacht...

LAOLA1: Markus Steinhöfer ging in Minute 25 für Louis Ngwat-Mahop, ein recht offensiver Wechsel...

Ochs: Wir haben ja auch in dieser Saison in Deutschland gesehen, dass man durchaus ein 0:4 mal umdrehen kann. Wir hatten auch die Qualität, aber wir waren eben wirklich perplex. Ob Trainer, Spieler, Funktionsteam, da wusste keiner so richtig, was da passiert. Deswegen haben uns auch die Lösungen gefehlt, um zu versuchen, das zu drehen oder es auch beim 0:4 zu belassen, was schlimm genug gewesen wäre. Aber es wäre kein 0:7 geworden und man müsste nicht zehn Jahre später darüber reden. Beides ist uns nicht gelungen, das zeigt auch die Besonderheit des Spiels.

LAOLA1: Du hast die Halbzeit bereits angesprochen. Was war in der Kabine los?

Ochs: Die Stimmung war extrem ruhig. Wenn man relativ schnell 0:4 zurückliegt und das in einem vorentscheidenden Spiel, dann bringt es auch nichts, wenn der Trainer herumschreit. Er hat natürlich versucht, uns zu beruhigen, weil wir auch total aufgewühlt und die Situation vielleicht nicht so gewohnt waren. Wir sind selten genug in Rückstand geraten, aber hier reden wir auch nicht über ein 0:1, 0:2, sondern ein 0:5 zur Pause. Er hat versucht, ruhig auf uns einzureden, aber das hat auch nicht funktioniert, weil bald nach der Halbzeit das nächste Tor folgte...

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LAOLA1: Sieben Sekunden nach Wiederanpfiff.

Ochs: Viel mehr braucht man nicht sagen. Die Halbzeit hat keine Wirkung gehabt.

LAOLA1: Wie hast du die Stimmung der Zuschauer erlebt?

Ochs: Zu dieser Zeit war das Stadion eigentlich immer ganz gut gefüllt, im Gegensatz zu dem, was nun in den vergangenen Jahren passiert ist, so wie ich das am Rande verfolge. Ich denke, den Zuschauern ging es nicht anders als uns damals auf dem Platz. Niemand wusste, was da gerade passiert. Aber der Zuschauer kann nicht darauf reagieren, sondern das können nur Spieler auf dem Platz machen. Nach dem fünften, sechsten Gegentor wird natürlich zu pfeifen begonnen, was legitim ist, aber viel vorher konnten sie auch nicht reagieren, weil sie wohl auch nicht verstanden haben, was da passiert. Auch hier ist das Wort perplex angebracht.

Fakt ist, dass du nach einem 0:7 nicht großartig auf der Straße zu finden bist. Weil du weißt, dass das ein Ereignis ist, das seinesgleichen sucht.

LAOLA1: Wurdest du danach oft darauf angesprochen?

Ochs: Fakt ist, dass du nach einem 0:7 nicht großartig auf der Straße zu finden bist. Weil du weißt, dass das ein Ereignis ist, dass seinesgleichen sucht. Da versucht man selbst einmal mit der Situation zurechtzukommen, um da irgendwie auch rauszukommen. Aber natürlich standen wir auch in der Kritik, weil wir damit die Meisterschaft verspielt haben.

LAOLA1: Dein damaliger Trainer Giovanni Trapattoni äußerte 2013 einen Manipulationsverdacht, sagte: "Ich dachte mir: Die sind entweder Idioten oder sie stehen unter Drogen oder sie haben das Spiel verkauft, aber dafür habe ich natürlich keine Beweise." Gab es Indizien?

Ochs: Das kann ich überhaupt nicht bestätigen. Da habe ich keine Erkenntnisse, würde ich auch sehr schlimm finden. Aber ich kann da nichts bestätigen. Wir waren ja auch alle in Salzburg, um in die Champions League zu kommen. Das ist uns bekanntlich am Anfang der Saison nicht gelungen. Das Mindeste, was du dann in Salzburg machen musst, ist die Meisterschaft zu holen. Selbst das ist ja eigentlich schon zu wenig, aber wir haben es in dieser Saison auch nicht geschafft. Da kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie man dieses Spiel verkauft hätte.

LAOLA1: Wie würdest du den Charakter der damaligen Salzburger Mannschaft beschreiben?

Ochs: Die Mannschaft, die wir in Salzburg hatten, war nie besonders durch extrem positiven Teamgeist geprägt. Wir hatten in jedem Jahr, in dem ich dort war, eine außergewöhnliche Qualität, diese hat in den meisten Fällen gereicht, die Meisterschaft zu holen. Wir sind leider zwei Mal knapp an der Champions League gescheitert. Ich erinnere mich an Shakhtar Donetsk, wo wir zehn Minuten vor Schluss einen Elfmeter gegen uns bekommen haben, bei dem wir heute nicht wissen, warum. Die Qualität war extrem hoch, aber vielleicht war es auch unser Problem, dass wir viele individuell starke Spieler hatten, aber im Kollektiv auch nicht auf das 0:4 nach 17 Minuten reagieren konnten. Vielleicht hat das auch die Schwäche der damaligen Mannschaft aufgedeckt. Dass wir, elf Leute plus die draußen, nicht in der Lage waren, dieses Ergebnis in Schach zu halten bzw. zu korrigieren. Ich glaube, einer Mannschaft, die einen ausgeprägten Teamgeist hat, wäre das in dieser Form nicht passiert.

Unsere damalige Mannschaft wäre von der Qualität her für Österreich gar nicht notwendig gewesen.

LAOLA1: Wie bewertest du diesbezüglich die Entwicklung in Salzburg?

Ochs: Ich möchte zunächst sagen, dass ich sehr gerne in Salzburg gespielt und mich sehr wohl gefühlt habe. Ich glaube aber, dass sich das Konstrukt, Leipzig gab es damals noch nicht, komplett verändert hat. Zu meiner Zeit ist das Geld von Red Bull mehr oder weniger nach Salzburg geflossen und man hat versucht, eine Mannschaft aufzubauen, die in die Champions League kommt. Das hat man leider nicht geschafft. Mit Ralf Rangnick, den ich aus Hannover-Zeiten kenne, ist versucht worden, eine ganz andere Philosophie einzubringen. Natürlich mit dem Hintergedanken, was in Leipzig entstanden ist, gibt es in Salzburg nun eine ganz andere Philosophie. Man versucht, optimal auszubilden. Das ist gar nicht mehr mit den Mannschaften zu vergleichen, die es zu meiner Zeit vergab.

LAOLA1: War Geld zu deiner Zeit der einzige Antrieb, nach Salzburg zu kommen?

Ochs: Ich will es nicht verneinen, das war sicher auch ein Grund. Allerdings muss man auch die Möglichkeit sehen, dass man dort mit starken Spielern zusammenspielen konnte. Ich glaube, der Weg, den Salzburg jetzt eingeschlagen ist, ist der richtige. Unsere Mannschaft wäre von der Qualität her für Österreich gar nicht notwendig gewesen, etablierte und gestandene Spieler zu holen. Man sieht ja jetzt auch, dass man das mit jungen starken Spielern hinbekommt und die Komponenten Ausbildung und Teamgeist viel größer geschrieben werden als damals. Klar spielte Geld eine Rolle, da muss man nicht drumherum reden, aber es ist nicht so, dass es in Salzburg nichts gab. Tolle Bedinungen gab es schon immer, gute Trainer und Trainingsmöglichkeiten waren dort auch schon vorhanden. Auch eine Mannschaft, mit der man sich vorstellen konnte, international etwas zu erreichen. Das sind für dich als Spieler Punkte gewesen, hierher zu kommen.

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