Als Ferdinand Feldhofer vor rund einem Jahr den Trainer-Job beim Wolfsberger AC antrat, war er noch mit der Skepsis konfrontiert, ob und wie seine Arbeit zu jener des erfolgreichen Vorgängers Gerhard Struber passt.
Fragen, die sich einen dritten Platz in der vergangenen Saison und dem Überwintern in der Europa League später längst nicht mehr stellen. Der Steirer hat auf die gute Arbeit der Vorgänger aufgebaut, den WAC jedoch mit seiner eigenen Handschrift weiterentwickelt.
Ohne Hindernisse verlief dieser Weg nicht, und damit ist nicht nur der Corona-Cluster bei den Lavanttalern im Herbst gemeint. 2020 war auch ein Jahr des Umbruchs in Wolfsberg. Einige Stammkräfte wie Torschützenkönig Shon Weissman gingen, der Kader wurde verjüngt. Der folgende holprige Start in die neue Saison kam nicht unerwartet.
Im LAOLA1-Interview gibt Feldhofer Einblicke in den Prozess beim WAC im Hinblick auf einen Kader mit Perspektive und hofft, dass Michael Liendl eine Perspektive bis 40 hat.
Zudem erklärt er, warum Sturm für ihn die Mannschaft des Herbsts stellt und in welchem Aspekt er sich bei Ex-Team SV Lafnitz, dem Tabellenführer der 2. Liga, getäuscht hat.
LAOLA1: Nach dem 3:2 in Salzburg im letzten Spiel vor der Winterpause hast du vom i-Tüpfelchen in einem Jahr der Superlative gesprochen. Welche nächsten Schritte hast du für 2021 im Kopf?
Ferdinand Feldhofer: An den Zielen hat sich nichts geändert. Wir wollen natürlich unter die ersten Sechs kommen. Die Ausgangslage, das zu schaffen, ist gut. Was wir sicher abstellen müssen, ist, dass wir zu viele Gegentore bekommen. Das müssen wir in jeder Phase des Spiels gemeinsam besser machen.
"Scheiden wir jetzt einfach aus dem Europacup aus, ohne dass wir es sportlich fertig spielen können? Wir hatten keine Ahnung, wie es in der Meisterschaft weitergeht. So wie es dann gelaufen ist, hätten wir uns in dieser Phase nicht besser wünschen können."
LAOLA1: Dein erstes Trainer-Jahr beim WAC war letztlich erfolgreich, aber auch herausfordernd. Was war für die größte Herausforderung?
Feldhofer: Sicher der Corona-Cluster wegen dieser Unsicherheit, wie es die Spieler verkraften werden, wie lange es dauern wird. Da bin ich mehr oder weniger hilflos zu Hause gewesen und habe nicht gewusst, was passiert. Scheiden wir jetzt einfach aus dem Europacup aus, ohne dass wir es sportlich fertig spielen können? Wir hatten keine Ahnung, wie es in der Meisterschaft weitergeht. So wie es dann gelaufen ist, hätten wir uns in dieser Phase nicht besser wünschen können.
LAOLA1: Zuvor gab es etwa auch den schwierigen Start in die Liga oder den Umbruch im Sommer, als beispielsweise mit Shon Weissman der Torschützenkönig abgegeben wurde. Wie gut tut es zu wissen, dass man solche Dinge meistern kann?
Feldhofer: Aktuell ist die erste Vorbereitung meiner WAC-Ära ohne Umbruch. Als ich vor etwas über einem Jahr das Amt angetreten habe, war uns im Verein allen bewusst, dass ein Umbruch stattfinden wird. Dieser Aufgabe haben wir uns gemeinsam gestellt. Im Jänner 2020 war es ein kleinerer Umbruch, bei dem wir drei Stammspieler verloren haben. Im Sommer gab es einen richtig großen. Dass das Zeit brauchen wird, war klar. Wir wussten, dass es wahrscheinlich bis Anfang, Mitte Oktober dauern wird. Seither sind wir mit unserer Performance eigentlich sehr zufrieden.
LAOLA1: Wie wichtig ist nun Winter-Neuzugang Thorsten Röcher als Blutauffrischung?
Feldhofer: Auf keinen Fall möchte ich Thorsten unter Druck setzen, weil er jetzt einfach lange nicht gespielt hat. Wir werden ihm die nötige Zeit geben, damit er wieder richtig Fuß fasst. Mir war es ein Anliegen und auch meine Empfehlung an den Verein, dass wir frühestmöglich auf Abgänge oder Vertragssituationen im Sommer reagieren. Wir wissen ja auch, dass Dejan Joveljic nur einen Leihvertrag hat, Marc Schmerböck hat uns verlassen. Deswegen haben wir uns gedacht: Wenn es möglich ist, dann besser jetzt als im Sommer. Wie Thorsten richtig gesagt hat, hatten wir bereit im Sommer einen kleinen Flirt. Damals war es nicht möglich, ihn zu bekommen. Jetzt haben wir zugeschlagen.
LAOLA1: Was kann sich in die eine oder andere Richtung im Winter am Transfersektor noch tun?
Feldhofer: Ich bin wirklich sehr zufrieden mit dem Kader, weil wir Junge sehr gut integriert und einige Spieler sich in den Vordergrund gespielt haben. Aber wenn sich die Möglichkeit ergibt, werden wir natürlich zuschlagen – vorrangig auf längerfristige Sicht gedacht, damit wir im Sommer, wenn Verträge auslaufen, nicht den Stress haben, erst dann zu reagieren.
LAOLA1: Der WAC kommt mehr ins perspektivische Handeln.
Feldhofer: Der Verein hat sich in den letzten Jahren erarbeitet, dass man nicht mehr von Leihspielern abhängig ist. Wir können Spieler mit Perspektive holen, die bei uns den nächsten Schritt setzen. Wir hatten nicht nur einen Umbruch im Kader, sondern haben die Mannschaft auch verjüngt und dabei wirklich viele Spieler mit Perspektive bekommen.
LAOLA1: Im Angriff stehen Dejan Joveljic und Dario Vizinger noch eher am Anfang ihrer Karriere. Wie bist du mit der Entwicklung der beiden zufrieden?
Feldhofer: Es hat uns ein bisschen geehrt, dass die zwei sich für uns entschieden haben, denn ich weiß, dass beide viele Angebote hatten. Ich bin sehr zufrieden mit ihrer Entwicklung. Man darf auch nicht vergessen, dass beide erst gegen Ende der Vorbereitung zu uns gestoßen sind. Joveljic hatte ewig keine Spielpraxis mehr, deswegen wussten wir, dass er wahrscheinlich erst von Spiel zu Spiel besser werden wird und zuvor noch Anlaufzeit braucht. Vizinger gehört sowieso die Zukunft. Wir sind stolz, dass wir ihn längerfristig verpflichten konnten. Er hatte ein bisschen Pech, weil er verletzt vom Nationalteam zurückgekommen ist – ich glaube, das ist in der Öffentlichkeit gar nicht so angekommen, dass wir eine Zeit lang nicht auf ihn zurückgreifen konnten. Er wird wirklich von Tag zu Tag noch besser. Er wird uns noch viel Freude bereiten.
LAOLA1: Matthäus Taferner wurde schon vor längerer Zeit das Label des Supertalents verliehen. Bei der ersten Auslands-Station Dynamo Dresden hat es nicht geklappt. Jetzt spielt er regelmäßig. Hat er einen Herbst hingelegt, wie du ihn erwartet hast, oder geht da mehr?
Feldhofer: Bei ihm ist es überraschend schnell gegangen. In der Art und Weise konnte man es nicht erwarten, weil er länger nicht gespielt hat. Bis man sich dann ans Training gewöhnt und die Automatismen umsetzt, dauert es. Aber er hat das von Anfang an beherzt umgesetzt. Uns war ohnehin klar, dass er eine der heißesten Aktien in Österreich ist. Wir haben uns für das Projekt entschieden. Bis jetzt muss man sagen, ist es wirklich gelungen. Aber er kann noch viel mehr, das ist auch Fakt – und er wird auch immer besser mit den Spielen.
"Für mich ist Sturm national gesehen sicherlich die Mannschaft des Herbsts."
LAOLA1: Mit Michael Liendl verfügt der WAC über einen idealen Mentor für die Jungen, der inzwischen jedoch schon 35 Jahre alt ist. Würdest du ihn am liebsten in einen Jungbrunnen werfen?
Feldhofer: Das ist nicht notwendig, denn er wird eher noch besser! Wir haben eine super Mischung. Mit Liendl, Leitgeb, Novak haben wir Spieler, die gestanden sind und den Kern bilden. Da gilt es auch Rnic hervorzuheben, auch wenn er oft nicht unter den ersten Elf ist. Sie sind für das Klima zuständig und schauen, dass das Werkl rennt. Dann ist es natürlich auch für die Neuen und Jungen einfacher zu performen, weil sie, wenn es mal nicht so läuft, einfach einen Rückhalt geben.
LAOLA1: Kann Liendl ein Spieler sein, der bis in Richtung 40 spielt?
Feldhofer: Ich denke, das ist er schon. Die Frage ist, wie lange er es sich antun will. Aber mit den heutigen Möglichkeiten der Trainingssteuerung wie dem GPS-Tracking glaube ich, dass es einfacher geworden ist, länger zu spielen als vielleicht noch vor 20 Jahren.
LAOLA1: Du hast die Zahl der Gegentore bereits angesprochen. Euer Torverhältnis lautet 22:24, jenes eures nächsten Gegners Sturm Graz 22:5. Es liegt auf der Hand, woran ihr arbeiten müsst.
Feldhofer: David Alaba hat bei den Bayern erst vor kurzem gesagt, dass Defensivarbeit vor allem mannschaftstaktisch ist. Wir haben natürlich ganz klar analysiert und angesprochen, wie das zustande gekommen ist, wir haben auch zu viele Elfer verschuldet. Wobei wir es über weite Strecken nicht nur national, sondern auch international ab Mitte Oktober sehr gut gemacht haben.
LAOLA1: Sturm-Trainer Christian Ilzer hat unlängst herausgearbeitet, warum Sturm noch kein Spitzenteam ist. Wie ordnest du das ein?
Feldhofer: Für mich ist Sturm national gesehen sicherlich die Mannschaft des Herbsts. Sie haben im Sommer in der Transfer-Politik super Schlüsse gezogen. Sie wussten genau, wo sie handeln müssen und haben das über weite Strecken auch mit wirklich hervorragenden Spielern gemacht. Natürlich erleichtert der Erfolg vieles. Sie hatten in den nötigen Phasen das Momentum, das sie vielleicht in der Saison davor nicht hatten. Dann kommt so etwas zustande. Dem sollte man Respekt zollen, das haben sie sich auch verdient. Das ist ein Prozess, und sie sind auf einem sehr guten Weg. Ich verstehe Christian schon, wenn er meint, dass sie vielleicht noch nicht so weit sind, und er das auch richtig analysiert. Meiner Meinung nach sind sie aber schon wieder eine absolute Top-Mannschaft.
"Ich denke, es haben uns die wenigsten zugetraut, dass wir trotz des Abgangs von Shon Weissman in jedem Spiel treffen – da waren wir die einzigen im Herbst, das hat nicht einmal Salzburg geschafft. Das zeigt, dass wir offensiv sicher zu den Besten der Liga zählen."
LAOLA1: Ilzer macht seine Einschätzung an diversen Parametern fest. Auf den WAC würde beispielsweise fehlen, dass ihr im letzten Drittel fußballerisch besser seid.
Feldhofer (schmunzelt): Dieser Bereich ist mir auch sehr wichtig. Wir haben von Anfang an sehr viel am Spiel im letzten Drittel gearbeitet. Ich denke, es haben uns die wenigsten zugetraut, dass wir trotz des Abgangs von Shon Weissman in jedem Spiel treffen – da waren wir die einzigen im Herbst, das hat nicht einmal Salzburg geschafft. Das zeigt, dass wir offensiv sicher zu den Besten der Liga zählen. Wir stehen für attraktiven Fußball. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass man auch in der Rückwärtsbewegung die nötige Intensität und Bereitschaft haben muss.
LAOLA1: Ist das Duell mit Sturm eines jener richtungsweisenden Spiele, von denen man gerne spricht? Mit einem Sieg setzt sich der WAC in den Top-6 fest.
Feldhofer: Es wäre ein super Schritt, aber richtungsweisend ist es noch nicht, weil bis zur Teilung noch genügend Spiele anstehen. Vom Zeitpunkt her ist es fast noch ein Vorbereitungsspiel, da wir gleich wie Sturm nur 14 Tage haben und sicher den schwierigeren und aufwändigeren Herbst hatten. Wir werden auch die Woche nach Sturm noch für die Vorbereitung nutzen. Dann geht es ohnehin Schlag auf Schlag mit englischen Runden bis in den Herbst hinein. Diese Belastung ist nicht ohne.
LAOLA1: In besagten englischen Runden warten die Duelle mit Tottenham. Warst du eigentlich immer Mourinho-Fan oder eher "Team Guardiola"?
Feldhofer: Fan bin ich sowieso nicht so, aber mir imponieren natürlich Menschen, die so erfolgreich sind, gerade in unserem Business. Es ist schön, sich mit solchen Stars messen zu dürfen, aber es geht nicht um Feldhofer gegen Mourinho, sondern um Verein gegen Verein, Aber das ist noch so weit weg. Es ist für uns natürlich ein absolutes Highlight, aber ich habe mir noch keine Gedanken gemacht. Es ist zu früh, um sich auf dieses Spiel zu konzentrieren.
LAOLA1: Das ist im Tagesgeschäft vermutlich richtig, aber dass das Thema Tottenham im Verein nicht präsent ist, ist nicht zu glauben.
Feldhofer: Bei mir wirklich nicht. Bei den Jungs war natürlich Euphorie, die haben das nach der Auslosung genossen. Wir sind es uns jedoch einfach schuldig, dass wir jetzt unsere Hausaufgaben machen, damit wir nächstes Jahr wieder in der Europa League vertreten sind. Denn ich denke, wir sind mit dieser Mannschaft noch nicht fertig. Wir haben jetzt schon nötige internationale Reife. Dementsprechend müssen wir unsere Hausaufgaben machen, um nächstes Jahr wieder in Europa für Furore sorgen zu können. Darum geht’s uns und so denken wir.
LAOLA1: Wir müssen noch auf ein LAOLA1-Interview vor einem Jahr zurückkommen. Du hast damals den nunmehrigen Winterkönig der 2. Liga SV Lafnitz als Vierter verlassen und gemeint, dass du wahrscheinlich das Maximum herausgeholt hast.
Feldhofer (schmunzelt): So kann man sich täuschen! Maximum hat vielleicht zum damaligen Zeitpunkt gestimmt. Sie haben dann im Sommer richtig gut am Transfermarkt zugeschlagen und – des einen Leid, des anderen Freud – natürlich ein bisschen vom Mattersburg-Vorfall profitiert, weil sie dann regional noch Topspieler gekriegt haben. Das haben sie unglaublich gut gemacht. Dementsprechend hat sich eine Aussage ab den Sommer relativiert, denn dann hatten auch andere Experten Lafnitz bereits unter den Top-4.
LAOLA1: Philipp Semlic, dein Nachfolger in Lafnitz, hat vor der Saison sehr positive Worte gefunden. Wie sehr ehrt einen das, wenn man so viel hinterlässt in einem Verein?
Feldhofer: Danke, aber er braucht seine Arbeit auch nicht schmälern. Die Transferpolitik zusammen mit Bernhard Loidl und wie er die Mannschaft geformt hat – Hut ab! Es ist seine erste Profistation, und er macht das super. Mir war klar, dass ich sicher keinen Scherbenhaufen hinterlassen habe. Das ist nicht meine Art und Weise und das werde ich auch in Zukunft nicht machen.