55 Tage ist es her, dass der zum Albtraum gewordene anfängliche Traum von Goran Djuricin beim SK Rapid ein Ende fand.
Beim Besuch in seinem Heimat-Grätzel Kaisermühlen wirkt er erholt, lebensfroh und voller Tatendrang. Fast acht Wochen danach hat er das Kapitel auch für sich persönlich abgeschlossen, nach langer Reflexion, Leere und Enttäuschung.
Bevor "Gogo" am Sonntag beim 2. Liga-Spiel FC Juniors OÖ gegen SV Ried (ab 10:30 Uhr im LIVE-Stream) seine Premiere als LAOLA1-Experte feiert, sprach er im exklusiven, zweiteiligen Interview offen und ehrlich über die brennendsten Themen während seiner Rapid-Zeit, die Anfeindungen, das Fan-Problem, die Folgen und seine Zukunft.
Djuricin spricht im 1. Teil des großen LAOLA1-Interviews über die größe Herausforderung seines Lebens, das Abweichen von seinem Weg und die Lehren daraus, gibt Fehler zu und vertritt eine klare Meinung, was Rapid im Bezug auf das Fan-Problem stoppen muss.
LAOLA1: Wie ist es dir in den Wochen seit dem Rapid-Aus ergangen? Wie viel Druck ist da abgefallen? War eine Erleichterung oder eine gewisse Leere vorhanden?
Djuricin: Am Tag danach war es eine Erleichterung, aber natürlich war auch eine große Portion Wehmut dabei. Es ist auch so, dass man gescheitert ist. Natürlich denkt man dann nach, was man falsch gemacht hat, was gut und nicht so gut war. Ich habe das jetzt reflektiert, kann gut damit umgehen, aber es hat schon einige Wochen gedauert. Man spürt dann manchmal eine gewisse Leere oder versteht es gar nicht, weil man davor im Dauerstress war. Da umzuswitchen ist nicht leicht. Aber es geht mir gut, es wird wirklich von Woche zu Woche besser. Ich teile mir meine Sachen ein, mache viel für meine Gesundheit, für die Familie, die Freunde. Ich freue mich aber auch schon, wenn wieder eine neue Herausforderung kommt.
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LAOLA1: Wie fällt die Bilanz nach deiner Selbst-Reflexion aus? Welchen Schlussstrich hast du für dich gezogen?
Djuricin: Ich bin in einer extremen, wenn nicht der schwierigsten, Situation des Vereins gekommen. Der Abstieg war nahe, das war wirklich nicht lustig. Ich habe nebenbei die Pro-Lizenz gemacht, für mich persönlich war es die größte Herausforderung meines Lebens, die intensivste Zeit. Ich habe Rapid dann vom achten noch auf den sicheren fünften Platz geführt. Das war gut und wichtig, von den ersten neun Pflichtspielen hatten wir sechs gewonnen. Das Cup-Finale war toll, ein Riesen-Erlebnis und ein Erfolg, dort hinzukommen – leider haben wir knapp verloren. Dann ging es darum, die Mannschaft körperlich und mental für die neue Saison aufzubauen – und wir sind Dritter geworden, wobei Sturm Graz eine außergewöhnlich gute Saison gespielt hat, die es wahrscheinlich nicht mehr so schnell geben wird. Natürlich war unser Ziel, Zweiter zu werden, aber wir haben uns für die Europa League qualifiziert. Ich habe die Mannschaft in drei Bewerben hinterlassen, in einem leider nicht so gut. Aber alles andere waren richtig gute Teilerfolge, die dann leider Gottes untergehen, weil alles selbstverständlich und normal ist.
LAOLA1: Wie sehr haben dir diese ganzen Phasen während deiner Rapid-Zeit zugesetzt?
Djuricin: Es sagt eh schon viel aus, ich habe inklusive der Europa-League-Quali drei oder vier Spiele gehabt, wo ich mich richtig gefreut habe. Sonst war der ganze Trainer-Staff nur erleichtert. Das stimmt mich eigentlich traurig und nachdenklich. Da sieht man eigentlich, wie schlecht es uns gegangen ist. Deshalb waren die Phasen schwierig zu bewältigen, weil man einfach viel nachdenkt. Wenn wir gewonnen haben, ging es uns gut. Wenn nicht, wurde alles hinterfragt.
"Man muss richtig cool bleiben, relativieren können und bei seinem Weg bleiben. Den habe ich das eine oder andere Mal kurzfristig verlassen. Ich bin auch nur ein Mensch und glaube, das ist normal. Aber in Zukunft werde ich das nicht mehr machen."
LAOLA1: Was war schwieriger – diese sportliche Misere, nicht aus der Sackgasse herauszufinden oder das ganze Chaos im Umfeld mit Fans, Medien,…?
Djuricin: Beides! Da ist wirklich alles auf mich eingeprasselt. Wenn man verliert, denkt man nach, was man besser machen kann. Ich hinterfrage mich sowieso. Und dann muss man sich aber noch da und dort rechtfertigen. Es sind die Fans nicht zufrieden, die Medien hauen fast nur drauf. Man muss richtig cool bleiben, relativieren können und bei seinem Weg bleiben. Den habe ich das eine oder andere Mal kurzfristig verlassen. Ich bin auch nur ein Mensch und glaube, das ist normal. Aber in Zukunft werde ich das nicht mehr machen, weil ich will mich nicht nur mit Siegen identifizieren sondern mit meiner Arbeit – das ist wichtiger.
LAOLA1: Hast du das Gefühl gehabt, dass du nie eine richtige Chance bekommen hast, von den Fans, diversen Medien oder auch innerhalb Rapids?
Djuricin: Ich habe nicht viel gelesen, mit den meisten war das Verhältnis in Ordnung, es wurde nie Dreckwäsche gewaschen. Bei zwei, drei Sachen habe ich nicht gut reagiert, wie etwa gegen Admira (Anm.: Spuck-Affäre). Aber ich finde, dass die Fans nie richtig zufrieden waren mit meiner Arbeit, die sie aber nicht beurteilen können, und meiner Person. Es war schwierig, weil ich nicht den Namen und die Lobby hatte. Ich habe auch Fan-Mails bekommen, die zufrieden waren und mich gelobt haben. Es war nicht nur negativ.
LAOLA1: Darauf wollte ich hinaus, für viele warst du der „Regionalliga- und Landesligatrainer“, der für Rapid nicht gut genug ist. War dieses Verhältnis einfach von Anfang an vorbelastet?
Djuricin: Auf jeden Fall. Diese Tradition herrscht leider noch immer in Österreich, wobei es schon besser wird, man sieht es etwa bei Werner Grabherr oder Christian Ilzer. Aber in vielen Köpfen steckt das noch immer. In Deutschland gibt es immer mehr Trainer, die aus dem Nachwuchs kommen. Am Anfang hat es mich gewurmt, aber es kann keiner wissen, welches Niveau ein Trainer mitbringt. Und ich glaube, ich habe in vielen Situationen bewiesen, dass ich auf diesem Niveau arbeiten kann.
LAOLA1: Also wird für dich in Österreich noch immer zu viel Wert auf große Namen mit absolvierter Profi-Karriere und Nähe zu einem Klub gelegt, wie jetzt beim aktuellen Beispiel Didi Kühbauer?
Djuricin: Nein, Didi war jetzt für Rapid die absolut richtige Wahl. Aber generell machen wir den Deutschen ja immer alles nach, weil wir leider Gottes immer hinten nach sind. Bei uns kommt es langsam, es hält sich fast schon die Waage. Aber die halbe Bevölkerung und die Manager haben nur im Kopf: Der hat einen Namen, der kann uns helfen. Für mich ist das purer Schwachsinn. Es kann dir ein paar Prozente helfen, aber im Endeffekt zählt wirklich die Leistung und wie du mit Menschen umgehen kannst.
LAOLA1: Kam auch erschwerend dazu, dass du als Co-Trainer eines gescheiterten Staffs zum Cheftrainer wurdest? Wie schwierig war das für dich selbst?
Djuricin: Ich habe gemerkt, dass ich vieles anders machen würde. Es war dann schwierig, weil ich loyal bleiben wollte. Wie Damir gehen musste, habe ich aber gewusst, dass das meine Chance ist, die habe ich nützen müssen. Ich wäre blöd, wenn ich bei Rapid „nein“ sagen würde. Und es hat die ersten Wochen und Monate auch funktioniert. Aber der Switch war schwierig, weil Spieler davor „Gogo“ zu mir gesagt haben, dann waren die meisten wieder „per Sie“ oder haben sich nicht mehr so geöffnet. Das war für den einen oder anderen schon eine große Umstellung, das habe ich an ihrem Verhalten gemerkt. Das ist ja auch eine Art Respekt und eine gute Charaktereigenschaft. Aber ich habe das gut bewältigt, weil ich menschlich bin und wenn man ehrlich ist, kommt man meist am weitesten.
LAOLA1: Aber diese Bindung zum Team hast du dann mit der Zeit wieder mehr aufgebaut, oder? Dir wurde ja stets ein sehr gutes Verhältnis zu Spielern attestiert.
Djuricin: Auf jeden Fall. Jeder Trainer ist anders. Ich bin eher näher bei der Mannschaft. Ich will, dass sie sich wohlfühlen, aber das klingt immer nach Wohlfühloase. So soll es nicht sein, sondern ich will, dass sie sich sportlich wohlfühlen. Da komme ich ihnen oft entgegen, wenn sie sich in einem System oder bei bestimmten Sachen besser fühlen. Vielleicht war es zu viel.
LAOLA1: Wie schwierig ist dieser Spagat, dann auch einmal harte Worte zu finden? Auch „Kumpeltyp“ Zoran Barisic wurde oft eine zu große Nähe zum Team nachgesagt.
Djuricin: Wenn du ehrlich, willensstark bist und Charakter hast, dann ist das kein Problem. Das habe ich, und Zoki auch. Er war der erfolgreichste Rapid-Trainer in den letzten zehn Jahren seit Peter Pacult. Deswegen ist es eigentlich unverständlich und peinlich, Zoki zu hinterfragen. Das ist eine Kritik, die ich gar nicht aufkommen lasse.
LAOLA1: Was wirfst du dir selbst vor? Was würdest du im Nachhinein anders machen?
Djuricin: Ich würde nicht mehr so demütig sein. Ich bin zwar ein dankbarer Mensch, aber ich würde mich nicht mehr von einem traditionsreichen Wappen oder Fans einschüchtern lassen, etwas konkreter meinen Weg gehen und nicht mehr so viel über gewisse Sachen nachdenken.
LAOLA1: Führst du das noch auf deine Unerfahrenheit auf dieser großen Bühne zurück, dass du von Anfang an deine Linie und deinen Weg vorgeben hättest müssen?
Djuricin: Es war natürlich eine Riesen-Umstellung vom Amateur- in den Profibereich. Das hat mir natürlich zugesetzt, wie ich dies und jenes angehe. Die Herausforderung war irrsinnig groß. Aber ob mir eine Zwischenstation geholfen hätte, wage ich zu bezweifeln. Etwa in der 2. Liga hätte mir der Umgang mit Fans, Medien und Druck nichts genützt.
LAOLA1: Was wirfst du dem Verein vor? Hätte es früher Rückendeckung geben oder hätte deeskalierend eingegriffen werden müssen?
Djuricin: Ich werfe ihnen gar nichts vor, ich bin niemandem böse. Aber mir wäre es recht, wenn die Fans einmal den Realismus bekommen, was Salzburg und die Erwartungshaltung betrifft. Der Frust darf nicht mehr so groß werden, wie in den letzten Monaten. Der Druck geht auf die Mannschaft und man sieht, dass dann nichts weitergeht. Einige sagen, das sind Ausreden. Wir haben auch hundertprozentig das eine oder andere falsch gemacht. Aber der Verein hätte früher und intensiver zu mir stehen können. Außerdem muss der Verein in Zukunft konkreter sein, was die Fans dürfen und was nicht.
LAOLA1: Rapid und die Fans – wie komplex ist dieses Naheverhältnis? Wie viel Gutes aber auch Gefahren birgt es?
Djuricin: Die Fan-Kultur ist auf Europa gesehen natürlich ein Traum für so ein kleines Land. Die Fans sind emotional, wenn es läuft sind das die geilsten Fans überhaupt. Aber sie überschreiten manchmal eine Grenze. Man kann nicht auf Leute hören, die sich jeden Sonntag Spiele anschauen, aber nicht wissen, was unter der Woche trainiert wird und hinter der Bühne läuft. Deswegen darf man sich diesen Unmut der Leute nicht so nahe kommen lassen. Als Fachmann, Präsident, Manager, Berater oder Trainer muss man anders denken. Somit hat man ganz andere Entscheidungen zu treffen als ein Fan, der einmal pro Woche für 90 Minuten den Fernseher aufdreht.
LAOLA1: Trotzdem haben die Fans enormen Einfluss bei Rapid – das mussten schon viele Trainer vor dir feststellen. Hat Rapid sie zu mächtig werden lassen?
Djuricin: Der eine oder andere Verein in Europa wurde in den letzten Jahren so aufgebaut. Aber man wollte sicher nicht, was jetzt dabei herausgekommen ist. Andy Marek macht eine super Fanarbeit, was da geboten wird, ist einzigartig in Österreich. Aber es ist eben so: Wenn man ihnen den Finger reicht, dann reißt der eine oder andere die ganze Hand ab. Das muss man stoppen!
"Aber es ist eben so: Wenn man ihnen den Finger reicht, dann reißt der eine oder andere die ganze Hand ab. Das muss man stoppen!
LAOLA1: Worum geht es deiner Meinung nach vorrangig? Hat Rapid Angst, dass dann keine Fans mehr ins Stadion kommen, wenn man konsequent Grenzen setzt?
Djuricin: Vielleicht, ich hätte keine Angst davor. Wenn diejenigen, die immer für Krawalle und Unruhe sorgen, nicht kommen und dafür 300 Familien, dann ist das hundertprozentig gescheiter. Rapid hat so einen Andrang, dass sie sich keine Sorgen machen brauchen, dass das Stadion leer ist. Es ist dann vielleicht ein paar Dezibel leiser, aber das kann man auch noch verkraften.
LAOLA1: Gab es abseits vom Platz Anfeindungen dir gegenüber? Und war die „Aussprache“ auf der Autobahn-Raststation nach Ried das negative Parade-Beispiel?
Djuricin: Nein (schmunzelt geheimnisvoll). Das andere war ein Erlebnis, wo eindeutig eine Grenze überschritten wurde. Das geht gar nicht. Das habe ich ihnen auch gezeigt. Ich glaube, dass es auch deshalb ein ganz schwieriger Einstand für mich war. Das hat einfach nichts mit Fußball zu tun. Keiner spielt absichtlich schlecht. Umso mehr negativer Einfluss und Druck, desto schlimmer wird alles. Deshalb bringt das nichts.
LAOLA1: Was sagt es über die Fan-Seele aus, wenn damals sogar beim Stand von 2:0 für Rapid gegen FCSB in der Europa League „Gogo raus“-Sprechchöre angestimmt wurden?
Djuricin: Bei so einer Aktion merkt man, dass manchen wenigen Fans – es sind nicht so viele, wie man glaubt – die Mannschaft komplett egal ist. Deswegen war ich da sehr enttäuscht. Aber man muss betonen, dass es wenige sind, die man einfach verabschieden sollte.
LAOLA1: Spielst du darauf an, dass es da mehr um Selbstinszenierung, Eigeninteressen geht und gar nicht so richtig darum, was mit dem Verein passiert?
Djuricin: Ja, voll. Die paar Leute freuen sich ja, wenn sie dann in der Zeitung stehen und ein Bild von sich sehen. Aber das ist, wie wenn sie über Fußball reden. Man kann nicht überall mitreden und man hat nicht bei allem eine Ahnung, deshalb sollte man es lassen.
LAOLA1: Wie kann man das Fan-Thema bei Rapid unter Kontrolle bringen? Das wurde über Jahre aufgebaut und wird sicher nicht vom einen auf den anderen Tag entschärft werden. Kann man da überhaupt einen Schritt zurück machen?
Djuricin: Schwierig. Man kann schon zurück, aber dafür muss man konsequent sein. Punkt. Aus. Man muss diesem Teil der Fans sagen: Diese Chance habt ihr noch – wenn dann wieder was passiert, kommt ihr nie wieder ins Stadion.
LAOLA1: Glaubst du, dass die verschärften Bundesliga-Sanktionen ab 2019/20 mit Konsequenzen bis zum Punkteabzug fruchten oder muss das im Verein passieren?
Djuricin: Den Fans, denen der Verein und die Spieler egal sind, denen wird wohl auch das egal sein. Deshalb würde das für mich nicht viel nützen. Auf der anderen Seite entsteht vielleicht noch mehr Druck auf den Verein – das müsste man probieren.