Ruhe und Gelassenheit sind für den FK Austria Wien seit vielen Wochen Fremdwörter.
Bei den Favoritnern geht es nach wie vor rund, auch der 2:1-Heimsieg konnte nicht über die zahlreichen Fan-Proteste hinwegtäuschen.
Die Anfeindungen nahmen neue Formen an. Der Hauptbeschuldigte für die Krise ist weiter Markus Kraetschmer, der im LAOLA1-Interview nach dem Schlusspfiff Rede und Antwort stand und zu den brenzligen Themen Stellung nahm.
So widerspricht der Austria-Vorstand der Darstellung der Fans, dass die geplante Aussprache vom Verein aus abgesagt wurde, was er an den Protesten nicht versteht, warum man von der roten Linie nach abweichen wird und wie man das Auseinanderdriften der Fans und des FAK stoppen könnte.
Ein Appell darf dabei auch nicht fehlen.
LAOLA1: Wie befreiend sind diese drei Punkte gegen Mattersburg in so einer schwierigen Phase, in der sich die Mannschaft und der Verein derzeit befindet?
Markus Kraetschmer: Extrem erleichternd für alle Beteiligten! Die Mannschaft hat sich wirklich von Beginn weg sehr viel vorgenommen – das hat man gesehen. Aber es war auch klar, dass dann nach dem 2:0 in einer Phase in der zweiten Halbzeit, wo Mattersburg aufgekommen ist und mit langen Bällen Erfolg hatte, wieder die Verunsicherung zu Tage getreten ist. Letztendlich war es ein verdienter Sieg, wir hatten einige wenige Chancen auf das dritte Tor, aber auch am Schluss das Glück des Tüchtigen. Große Erleichterung, um in der Länderspielpause gezielt weiterarbeiten zu können. Ich freue mich vor allem für die Mannschaft und das Trainerteam, dass sie diese doch schwere Prüfung heute erledigt haben.
LAOLA1: Wie groß würden Sie die angesprochene Verunsicherung im Verein und in der Mannschaft beschreiben?
Kraetschmer: Ich würde es unterscheiden. Bei der Mannschaft merkt man, dass sie sich viel vorgenommen hat, sie hat gut begonnen, auch nach der Pause gut nachgelegt. Aber jeder Anschlusstreffer, jede Situation, die das Spiel ein bisschen in die andere Richtung dreht, merkst du, das lastet dann auf dir. Dann ist das, was in der ersten Halbzeit noch ganz gut funktioniert hat, plötzlich schwierig, du verlierst den zweiten Ball. Doch dann tut es der Mannschaft gut, jetzt können sie gezielt weiterarbeiten. Im Verein ist es keine Verunsicherung, aber eine Erleichterung, um auch hier gezielt weiterarbeiten zu können. Sportlich bleibt es so: Wir wissen, dass wir weiterhin auf Platz sieben sind, wir haben jetzt einmal den Rückstand verkürzt. Wir haben am 30. November hier das direkte Duell gegen Hartberg und müssen aber vorher unser Thema in der Südstadt erledigen. Aber solange wir natürlich mathematisch und rechnerisch die Möglichkeit haben, wollen wir alles dafür tun, um in die Meister-Runde zu kommen.
LAOLA1: Ein derzeit heißes Thema ist die Austria und deren Fans! Der Support ist ausgeblieben, es gab sehr viel Kritik und Transparente. Wie geht der Verein damit um?
Kraetschmer: Der Verein geht grundsätzlich einmal so damit um, dass das heute alles Banner waren, die halt eine Willenskundgebung waren, der Unmut, der ausgedrückt wird. Daher werden solche Transparente von unserer Seite auch nicht untersagt. Das, was mich schon etwas verwundert hat, insbesondere nach dem Schreiben der Fans, das auch auf LAOLA1 publiziert wurde, war, dass ich eigentlich bis zum Schluss überhaupt keinen Support für die Mannschaft gespürt habe. Ich habe viele Transparente gesehen, ich habe zaghafte Versuche einiger weniger gehört, die Mannschaft zu unterstützen, aber ich habe wirklich bis zum Schluss – und gerade in der Phase der Verunsicherung hätten sie es auch wirklich gebraucht – nichts gehört. Das ist eigentlich sehr schade. Wir sollten hier einfach bei den Fakten bleiben, hier unsere Linie klar weiterverfolgen. Wir waren und sind auch weiterhin immer gesprächsbereit. Peter Stöger und ich hätten auch vor einigen Wochen ein Gespräch mit den Ultras-orientierten Fan-Gruppen gehabt, das von deren Seite kurzfristig abgesagt wurde. Wir haben uns ja sehr lange mit den anderen Fan-Gruppen unterhalten. Es hätte am Samstag auch ein Meeting stattfinden sollen zwischen der Mannschaftsvertretung und der Fans, das entgegen anders gestreuter Meldungen sehr wohl von Seiten der Fans nicht wahrgenommen wurde. Alexander Grünwald hat mit Stöger und mir am Freitag sehr lange darüber gesprochen. Wir haben gesagt: Bitte unbedingt zur Verfügung stehen! Es geht in dieser Phase um den Support für die Mannschaft. Ich wundere mich sehr, dass sie offensichtlich viel Zeit investiert haben, um die Transparente vorzubereiten. Wenn ich mir was wünschen darf - aber wahrscheinlich sind meine Wünsche die letzten, die die Fans im Moment interessieren - dann, dass es darum geht, die Mannschaft zu unterstützen. Das hat man gemerkt und man sieht, wie wichtig es ist, was das in der Mannschaft auslösen kann. Das muss das Ziel sein und daran werden wir weiter arbeiten. Von unserer Warte bleibt die Hand ausgestreckt. Wir sind für jeden Dialog, der vernünftig abläuft, zu haben. Und die Leute – dabei bleibt es aber auch – die sich in Pasching aufgeführt haben, werden ausgeforscht werden, und die haben dann bei uns auch keinen Platz mehr. Das wird weiterhin unsere klare, sehr verständliche Linie sein, die auch grundsätzlich von sehr vielen anderen Leuten – auch in der Austria-Familie – goutiert wird.
LAOLA1: Wie kann man da wieder zusammenfinden, weil derzeit driftet die Austria und die Fan-Szene doch sehr stark auseinander?
Kraetschmer: Man muss aufpassen, wenn man da von "der" Fan-Szene spricht. Ich höre schon auch, dass sie da durchaus unterschiedlicher Auffassung sind. Was mich dann total wundert, ist dieses Schreiben von gestern, wo sie eine Trendwende und die Mannschaft unterstützen wollen. Ich glaube jeder, der das im Stadion miterlebt hat, hat gemerkt: Das war keine Unterstützung! Das ist schade. Von unserer Seite – vom Präsidium angefangen, über den Vorstand, die anderen Gremien – sind wir wie in der Vergangenheit jederzeit für einen vernünftigen Dialog zu haben. Es gibt rote Linien – auch das haben wir gesagt, beispielsweise die Vorfälle und das Verhalten in Pasching. Darüber braucht man mit uns nicht diskutieren, das werden wir nicht tolerieren. Da werden wir auch klar dagegen vorgehen. Aber vielleicht nimmt sich jeder in der Länderspielpause ein bisschen die Zeit, analysiert, überlegt sich, wie er die Mannschaft in der Südstadt und dann im wichtigen Heimspiel gegen Hartberg unterstützen kann. Wenn dazu gehört, dass sie weiter meine Person oder andere Leute so wie diesmal kritisieren wollen, dann sollen sie das tun. Ich würde mir halt wünschen, dass sie alle ihre Kräfte dahingehend verwenden, dass sie die Mannschaft und das Trainerteam unterstützen.
LAOLA1: Wie gehen Sie persönlich mit den Anfeindungen gegen ihre Person (Anm: "Kraetschmer-raus"-Transparente und Aufforderungen, im Sinne des Vereins zu gehen) um?
Kraetschmer: Unverändert! Das ist natürlich keine angenehme Situation, aber ich weiß das einzuordnen. Wir werden solche Proteste, wenn sie im Rahmen bleiben, immer zulassen. Auch für mich gilt, dass ich für den Dialog auf Augenhöhe immer zur Verfügung stehe. Ich würde gerne den Leuten erklären, warum die Situation schwierig ist. Ja, wir haben unsere finanziellen Polster durch die Infrastruktur-Investitionen derzeit aufgebraucht, arbeiten aber jeden Tag wirklich sehr intensiv, um hier neue Mittel aufzustellen bzw. Dinge abzuklären, damit dann eben Peter Stöger die Möglichkeit hat, die Mannschaft ab Winter umzubauen. Das ist einfach die klare Analyse.
LAOLA1: War es deshalb für Sie überraschend, dass nun auch Peter Stöger und auch Ralf Muhr angefeindet wurden mit gezielten Transparenten?
Kraetschmer: Ralf Muhr und Markus Kraetschmer sind ja schon länger im Fokus, aber auch Peter Stöger hat in Pasching letzte Woche sehr klar auch die Linie des Vereins vollinhaltlich wiedergegeben. Wir sitzen ja mehrfach täglich zusammen, wir tauschen uns aus, wir versuchen die Mannschaft und das Trainerteam bestmöglich zu unterstützen. Dass da die Fans ein ganz wichtiger Faktor sind, ist gar keine Frage. Das ist eigentlich mein Appell, sich darauf zu besinnen: Jetzt muss die viel zitierte Austria-Familie zusammenstehen! Und wenn jetzt einzelne Gruppen einen Konflikt haben, dann sollten sie das auf dem direkten Weg machen, aber nicht auf dem Rücken der Mannschaft. So werde ich weiter tagtäglich hart weiterarbeiten mit dem Team, Peter Stöger wird hart weiterarbeiten, um Lösungen im positiven Sinn herbeizuführen, wirtschaftliche Rahmenbedingungen schaffen, um dann die Mannschaft Step by Step – das wird auch nicht alles im Jänner passieren – umbauen zu können.
LAOLA1: Das heißt, die Austria wird auch nicht von seiner roten Linie abweichen, um den Fans in dieser Hinsicht entgegen zu kommen?
Kraetschmer: Nein! Die rote Linie bedeutet: Keine Politik, keine Gewalt und keine unerlaubte Pyrotechnik! Noch dazu Pyrotechnik, die andere gefährdet – wie es in Pasching passiert ist - wird überhaupt nicht toleriert. Da wird es die entsprechenden Ausforschungen geben. Das sind auch keine Willkür-Akte, da wird auch nicht die ganze Tribüne ausgeschlossen, sondern es wird hart daran gearbeitet, die richtigen Leute herauszufiltern über die Videoüberwachung, über Fotos, mit Unterstützung der Polizei. Und dann wird es die verbandsrechtlichen Maßnahmen geben – Hausverbote, Stadionverbote – beziehungsweise wird man dann auch Leute in Regress nehmen, um ein Signal zu setzen – weil wir hier eine empfindliche Geldstrafe bekommen, wo dann wiederum Geld auf anderer Seite fehlt. Das ist kein Kavaliersdelikt! Diese rote Linie gilt – die hat vorher gegolten und wird auch nachher gelten.
LAOLA1: Fan-Proteste wie diese sind auf der Suche nach neuen Sponsoren alles andere als hilfreich. Wie sehr erschwert das die Aufgabe?
Kraetschmer: Natürlich ist es nicht unbedingt hilfreich, wenn du versuchst, das zu erklären. Aber hier – das merke ich schon in den Gesprächen mit vielen Leuten national und international – wird die Linie, die die Austria fährt, durchaus gutgeheißen. Das sind auch erfahrene Leute. Das ist ja wirklich kein Spezifikum der Austria – das erleben wir in Österreich bei anderen Vereinen, das erleben wir bei internationalen Vereinen. Bei allem Verständnis für Emotionalität und auch Details des Protests – wenn es so abläuft wie diesmal, dann werden wir das akzeptieren. Ich verstehe es nicht, weil man viel zu viel Kraft aufopfert, ohne auf die Mannschaft einzugehen. Man muss das einfach auch trennen. Wir müssen Austria Wien bestmöglich darstellen. Für Sponsoren und Investoren gibt es schon noch andere Hinweise. Und welche Kraft die Austria schon hat, wenn es positiv läuft, hat man ja gesehen, diese Beweise gibt es ja. Dass das jetzt eine schwierige Phase ist, ist jedem bewusst, aber wir haben einen sehr klaren Plan, wissen, welche Schritte wir setzen wollen und werden, um hier herauszukommen. Den arbeiten wir tagtäglich mit harter Arbeit ab. Hätten wir den nicht, hätten wir wahrscheinlich ein viel größeres Problem.
LAOLA1: Wie ist das Feedback von Sponsoren – eher negativ aufgrund der aktuellen Probleme oder sehen die schon, wofür die Austria in erfolgreichen Zeiten gestanden ist?
Kraetschmer: Punkt eins: Grundsätzlich wird die Linie goutiert, die wir schon seit Jahren im Hinblick auf Fan-Proteste machen. Punkt zwei: Natürlich kennen die Leute, die Austria auch aus der Historie, auch von der Erwartungshaltung. Das ist aber nicht das Hauptthema, sondern es geht darum, welchen Plan wir auch für die Zukunft skizzieren und wie wir in der Kombination mit der Infrastruktur unsere internationalen Ambitionen umsetzen. Die Voraussetzungen sind ja sehr gut. Die ganze Struktur mit den Young Violets in der 2. Liga, mit der Akademie, mit den Themen Frauenfußball, eSports usw. ist gut. Natürlich ist der Motor die Kampfmannschaft – und da performen wir nicht so, wie wir uns das selber erwarten. Aber das kann ein Investor oder strategischer Sponsor sehr wohl unterscheiden. Wenn man ihm glaubwürdig und nachhaltig das Programm vermittelt, wie man aus dieser momentanen Krise heraus kommen kann, dann wird er auf diese Themen auch einsteigen. Das sind dann Rahmenbedingungen, die uns wirtschaftlich wieder Möglichkeiten geben. Die Kunst ist dann, dafür die richtigen Leute zu finden. Das ist ja gar kein Geheimnis. Das haben wir in der Vergangenheit nach bestem Wissen und Gewissen versucht. Da sind offensichtlich Fehler passiert, sonst wären wir nicht in der Situation. Aber man hat schon wieder gesehen: Das Thema Verunsicherung und psychischer Druck ist ein sehr großes Thema in der aktuellen Situation.
LAOLA1: Ist der Appell an die Fans somit, den Ball flach zu halten und den Verein seine Arbeit machen zu lassen?
Kraetschmer: Der Appell an die Fans ist, die Mannschaft zu unterstützen, weil die braucht das. Wenn wir eine erfolgreiche Mannschaft haben, dann ziehen alle anderen mit und geben uns den notwendigen Zeitraum, die zeitlichen Ressourcen, die Konzentration und unseren Job vernünftig erledigen zu können. Weil das Ganze bindet Kapazitäten, lenkt vielleicht von positiven Dingen ab – das muss das Ziel sein. Ich gehe davon aus, dass alle Fans den Verein lieben. Ich verstehe ja auch die Enttäuschung. Ich persönlich bin als Austrianer auch völlig enttäuscht über die Performance. Dass andere derzeit besser performen als wir – da denke ich an den LASK – und auf einem anderen Niveau sind als wir, ist anzuerkennen. Aber wir haben viel Ambitionen, Ideen, ganz konkrete Pläne, um mit Schritten wieder dorthin zu kommen mit den Rahmenbedingungen. Dass wir einiges vorbereitet haben – mit Stadion, Infrastruktur, Internationalisierung und Digitalisierung – steht außer Frage.