Seit einem Jahr hat der SK Rapid Wien eine klare Nummer 1 im Tor: Niklas Hedl.
Der 21-Jährige hat sich von den Stimmen emanzipiert, die in ihm vorrangig den Sohn seines Vaters Raimund Hedl sahen – der den Namen bei Rapid ausgerechnet auf derselben Position groß machte.
Mit dem Auftakt des Bundesliga-Frühjahrs gleich mit dem Kracher beim SK Sturm Graz (Freitag, ab 20:30 Uhr im LIVE-Ticker>>>) schließt sich ein Kreis, denn vor fast genau einem Jahr gab Hedl sein Bundesliga-Debüt – auswärts bei Sturm.
Seither musste Hedl junior in 36 Spielen nur 37 Mal hinter sich greifen und verdiente sich im November einen ersten Auftritt im ÖFB-Nationalteam.
Im LAOLA1-Interview spricht Niki Hedl über sein erstes Jahr als Rapids Schlussmann, das ÖFB-Team und die Zukunft – angesichts der laufenden Verhandlungen über eine Verlängerung seines im Sommer 2024 auslaufenden Vertrags.
LAOLA1: 24 Gegentore in 25 Pflichtspielen sind ein starker Wert, der Herbst des gesamten Teams war aber von Höhen und Tiefen geprägt. Wie kannst du als Torhüter getrennt davon über dein erstes Jahr als "Einser" Bilanz ziehen?
Niklas Hedl: Ich kann zufrieden sein mit dem, was bisher geschehen ist. Es ist auch alles sehr schnell gegangen. Auf einmal habe ich beim größten Verein in Österreich gespielt. Aber alleine kann ich meistens nicht entscheiden, wie das Spiel ausgeht.
LAOLA1: Mit Paul Gartler hast du einen Konkurrenten, der seine Bundesliga-Tauglichkeit schon bewiesen hat und mit dem du im Sommer um den Stammplatz duellieren musstest. Wie hast du diese Situation empfunden? Und wie eure tägliche Zusammenarbeit?
Hedl: Es hat sich nichts geändert. Wir haben noch immer ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Wir betrachten das als gesamtes Torhüterteam gemeinsam. Klar wollen wir beide spielen, ein Konkurrenzkampf im Training ist auch gut. Das macht uns nur noch besser. Man hat natürlich im Kopf, dass nur einer spielen kann. Ich versuche aber, das konstant auszublenden und meine Leistung zu bringen.
LAOLA1: Ihr habt die erste Vorbereitung unter Zoran Barisic in den Beinen. Was hat sich unter ihm geändert?
Hedl: Ich bin den Großteil des Trainings bei Jürgen Macho, der schon vorher da war. Wir sind erst gegen Ende des Trainings bei "Zoki". Es war eine intensive Vorbereitung, mit sehr anstrengenden Einheiten. Wir sind gut vorbereitet für die nächsten Aufgaben.
LAOLA1: Im Verein gab es in den letzten Monaten einen großen Umbau hinter den Kulissen. War das ein Thema für die Spieler? Und wie hat sich das Tagesgeschäft dadurch geändert?
Hedl: Ganz weghalten konnte man es von den Spielern nicht. Es hat aber nicht viel Einfluss auf uns gehabt. Ich glaube, dass Mecki (Katzer, Anm.) und Steff (Hofmann, Anm.) viel mit den einzelnen Spielern reden und auch sehr oft beim Training sind.
LAOLA1: Wie empfindest du die Zusammenarbeit mit Jürgen Macho und die Tatsache, dass er einst auch lange Zeit die Torhüterrolle bei Rapid bekleidete?
"Das freut mich auch, aber ich mache mir nichts draus. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, muss ich nämlich noch viel arbeiten."
Hedl: Es ist eine super Kombination. Ich arbeite schon seit drei, vier Jahren mit ihm. Er hat meinen gesamten Weg bei den Profis mitgemacht und mir viele Erfahrungen mitgegeben. Es ist ein Vorteil, einen Torhütertrainer zu haben, der weiß, wie ich mich in jeder Situation fühle und der sich besser hineinversetzen kann. Aber das gesamte Torhüterteam ist einfach super eingespielt.
LAOLA1: Wie viel sprichst du mit deinem Vater über das Thema Torhüter-Dasein? Wie viel kann er dir mitgeben?
Hedl: Es ist nicht so, dass wir tagtäglich über Fußball sprechen, das ist sogar eher selten. Wenn am Wochenende ein Match ist und ich ihn am nächsten Tag sehe, wird manches besprochen, was ihm aufgefallen ist – und wie er die Situationen gelöst hätte. Mein Nachname war bisher aber weder ein Vor- noch ein Nachteil, ich forme meine eigene Karriere.
LAOLA1: Wo siehst du trotzdem Parallelen zu ihm? In deinem Spiel, in deinen Herangehensweisen?
Hedl: Schwer zu sagen, weil sich das Torhüterspiel inzwischen revolutioniert hat. Wir sind aber beide stark am Fuß, haben unsere Stärken also fußballerisch. Er ist auch eher ein ruhiger, gelassener Torwart gewesen und hat versucht, hinten Ruhe auszustrahlen.
LAOLA1: Vater Torhüter, ein Sohn Torhüter, anderer Sohn Stürmer (Bruder Tobias Hedl stürmt bei Rapid II, Anm.) – wie hat sich diese familiäre Konstellation ergeben?
Hedl: Damit einer dem anderen daheim im Garten aufs Tor schießen kann! Ich war ja früher auch Feldspieler. Mir hat es gefallen, mich bei den Schussübungen im Training hin und wieder reinzustellen. Ab U9 oder U10 war ich dann halt fix im Tor. Meistens war es in unserer Freizeit aber so, dass wir einfach beide "draußen" und auf kleine Hütchentore gespielt haben.
LAOLA1: Wie sehr könnt ihr euch auch unterstützen? Ein Torhüter will einem Stürmer ja eher nicht verraten, wie er am besten zu überwinden ist.
Hedl: Das weiß mein Bruder selbst, wie er Tore schießen kann, das hat er auch schon bewiesen. Früher war es oft in den Ferien so, dass wir gemeinsam auf den Sportplatz gegangen sind und mit Freunden gespielt haben. Das war immer cool, weil wir zwei uns gekannt haben. Wenn Fremde da waren, haben wir es leichter gehabt. Aber es ist auch nicht so, dass wir daheim viel Fußball spielen.
LAOLA1: Den Vergleich zu deinem Vater haben wir jetzt schon gezogen, aber wo siehst du unabhängig davon deine eigenen Stärken und woran arbeitest du gegenwärtig?
Hedl: Ich habe meine Stärke mit dem Fuß, also fußballerisch. In jeder Hinsicht, die das Zusammenspiel betrifft, kann man sich aber verbessern. Daran wird mit Jürgen Macho tagtäglich gearbeitet.
LAOLA1: Was macht für dich einen guten Torhüter aus? Und wer sind die größten Vorbilder abseits deines Vaters?
Hedl: Sie haben eine sehr gute Athletik, eine sehr gute Technik und mental sind sie auch sehr gefestigt. Manuel Neuer, Marc-Andre ter Stegen und früher auch Iker Casillas.
LAOLA1: Gegen Sturm schließt sich ein Kreis, denn vor fast genau einem Jahr begann im Februar auch auswärts bei Sturm (2:2) deine Zeit als "Einser" bei Rapid. Du hast zuletzt von hoher Nervosität vor diesem Spiel berichtet. Wie geht es dir ein Jahr später vor Partien?
Hedl: Vor dem ersten Spiel ist es natürlich was anderes gewesen als jetzt. Nervosität? Jein. Es ist jetzt eher positive Anspannung. Sobald das Spiel losgeht, ist nur mehr die Freude da, das tun zu dürfen. Es ist von Spiel zu Spiel besser geworden, aber natürlich habe ich nicht bei jedem Spiel Spaß an der Sache gehabt.
LAOLA1: Die ersten schlechten Schlagzeilen gab es nach dem Ausschluss gegen Austria Klagenfurt. Wie bist du damit umgegangen?
Hedl: Im Nachhinein habe ich daraus sicher gelernt. Ich bin vielleicht ein bisschen ruhiger geworden Aber es ist abgehakt und wird nicht mehr passieren. Ich habe mir auch die Schlagzeilen nicht so zu Herzen genommen, weil ich wusste, dass das die Folge der Aktion sein wird. Ich habe möglichst wenige Nachrichten gelesen und mehr mit den Personen gesprochen, die mich kennen und sich in mich reinversetzen können.
LAOLA1: Grundsätzlich überwiegen aber die Lobeshymnen. Wie sehr dürfen die einen beflügeln?
Hedl: Natürlich freut es einen, wenn man so etwas hört. Ich habe auch da meine zwei, drei Bezugspersonen, die mich am Boden halten und sagen, was Sache ist. Auf die kann und will ich hören, weil die das alles selbst erlebt haben. Mit meinem Papa habe ich da jemanden, aber Jürgen Macho zählt genauso dazu, der viel in seiner Karriere erlebt hat.
LAOLA1: Beim Football Manager wurdest du im Herbst unter den zehn Torhütern mit dem größten Potenzial weltweit gelistet. Ist das etwas wert oder nur ein lustiger Fakt?
Hedl: Ich selbst spiele keinen Football Manager, mir hat es ein Freund gezeigt. Das freut mich auch, aber ich mache mir nichts draus. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, muss ich nämlich noch viel arbeiten.
LAOLA1: Apropos Potenzial: Sprechen wir über das ÖFB-Nationalteam. Die Geschichte um deine erste Einberufung, für die du deinen Urlaub im November abbrechen musstest, ist bekannt. Was waren deine ersten Gedanken – und was die ersten Worte deiner Freundin?
Hedl: Der erste Gedanke war: "Wie erkläre ich es ihr?". Der zweite war aber schon Freude. An ihre ersten Worte kann ich mich zum Glück nicht mehr erinnern (lacht).
LAOLA1: Wie sind die nächsten Stunden abgelaufen?
Hedl: Wir sind in Ägypten angekommen, haben mal ausgepackt, ich habe mein Handy beiseitegelegt. Als ich es wieder zur Hand genommen habe, bekam ich die Nachricht, nach Malaga zu fliegen. Wir sind in dem Klub noch Abendessen gegangen, ins Bett, haben zwei Stunden geschlafen und waren noch in der Nacht am Flughafen. Ich bin über Istanbul nach Malaga geflogen, meine Freundin direkt heim. Acht Stunden später war ich da.
LAOLA1: Wie waren die ersten Eindrücke? Du hast schon einmal von Ehrfurcht nach dem ersten Kontakt mit David Alaba oder Marko Arnautovic berichtet.
Hedl: Es sind schon Spieler, die ich seit Kindheitstagen verfolge, ob im Fernsehen oder im Stadion, wenn wir Österreich zuschauen waren. Es ist für mich einfach eine riesige Ehre gewesen, mit den Besten für meine Nation zusammenspielen zu können. Aber am Platz, da versuche ich einfach wie bei Rapid zu agieren.
LAOLA1: Wie steht es derzeit um Kontakt zu ÖFB-Tormanntrainer Robert Almer?
Hedl: Natürlich schickt man sich zu Weihnachten Grußnachrichten, ansonsten gab es über die Pause wenig Kontakt.
LAOLA1: Wie siehst du die Konkurrenz im Nationalteam? Eine klare Nummer 1 hat es zuletzt ja nie gegeben.
Hedl: Da tu ich mir schwer, mich selbst zu beurteilen. Wir haben aber trotzdem sehr viele, sehr gute Tormänner in Österreich. Speziell als Tormann ist es eben extrem schwer, sich im Ausland durchzusetzen.
LAOLA1: Das Thema Vertragsverlängerung mit dir ist seitens Rapid schon länger Thema. Markus Katzer meinte letzte Woche, dass es noch einen Weg bis zu einer Einigung zurückzulegen gibt. Wie siehst du den Status quo der Verhandlungen?
Hedl: Ich habe noch eineinhalb Jahre Vertrag, von daher mache ich mir keinen Stress. Ich gebe mir auch keinen Zeitraum vor, in dem eine Einigung stattfinden muss. Wenn es für alle Seiten passt, passt es. Dann wird es die Einigung auch geben.
LAOLA1: Was wäre dein absoluter Traumverein in der Zukunft?
Hedl: Generell sind die englische und spanische Liga sehr große Ziele. Einen speziellen Verein habe ich eher nicht im Blick.
LAOLA1: Für viele starke Bundesliga-Torhüter war der Sprung ins Ausland eher ein Karriere-Dämpfer. Lässt du dir vielleicht auch eine Warnung sein?
Hedl: Das muss jeder für sich selbst abwägen. Wenn man es nicht versucht, wird man es aber nie wissen.
LAOLA1: Dein Vater war einen Großteil seiner Karriere bei Rapid. Wäre das auch für dich erstrebenswert, ewig bei Rapid zu bleiben?
Hedl: Ich würde niemals nie sagen. Aber ich glaube, zurzeit konzentriere ich mich auf diese Saison. Was später passiert, wird sich erst zeigen.
LAOLA1: Rapid bewegt – ist das heiße Umfeld bei diesem Klub gerade für einen Torhüter ein Vorteil? Oder erhöht das den Druck nur zusätzlich?
Hedl: Das ist ganz klar ein Vorteil. Für andere Mannschaften ist es sicher nicht schön, zu uns zu kommen und vor so einer Kulisse zu spielen.