Er kam als "Kader-Masterpiece" (Zitat Sportchef Günter Kreissl) und geht als Kapitän: Christian Schulz (35) nimmt nach zwei Jahren nicht nur Abschied vom SK Sturm sondern beendet auch seine Karriere als Profi-Fußballer.
Der Innenverteidiger blickt auf 49 Einsätze für die Schwarz-Weißen zurück, eine Saison als Stammkraft und eine zweite, in der es für ihn persönlich nicht nach Wunsch lief.
Als Leader außerhalb des Spielfelds hat aber auch er einen nicht unwesentlichen Anteil am Vizemeistertitel und dem Cupsieg der "Blackies".
Im LAOLA1-Interview spricht Schulz über die Unterschiede zwischen Franco Foda und Heiko Vogel, die kritische Phase zum Frühjahrsstart und eine mögliche Rückkehr nach Graz.
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LAOLA1: Zwei Saisonen in Graz, einmal Platz drei, einmal Platz zwei in der Liga, dazu der Cup-Sieg in diesem Jahr. Wie sehr decken sich die Erfolge mit deinen Erwartungen von vor zwei Jahren, als du zu Sturm gekommen bist?
Christian Schulz: Als ich damals den Anruf bekommen habe, konnte ich Sturm noch nicht richtig einordnen. Später habe ich gehört, dass der Klub eine schwierige Phase hatte und man im Mittelfeld um Platz vier bis sechs festhing. Daher kann man schon sagen, dass die letzten beiden Jahre außerordentlich gut waren. Es hat mit der Truppe Spaß gemacht und es wurde professionell gearbeitet - egal ob im Management oder auch im Trainerteam.
LAOLA1: Hast du von dieser schwierigen Phase damals bei deiner Ankunft noch etwas mitbekommen oder war von Beginn an eine Aufbruchstimmung spürbar?
Schulz: Vor zwei Jahren gab es einen relativ großen Cut, darin war ich mit meinem Transfer ja selbst involviert. Es war von Günter Kreissl (Geschäftsführer-Sport, Anm.) auch so gewollt, dass der Tradition, die der Verein hat, mit neuem Personal neues Leben eingehaucht wird. Und das ist gelungen. Im Vorfeld habe ich auch gehört, dass das Umfeld in Graz immer ein bisschen unruhig ist, letztendlich haben wir mit den Ergebnissen und Erfolgen viel erreicht.
LAOLA1: Wie groß war die Herausforderung österreichische Bundesliga für dich nach über 350 Spielen in der deutschen Bundesliga?
Schulz: Sportlich ist die Liga natürlich kleiner als die deutsche, aber es gibt sehr gute Fußballer. Es gibt brisante Duelle mit Sturm gegen Rapid oder gegen die Austria. Von der Atmosphäre her ist das Gefälle größer. In Deutschland hast du atmosphärisch jedes Spiel auf höchstem Niveau. Die Leistungsstärke an der Spitze ist aber sehr gut.
LAOLA1: Du bist bei Sturm vor zwei Jahren sehr schnell Kapitän geworden. Wie ist es dazu gekommen?
Schulz: Ich war damals drei, vier Tage im Mannschaftstraining, als Franco Foda mich gefragt hat, ob ich Kapitän sein möchte bzw. hat er mir gesagt, dass er es gerne sehen würde, dass ich es mache. Da war ich schon überrascht. Am Anfang habe ich die Strukturen noch nicht gekannt, aber eine Woche später hat er mir gesagt: Ich möchte trotzdem, dass du das machst. Für mich war es auch kein großes Problem. Ich bin kein schwieriger Typ und ich habe keine Probleme, mich anzupassen. Die Truppe war wirklich sehr leicht zu führen, alle waren leistungsbereit. Es gab nur wenige wirklich kritische Momente.
"Ich habe auch persönlich gemerkt, dass es für mich schwieriger wird. Der Körper erreicht gewisse Grenzen, je älter man wird."
LAOLA1: Wie hat sich deine Rolle in der zweiten Saison verändert, als du nicht mehr so oft gespielt hast?
Schulz: Das war nicht einfach, weil man natürlich den meisten Einfluss hat, wenn man auf dem Platz steht. Ich habe auch persönlich gemerkt, dass es für mich schwieriger wird. Der Körper erreicht gewisse Grenzen, je älter man wird. Als Fußballer möchte man gerne auf dem Platz stehen. Aber mit 35 Jahren ist es eher zu akzeptieren, als mit 25. So habe ich einfach versucht, den Jungs immer gut zuzureden. Gerade als es weniger gut lief.
LAOLA1: Mit Franco Foda und Heiko Vogel hast du zwei unterschiedliche Trainer kennengelernt. Was nimmst du von dem einen mit, was vom anderen?
Schulz: Sie sind zwar zwei sehr unterschiedliche Typen, aber beide verbindet, dass sie alles für den Erfolg tun und eine klare Mannschaftsführung haben. Es war unter beiden auch sehr harmonisch. Also wie man erfolgreich arbeitet, weiß ich jetzt auf jeden Fall von beiden.
LAOLA1: Wie würdest du die beiden im Umgang mit den Spielern vergleichen?
Schulz: Foda tritt vor der Mannschaft auf jeden Fall autoritärer auf, Vogel versucht da eher die etwas sanftere Tour zu fahren.
LAOLA1: Der Frühjahrsstart unter Vogel war definitiv eine der von dir angesprochenen kritischen Phasen. War die damals aufkommende Unruhe auch innerhalb der Mannschaft spürbar oder war für euch klar, dass der Turnaround mit dem neuen Trainer klappt?
Schulz: Es war keine einfache Situation. Es gab einen Trainerwechsel zu einem Zeitpunkt, als es richtig gut gelaufen ist. Für Foda kam eine besondere Aufgabe und es war selbstverständlich, dass er die Erlaubnis dafür bekommt. Dann kam ein neuer Trainer, der einen anderen Ansatz verfolgt und viele neue Ideen eingebracht hat, das haben wir schon in der Vorbereitung gemerkt. Dass es ein wenig Zeit braucht, sollte für jeden normal denkenden Menschen klar sein. Wenn man dann gegen Mannschaften wie Mattersburg und Wolfsberg verliert, ist es aber schwierig, das nach außen zu verkaufen. So kam es zur Unruhe. Das Trainerteam ist aber ruhig geblieben, als Mannschaft sind wir zusammengerückt. Daher war es nur eine Frage der Zeit, bis die Erfolge zurückkehren. Es war schwierig, aber wenn man eine Situation so meistert, zieht man auch Kraft daraus.
"Wir haben als Mannschaft gemerkt, dass wir uns am Anfang unter Vogel zu viel über taktische Momente unterhalten haben."
LAOLA1: Hat man möglicherweise in dieser Zeit auch den Spirit entwickelt, der die Mannschaft in den entscheidenden Spielen zu Saisonende unter anderem ausgezeichnet hat?
Schulz: Ich glaube, wir haben als Mannschaft gemerkt, dass wir uns am Anfang unter Vogel zu viel über taktische Momente unterhalten haben - wer wo zu stehen hat und so weiter. Wir haben einfach vergessen, normal Fußball zu spielen. Das heißt, auf die Grundelemente wie Zweikampfverhalten und Aggressivität zu achten. Das haben wir geändert und andere Dinge kamen noch dazu. Gegen Ende hin haben wir uns noch einmal steigern können und die Saison mit dem Cupsieg schließlich gekrönt.
LAOLA1: Mit Christian Gratzei und dir gab es in diesen zwei Jahren zwei echte Routiniers im Kader. Für wie wichtig hältst du so erfahrene Spieler in einem Kader wie bei Sturm, in dem sich auch einige junge Spieler befinden?
Schulz: Man sieht, wie gut junge Spieler heutzutage ausgebildet werden. Bei Christian Gratzei und mir sind früher nicht ansatzweise so viele Jugendspieler aus den eigenen Akademien gekommen. Aber ich glaube schon, dass der eine oder andere erfahrene Spieler wichtig ist. Nicht nur auf dem Platz, sondern auch in der Kabine. Einer, der ein bisschen für Ordnung sorgt, damit nicht alles aus dem Ruder läuft. Junge Spieler sind ja teilweise schon sehr eigen. Ich glaube, mit uns beiden ist das ganz gut gelungen.
LAOLA1: Ihr beide seid in der nächsten Saison nicht mehr mit dabei. Hältst du die Mannschaft gefestigt genug, gerade auch vor den kommenden internationalen Aufgaben?
Schulz: Es gibt auch andere Spieler, die schon sehr viel Erfahrung gesammelt haben. Jakob Jantscher zum Beispiel oder Stefan Hierländer, der schon in Deutschland aktiv war. Auch Deni Alar und Thomas Schrammel. Es sind schon Spieler da, die das in die Hand nehmen können und für gute Stimmung auf und neben dem Platz sorgen. Grundsätzlich ist die Mannschaft gefestigt, wie man in den letzten Wochen gesehen hat. Gratzei und ich waren nicht auf dem Platz und sie hat es trotzdem hervorragend gemacht. Ich denke, dass das Grundgerüst auch für schwierige Aufgaben in der nächsten Saison gewappnet ist.
"Die Wiener Mannschaften sind von ihren finanziellen Möglichkeiten sicher eine Nummer höher anzusiedeln, aber was Sturm hat, kann für die nächsten Jahre prägend sein. Hier wird Spielern eine gewisse Plattform geboten. Ich sehe Sturm auf Augenhöhe mit den Wiener Klubs."
LAOLA1: Welcher Mitspieler hat dich in deiner Zeit in Graz von seiner Entwicklung her am meisten begeistert?
Schulz: Natürlich kann ich hier zuallererst Dario Maresic ansprechen, der eine hervorragende Entwicklung gemacht hat mit seinen 18 Jahren. Das ist schon ein richtiger Rohdiamant. Es sind aber auch andere Spieler, die sich noch einmal weiterentwickelt haben. Deni Alar hat noch einmal einen Schritt gemacht, auch Jimmy Jeggo und Marvin Potzmann. Da könnte ich noch weitere nennen. Im Vergleich zum letzten Jahr, das schon sehr gut war, hat sich jeder noch einmal verbessern können. Dazu sind Spieler gekommen wie Peter Zulj oder Thorsten Röcher, welche die Qualität der Mannschaft noch einmal gehoben haben. Der Pfeil im Verein zeigt auf jeden Fall ganz stark nach oben.
LAOLA1: Wie sehr hat es dich letztlich überrascht, dass Maresic seinen Vertrag bei Sturm trotz mehrerer Angebote aus dem Ausland verlängert hat?
Schulz: Dario ist ein cleverer Junge. Ich denke, dass er abgewägt hat, was für ihn das Beste ist. Ich finde es klasse und ziehe auch den Hut vor der Entscheidung, weil er sicher finanziell bessere Angebote gehabt hat. Seine sportliche Entwicklung ist ihm natürlich wichtig. Er muss zusehen, dass er Spiele macht und wenn das Gesamtpaket in Graz passt, ist es umso besser. Er hat die Möglichkeit, hier etwas aufzubauen und international zu spielen. Klar ist, dass er enorme Qualität und noch eine glorreiche Zukunft vor sich hat.
LAOLA1: Was traust du Sturm in den bevorstehenden internationalen Aufgaben zu? Gleich zu Beginn wartet in der Champions-League-Qualifikation mit dem FC Basel oder Ajax mit Sicherheit ein großer Brocken.
Schulz: Das sind zwei Teams, die international eine lange Historie haben. Es wird enorm schwierig. Weil die Mannschaft aber so homogen wirkt, glaube ich schon, dass die Möglichkeit da ist, um für eine Überraschung zu sorgen.
LAOLA1: Kann sich Sturm national als Salzburg-Jäger Nummer eins etablieren?
Schulz: Das ist das Ziel und daran sieht man auch, dass der Verein eine gute Entwicklung genommen hat. Vor zwei Jahren war noch nicht abzusehen, dass wir darüber sprechen. Die Wiener Mannschaften sind von ihren finanziellen Möglichkeiten sicher eine Nummer höher anzusiedeln, aber was Sturm hat, kann für die nächsten Jahre prägend sein. Hier wird Spielern eine gewisse Plattform geboten. Ich sehe Sturm auf Augenhöhe mit den Wiener Klubs. Salzburg über eine gesamte Saison zu schlagen, wird schwierig. Dass es in einem Spiel gehen kann, haben wir im Cup gezeigt.
LAOLA1: Du wirst jetzt nach Deutschland zurückkehren. Wirst du wieder einmal in Graz vorbeischauen?
Schulz: Das auf jeden Fall. Ich habe hier mit meiner Familie in den zwei Jahren viele Freunde gefunden und wir haben uns sehr wohlgefühlt. Leider gibt es keine direkte Flugverbindung zwischen Hannover und Graz, aber mit einem kleinen Umweg ist das kein Problem. Wenn ich eine Trainerkarriere einschlage, hospitiere ich vielleicht einmal bei Sturm. Das könnte ich mir gut vorstellen.
LAOLA1: Davor nimmst du noch einen Job bei Hannover 96 an?
Schulz: Es ist noch nicht hundertprozentig fix, aber es geht in die Richtung. Der Plan ist, dass ich in den Verein eingegliedert werde und dort eine Aufgabe übernehme, die mich erfüllen wird.