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Letsch: "Dann schreit niemand mehr nach früher"

Der Austria-Coach über Kritik an Matic, Austrias Identität und Leader im Kader.

Letsch: Foto: © GEPA

Seit fast neun Monaten ist Thomas Letsch Trainer des FK Austria Wien.

In dieser Zeit ist bei den Violetten kein Stein auf dem anderen geblieben – ein neuer Klub-Präsident, ein neuer Sportchef, ein Umbruch im Kader und die Rückkehr in die runderneuerte Generali-Arena.

Der Aufbruchsstimmung im Sommer sind die Veilchen bislang auf dem Feld jedoch noch nicht gerecht geworden. Der FAK kämpft um den Einzug in die Meister-Runde, schießt kaum Tore und kann spielerisch nicht überzeugen.

"Es ist ein Teufelskreis", sagt der 50-Jährige, wenn er auf die Automatismen im Offensivspiel angesprochen wird. "Es ist Fluch und Segen zugleich", sagt er, wenn es um taktische Flexibilität geht.

Im LAOLA1-Interview spricht Letsch auch über die Kritik an Matic, seine Wahrnehmung von schönem Fußball und die wenigen unzufriedenen Spieler.

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LAOLA1: Ich starte mal mit einer "anderen" Wahrheit: Die Austria hat nur vier Punkte Rückstand auf den LASK. Nach der Punkteteilung.

Thomas Letsch: (lacht) Es ist alles eng beisammen. Wir könnten mit der Punktzahl auch deutlich weiter hinten sein. So gesehen sind wir aber nach der Punkteteilung voll dabei. Aber es hat keinen Sinn, auf die anderen zu schauen, wir müssen auf uns schauen. Wir haben zu wenige Punkte.

"Jetzt zählen Reden und gute Trainingsleistungen nicht mehr, jetzt muss der Knoten platzen"

LAOLA1: Die Austria hat seit etwas mehr als 50 Tagen kein Meisterschaftsspiel mehr gewonnen. Wie schlägt sich das auf die Stimmung nieder?

Letsch: Jeder lechzt nach einem Sieg. Die Stimmung innerhalb der Mannschaft ist aber trotz der Tabellensituation sehr, sehr gut. Das stimmt uns alle positiv. Es gibt keine Probleme innerhalb der Mannschaft, keine Grüppchen, kein Gegeneinander. Es ist ein Miteinander. Aber jetzt zählen Reden und gute Trainingsleistungen nicht mehr, jetzt muss der Knoten platzen, jetzt müssen Ergebnisse her. Nicht ein Sieg, sondern Serien von Punkten.

LAOLA1: Was bereitet Ihnen am meisten Kopfzerbrechen?

Letsch: Eigentlich gar nichts. Wenn wir die Spiele so angehen wie gegen Salzburg, was Einstellung und Laufbereitschaft angeht – wobei das immer Grundvoraussetzung ist –, ist mir vor nichts angst und bange. Fakt ist, dass wir mutiger sein müssen. Wir sprechen immer davon, in die Spitze spielen zu wollen, ein gewisses Risiko gehen zu wollen, aber wir setzen es am Platz zu wenig um. Es nützt uns nichts, wenn wir viel Ballbesitz haben, aber nicht in die gefährliche Zone kommen. Da bin ich unzufrieden.

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(Artikel wird unter dem Video fortgesetzt)


LAOLA1: Liegt es daran, dass die Automatismen im Offensivspiel noch nicht greifen?

Letsch: Zum Teil sicher. Das hängt damit zusammen, dass wir eigentlich kein Spiel mit der gleichen Aufstellung gespielt haben – oft aus der Not heraus, weil Offensivspieler verletzt waren. Jeder Stürmer braucht das Selbstvertrauen, über einen längeren Zeitraum zu spielen. Die Zeit haben wir aber nicht, einem Stürmer mal fünf, sechs Spiele zu geben. Es ist ein Teufelskreis. Wir haben in der Länderspielpause auch ganz gezielt an einer Grundordnung gefeilt, um da Automatismen reinzubringen.

"Es war, als wir angetreten sind, auch von Seiten des Vereins gewünscht, dass wir eine gewisse taktische Flexibilität haben"

LAOLA1: Eine andere Erklärung wäre, dass der Austria die individuelle Klasse fehlt, um sich gegen intensiv verteidigende Mannschaften durchzusetzen. Vielleicht fehlen Spieler, die mit Einzelaktionen den Unterschied ausmachen.

Letsch: Am Schluss geht es schon auch darum, Eins-gegen-Eins-Situationen zu lösen, da spielt die individuelle Klasse eine Rolle. Entscheidend ist für mich die Risikobereitschaft. Von der Qualität bin ich überzeugt.

LAOLA1: Haben die Spieler Angst, etwas falsch zu machen?

Letsch: Ich hoffe nicht! Wir fordern es von den Spielern ein, Risiko zu nehmen. Ich bin keinem böse, wenn er im vorderen Bereich Risiko geht. Im hinteren Bereich sieht es ein bisschen anders aus, da würde ich mir ab und zu wünschen, dass wir weniger Risiko gehen.

LAOLA1: Sie haben in der bisherigen Saison sehr viel probiert – eine Dreierkette gegen St. Pölten, drei Stürmer gegen die Admira, Uros Matic als Linksverteidiger in der zweiten Hälfte gegen Sturm. Ist diese Experimentierfreude bewusst oder eher aus der Not geboren?

Letsch: Ein paar Dinge sind aus der Not geboren. Matic als Linksverteidiger war der Situation geschuldet. Die Variante mit der Dreierkette ist immer interessant. Es war, als wir angetreten sind, auch von Seiten des Vereins gewünscht, dass wir eine gewisse taktische Flexibilität haben. Es ist Fluch und Segen zugleich – einerseits ist es wichtig, flexibel zu sein, andererseits tut es uns in der aktuellen Situation gut, bei einer Systematik zu bleiben. Wir werden bis zur Winterpause nicht mehr so viel variieren.

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LAOLA1: Woran liegt es, dass Matic in dieser Saison noch nicht dort ist, wo man ihn in Österreich kennt?

Letsch: Er wird oft schlechter gemacht, als er eigentlich ist. Man vergleicht ihn immer mit dem Matic von Sturm – da ist ihm in einem halben Jahr alles aufgegangen. Wir sind mit ihm zufrieden, aber er hat sein Potenzial sicher noch nicht zu 100 Prozent ausgeschöpft. Er stellt sich voll in den Dienst der Mannschaft, hat eine hohe soziale Kompetenz, hält den Laden zusammen. In der Raute, wo er zu Beginn auf der linken Position spielen musste, hat er sich dann recht gut zurechtgefunden. Durch die Verletzung von Alex Grünwald muss er noch mehr in die Verantwortung rein.

LAOLA1: Hat die Austria genug Leadertypen, wenn Grünwald ausfällt?

Letsch: Diese klassischen Leader gibt es immer weniger.

LAOLA1: Oder sie sind schon weg aus Österreich, wenn sie in das Alter kommen, in dem sie eine Gruppe führen könnten.

Letsch: Fakt ist, wir haben mit Grünwald einen Spieler, der eine Führungsrolle einnehmen soll. Madl und Klein sind Spieler, die diese Rolle auch annehmen. Jeggo halte ich absolut für einen Typen, der Verantwortung übernehmen soll. Ebner ist auf seine, auf eine ganz andere Art ein Leader. In einer Situation, in der es nicht so läuft, ist das immer schwieriger. Die genannten Spieler übernehmen Verantwortung, auch bei internen Dingen. Aber es ist nicht der dabei, der auf dem Platz mal ein Zeichen setzt und die Mannschaft mitreißt. Das muss gar nicht einer alleine sein, das sollte auf mehrere Schultern verteilt werden.

"Der schöne Fußball ist nicht automatisch der Fußball, wo es über 29 Stationen geht und dann kommt man zum Torerfolg"

LAOLA1: Mir fallen im aktuellen Kader kaum unglückliche oder unzufriedene Spieler ein. Venuto wahrscheinlich, eventuell Ewandro. Aber vom Gefühl her gibt es kaum Spieler, die der Meinung sind, zu wenig zu spielen, oder?

Letsch: Ich hoffe, jeder Spieler, der nicht von Anfang an spielt, ist sauer. Tatsächlich hat sich der Kader in den letzten Spielen immer von alleine ergeben. Es ist schön und angenehm, wenn keiner sauer ist, aber mir wäre es lieber, sie haben alle einen Hals, weil sie nicht im Kader sind, und dadurch steigern sich Konkurrenz und Qualität. Martschinko, Madl und Turgeman sind wieder voll im Mannschaftstraining, die Konkurrenzsituation wird deutlich besser.

LAOLA1: Braucht die Austria im Winter neue Spieler?

Letsch: Sie braucht keine neuen Spieler, aber sie wird logischerweise die Augen offen halten. Wir sind nicht aktiv auf der Suche, wenn, dann wird leicht nachjustiert.

LAOLA1: Nehmen wir mal an, ein Austria-Fan hat ein Jahr in Australien verbracht, hat in dieser Zeit kein Spiel gesehen, und kommt jetzt zurück. Wie würden Sie ihm die Identität der Austria beschreiben? Wofür steht die Austria auf dem Feld?

Letsch: Wir haben diese Thematik vor kurzem erst diskutiert, für welchen Stil die Austria steht. Oscar Garcia hat mal gesagt: "Am Schluss geht es darum, Spiele zu gewinnen." Im Idealfall gewinnt man Spiele und spielt dabei noch attraktiv Fußball. Der Anspruch und Stil, den die Austria hat, ist nicht mehr vergleichbar mit früher. Der schöne Fußball ist nicht automatisch der Fußball, wo es über 29 Stationen geht und dann kommt man zum Torerfolg. Schöner Fußball kann auch anders sein. Mir ist wichtig, dass wir schnell und einfach in die Spitze spielen, dass wir riskant nach vorne spielen. Ich war nie ein Trainer, der rein über den Ballbesitz kam, habe das Spiel gegen den Ball forciert. Aber natürlich müssen wir uns, wenn der Gegner tief steht, damit beschäftigen, welche Lösungen wir im eigenen Ballbesitz haben. Mir schwebt das Motto "Anspruch und Stil" gepaart mit "Leidenschaft und Erfolg" vor. Dass wir das noch nicht erreicht haben, ist keine Frage.

"Die Fans wollen ja auch nicht, dass wir den Ball 150 Mal querspielen"
Foto: © GEPA

LAOLA1: Wie schwer ist es, dem Fan, der am Wochenende ins Stadion geht, zu vermitteln, dass das schöne Spiel nicht mehr zwingend das Wiener Scheiberlspiel mit einem Schnörkel hier und einem Schnörkel da ist?

Letsch: Wenn er sieht, dass eine Mannschaft auf dem Platz steht, die Vollgas gibt und gewinnt, ist es einfach, ihm das zu vermitteln. Jeder hat gesehen, dass sich der Fußball verändert hat. Die Fans wollen ja auch nicht, dass wir den Ball 150 Mal querspielen, sie wollen ja, dass wir vorne reinkommen. Wenn der Funke von uns auf die Fans überspringt, ist das das beste Argument. Dann schreit auch niemand danach, wie schön es früher war.

LAOLA1: Wie ist es Ihnen nach diesem WAC-Spiel gegangen?

Letsch: Wenn die Stimmung auf der Tribüne kippt, lässt einen das nicht kalt. Ich habe mir Gedanken gemacht, welche Schlüsse ich daraus ziehe, was wir verändern könnten. Mir ging es ein paar Stunden nicht so gut, dann kam das Kämpferherz. Ich habe den Ehrgeiz, alle davon zu überzeugen, dass wir auf einem guten Weg sind.

LAOLA1: Hatten Sie in dieser Woche zwischen dem WAC- und dem Salzburg-Spiel irgendwann das Gefühl, dass es für Sie persönlich eng werden könnte?

Letsch: Eigentlich nicht. Es nützt mir nichts, mich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Seitens des Vereins habe ich sehr viel Rückendeckung erfahren, logischerweise haben wir uns auch intern kritisch mit der Situation auseinandergesetzt, das gehört ja dazu. Ich lese aktuell auch relativ wenige Medien, sondern versuche, mich mit den Dingen zu beschäftigen, die mir weiterhelfen.

"Es darf nicht sein, dass wir in mehreren Statistiken im Moment nicht vorne stehen"

LAOLA1: Für mein Gefühl war die Herangehensweise gegen Salzburg von der Aufstellung und der Ausrichtung her sehr pragmatisch. Ich hatte das Gefühl, die Mannschaft war so eingestellt, dass es ziemlich klar ist, dass Salzburg da nicht drüberfahren wird, dass ein Sieg der Austria aber auch sehr, sehr unwahrscheinlich ist. Sie widersprechen mir da sicher.

Letsch: Interessant war, dass jeder diese Aufstellung in einer anderen Systematik gedeutet hat. Es war eine Aufstellung wie bisher, lediglich die Stürmer haben sich anders verhalten. Friesenbichler ist kurzfristig ausgefallen, die Alternativen waren nicht so groß. So gesehen hatten wir eine Änderung: Demaku hat gespielt. In unserer Situation wäre es völlig falsch gewesen, da vorne draufzugehen. Wir wollten es kompakt halten. Wir hatten eine Situation, in der wir Zwei gegen Eins aufs Tor laufen, wenn sich Sax den Ball besser mitnimmt. Und man hätte einen Elfmeter pfeifen müssen, als Venuto gefoult wurde. Dann gewinnen wir 1:0 und jeder sagt: "Das war top!" Wenn das Spiel 0:0 ausgeht, wäre das auch eine klasse Geschichte gewesen. Wir haben verloren, also haben wir etwas falsch gemacht. Aber wir wollten das Spiel gewinnen!

LAOLA1: Die Austria hat sieben ihrer 16 Gegentore in der Schlussviertelstunde kassiert. Das sind 43,8 Prozent und somit der schlechteste Wert in der Liga.

Letsch: Das sollte uns nicht passieren. Es darf nicht sein, dass wir in mehreren Statistiken im Moment nicht vorne stehen, das Ziel muss sein, alle Statistiken im Laufe der Saison zu drehen. Der konditionelle Zustand ist für diese Statistik keine Erklärung, die Mannschaft ist extrem fit und hat in den meisten Spielen auch gezeigt, dass sie gegen Ende noch zulegen kann.

LAOLA1: Sie haben gegen Salzburg Niels Hahn eingewechselt, den jüngsten Spieler der bisherigen Bundesliga-Saison. Wie schwer ist es, junge Spieler einzubauen, zumal durch die Liga-Reform schon im Herbst eine ständige Drucksituation herrscht.

Letsch: Als ich letzte Saison gekommen bin, haben wir auch unbedingt Punkte gebraucht, Vesel Demaku hat sich reingespielt und Dominik Fitz hatte seine ersten Einsätze. Wir hatten jetzt viele Verletzte und keine Alternativen. Ich halte Hahn für ein großes Talent und werfe ihn dann auch rein. Jung oder alt ist da für mich nicht entscheidend. Wenn wir ihn bringen und wir verlieren, werden wir gefragt, ob es nicht zu früh ist, ihn einzubauen. Wenn wir gewinnen, sind wir die Könige. Wenn wir gewinnen, ist es nach außen hin auch leichter, die Jungen einzubauen. Wir haben das Glück, mit den Young Violets in der 2. Liga eine Plattform zu haben, wo die Jungs regelmäßig spielen. Hahn muss konstant dort spielen und dann auf einem Level sein, wo er uns hilft.

LAOLA1: Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung der Young Violets?

Letsch: Mir gefällt sehr gut, dass sehr viele ganz junge Spieler sukzessive zum Einsatz kommen. Es war klar, dass es eine schwere Saison wird, aber sie machen das ganz gut. Es geht darum, die Jungen früh an den Profi-Fußball heranzuführen, damit sie dann bereit sind.

LAOLA1: Admira, St. Pölten und Mattersburg sind die nächsten drei Gegner. Wieviele Punkte muss die Austria aus diesen Spielen holen? Heiko Vogel würde die Frage beantworten.

Letsch: Er hat das gemacht, ich werde es nicht machen. Ich denke derzeit nur an die Admira und dieses Spiel wollen wir unbedingt gewinnen.

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