Die Lage beim FC Wacker Innsbruck als angespannt zu bezeichnen, wäre eine klassische Untertreibung.
Der Aufsteiger ziert das Tabellenende, zuletzt setzte es drei Niederlagen in Folge, zwei Punkte fehlen auf den Vorletzten TSV Hartberg. Auch unter Neo-Coach Thomas Grumser, der Anfang März die Nachfolge von Karl Daxbacher angetreten hat, läuft es noch nicht rund. In den sechs Spielen unter seiner Ägide setzte es fünf Pleiten.
Im exklusiven Gespräch mit LAOLA1 erzählt der 39-jährige Tiroler, wie der Klassenerhalt geschafft werden kann, wie die Mannschaft mit dem laut Präsident Gerhard Stocker fehlenden Plan B umgeht und welche Trainer ihm in der Ausbildung Tipps gegeben haben, wie man am mit derartigen Druck-Situationen umgehen kann.
LAOLA1: Fangen wir mit einer kurzen Nachbetrachtung des Spiels gegen den SV Mattersburg an. Einen glücklichen Elfmeter bekommen, trotzdem nach zwei späten Gegentoren mit 1:3 verloren. Wie bitter ist diese Niederlage?
Thomas Grumser: Das war nach dem Spiel schon schwierig zu verdauen. Das hat schon wehgetan, vor allem, wenn man in der 90. und 94. Minute noch zwei Tore bekommt. Der Punkt wäre aufgrund unserer Leistung gerecht gewesen. Ist jetzt so. Wichtig ist aber, dass wir die Situation so wahrnehmen und annehmen, aber nicht akzeptieren. Am Sonntag war eine kurze Nachbetrachtung, ein lockeres Training, am Montag noch ein Training und der Fokus liegt schon wieder am Altach-Spiel.
LAOLA1: Der kommende Gegner SCR Altach hat einen guten Lauf aktuell. Mit welchen Mitteln will man die knacken?
Grumser: Die Spiele in dieser Quali-Runde sind alle so eng, das merkt man auch daran wie die Mannschaften agieren. Darunter leidet auch das spielerische Niveau, weil in jeder Partie sehr viel auf dem Spiel steht. Das wird gegen Altach nicht anders sein. Es werden wieder Kleinigkeiten entscheiden. Wir brauchen eine gute Leistung und müssen einfach versuchen, die Kleinigkeiten, die zuletzt nicht auf unserer Seite waren, wieder auf unsere Seite ziehen.
LAOLA1: Die Abwehrfehler ziehen sich schon durch die ganze Saison. Liegt das eher an den stetigen, teils erzwungenen, personellen Änderungen in der Abwehr oder fehlt es an Qualität und einem klaren Abwehrchef?
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Grumser: Wenn man da hinten drinnen steht, ist es ein Mix aus allem. Wir sind schon von der Qualität der Jungs überzeugt. Im Moment ist es für die Spieler einfach schwierig, mit einem klaren Kopf in die Spiele zu gehen. Es menschelt einfach, das ist auch normal. Jeder überlegt dann eine Spur mehr, als er es normal tun würde. Und das Überlegen sind dann die zwei, drei Sekunden, die ich zu lange am Ball bin. Das gipfelt dann in individuellen Fehlern. Es ist eher eine Kopfsache oder eine mentale Geschichte. Dass die Jungs die Qualität für die Liga haben, glauben wir auf alle Fälle.
LAOLA1: Abgesehen von den Defensiv-Problemen stellt der FC Wacker auch noch die mit Abstand harmloseste Offensive der Liga. Woran liegt das?
Grumser: Wie ich schon zuvor gesagt habe, wenn man hinten drin steht, ist es ein Mix aus allem. Wenn man stabil wäre, dann hätte man den einen oder anderen Punkt mehr. Ist man vorne richtig präsent, hat man auch den einen oder anderen Punkt mehr. Wir müssen das ganze Thema als ganze Mannschaft begreifen. Es beginnt vorne bei den drei Stürmern, die gegen den Ball richtig gut arbeiten müssen. Genauso ist es aber auch bei den Mittelfeldspielern, dass wir im Vorwärtsgang die Strafraumbesetzung hinbekommen, dass wir vorne Präsenz ausstrahlen, dass wir vorne einfach mit drei, vier Spielern auftauchen. Wir hatten auch gegen Mattersburg viele gute Möglichkeiten, wo wir gut in das letzte Drittel eindringen, über die Seite gut durchkommen, aber dann das letzte Zuspiel zu ungenau ist. Wie wir in das Spiel gehen, ist auch bezeichnend für die aktuelle Situation: Roman Kerschbaum schießt nach 30 Sekunden einen richtig guten Freistoß, aber so, dass ihn der Tormann noch halten kann, danach haben wir auch noch nach zwei Ecken gute Möglichkeiten. Wir wissen, dass wir vorne zu wenig Tore erzielen, können ja auch die Tabelle lesen. Wir können das nur gemeinsam schaffen, es bringt nichts, das an einem Spieler festzumachen.
LAOLA1: Um doch auf einen Spieler einzugehen: Muhammed Kiprit (Leihspieler von Hertha BSC, Anm.) wurde im Winter-Transferfenster geholt und von Sport-Vorstand Ali Hörtnagl in den höchsten Tönen gelobt. Zuletzt spielte er aber keine Rolle – war der Sprung ins Profi-Geschäft zu groß?
Die Aussagen Hörtnagls über Kiprit im Video:
(Interview wird unter dem Video fortgesetzt)
Grumser: Das ist schwierig zu sagen. Es gibt Jungs, die schon mit 17, 18 Jahren bereit sind, andere brauchen bis 19, 20. Bei Mo (Kiprit, Anm.) ist es so, dass er von einem großen Klub zu uns gekommen ist. Vielleicht hat er die ganze Situation gar nicht so wahrgenommen, wie sie ist. Wir sind jetzt mittendrin zu versuchen, die Liga zu halten, was wichtig ist, um die Struktur zu erhalten. Sprich die zweite Mannschaft in der 2. Liga zu haben. Die erste Mannschaft muss ihren Beitrag dazu leisten, indem wir die Liga halten. Der Mo war in einer Situation, in der er den nächsten Schritt machen wollte. Er ist im Training schon bemüht, aber wir haben vorne Qualitäts-Spieler und im Moment ist es schwierig, dort als Junger vorbeizukommen.
LAOLA1: Kommen wir zu dir als Trainer: Was ist dein grundsätzlich gewünschter Spielstil und wie gut hat das in den ersten sechs Spielen schon funktioniert?
Grumser: Grundsätzlich bin ich der Meinung, wenn man unter der Saison zu einer Mannschaft kommt, auch wenn es vereinsintern nachbesetzt wurde, muss man das mit den Jungs gemeinsam hinstellen. Es bringt nichts, wenn wir hingehen und sagen, so und so machen wir das und es sind viele Zweifel da. Es geht nur, wenn wir es gemeinsam tragen. Da haben wir versucht, dass die Jungs auch ein gutes Gefühl am Platz haben. Natürlich sind wir von ein paar Sachen überzeugt, dass wir aktiver sein müssen, dass wir aggressiver in die Duelle gehen müssen, die Duelle intensiver zu suchen und dadurch mehr Präsenz im Strafraum bringen und nicht nur zwei, drei Spieler angreifen. Gewisse Grundprinzipien, die unabhängig von System und Spielanlage sind, wollten wir haben. Gegen die Admira war unser schlechtestes Spiel bislang, da haben wir uns einfach richtig verunsichern lassen, auch von der Stimmung im eigenen Stadion. Das war ein richtig negativer Strudel.
LAOLA1: Du hast den Trainer-Wechsel während der Saison angesprochen. Meinen Informationen zufolge hat es schon vor der Winter-Pause zwischen Karl Daxbacher und der Mannschaft gekriselt. Auch wenn es schwierig ist, den Aufstiegs-Trainer zu entlassen – hätte man den Schritt früher wagen müssen und dir damit eine längere Vorbereitung ermöglichen?
Grumser: Das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann. Ich weiß auch nicht, ob es im Herbst schon gekriselt hat. Ich denke aber nicht, sonst wären auch die Ergebnisse vor allem hinten raus nicht so möglich gewesen. Die Frage stellt sich mir auch nicht, wir haben eine klare Aufgabe bei Wacker II gehabt, da mussten wir unsere komplette Energie reinsetzen und im Sinne des Vereins wünschen wir einfach jeder Mannschaft und jedem Trainer das Beste. Ich bin auch kein Freund davon zu denken, wenn es einem anderen schlecht geht, geht es mir gut.
LAOLA1: Was spricht für einen Klassenerhalt des FC Wacker? Man hört immer öfter, dass die einzige Rettung Hartberg sein kann.
Grumser: Auch hier ist es so, dass es uns nicht gut geht, wenn es einem anderen schlecht geht. Mit einem Sieg in Mattersburg hätten wir eine gute Position gehabt, das ist uns nicht gelungen. Allem Anschein nach wird es ein Zweikampf um den Liga-Erhalt. Hartberg hat auch eine schwierige Situation, wir nehmen das wahr, können auch die Ergebnisse lesen. Sie sind aber trotzdem noch zwei Punkte vor uns. Da ist es wichtig, dass wir auf uns schauen und uns nicht darauf verlassen, dass Hartberg auch Probleme hat.
LAOLA1: Du warst bis März Trainer von FC Wacker II, die ein bärenstarkes Frühjahr in der HPYBET 2. Liga spielen. Sollte man noch mehr Mut haben, junge Spieler in der Bundesliga zu bringen oder war beispielsweise der Fehler von Matthäus Taferner vor dem ersten Gegentor gegen Mattersburg etwas abschreckend?
Grumser: Das steuert sehr viel das Ergebnis. Wenn wir das Spiel gewinnen, war alles super, wir setzen auf die Jungen und die Jungen sind die Helden. Ich bin der Meinung, die Wahrheit liegt in der Mitte. Vor mir haben doch sehr wenige Junge gespielt, trotzdem haben wir die Situation, wie sie jetzt ist. Auf der anderen Seite bin ich auch kein Freund davon zu sagen, die Jungen müssen es jetzt richten. Mir ist wichtig, dass wir 40-45 Feldspieler haben und aus diesen Spielern versuchen wir einfach die beste Mischung für das Wochenende zu finden. Wenn bei uns drei, vier Verletzte sind, haben wir uns dazu entschieden, dass wir drei, vier hochnehmen, damit wir den Qualifikationsmodus für das Wochenende aufrechterhalten können. Denn wenn ich nur mit 16 Spielern trainiere, dann weiß jeder, dass er dabei ist. So wollen wir das nicht. Mich freut es einfach für das zweite Team, das neue Trainergespann führt die Arbeit super weiter. Ich möchte, dass die Dynamik so ist, wenn es sich ein Spieler verdient, muss er auch die Möglichkeit haben, sich in der Bundesliga zeigen zu dürfen. Ich bin ein großer Freund davon, dass man das als einen Kader in zwei Wettbewerben sieht und auch im Austausch ist.
LAOLA1: Präsident Gerhard Stocker hat im Gespräch mit LAOLA1 schon gesagt, dass es keinen Plan B beim FC Wacker Innsbruck gibt (Zum Interview>>>). Das hat er nun bei „Sky“ wiederholt. Wie sehr stören solche Aussagen des eigenen Präsidenten? Das muss ja als Spieler sehr beunruhigend sein, wenn der Chef so etwas sagt.
Grumser: Es ist von jedem das höchste Ziel und auch der eigene Anspruch nicht abzusteigen. Ich glaube, dass der Gerhard das in dem Zusammenhang gemeint hat, dass wir jetzt schon kämpfen müssen, auch wenn man die Liga hält, wie wir es schaffen, das Budget auszufinanzieren. Das sind aber Sachen, damit beschäftige ich mich nicht großartig. Meine Aufgabe ist das Sportliche. Natürlich versuchen wir den Jungs mitzugeben, dass es wichtig ist, dass wir die Liga halten. Das ist ja kein utopisches Ziel. Wie es der Gerhard gesagt hat und was er damit genau meint, braucht uns nicht großartig zu beschäftigen, auch weil es uns nicht hilft. Es laufen viele Verträge aus. Wir haben versucht, bei vielen Spielern Klarheit reinzubringen, ich hoffe, dass das ein bisschen geholfen hat.
LAOLA1: Letzte Woche warst du unter der Woche beim UEFA-Pro-Lizenz-Kurs. Stört es die Spielvorbereitung, dass du immer wieder weg musst?
Grumser: Man muss es akzeptieren, optimal ist es nicht. Der Verein hat über die Situation Bescheid gewusst. Ich habe im Februar 2018 begonnen, diesen Weg einzuschlagen. Im Oktober schließe ich den Kurs dann ab. Es ist einfach Voraussetzung als Bundesliga-Coach, dass man die UEFA Pro Lizenz hat. Es ist alles andere als optimal. Es war aber auch so, dass die Ausbildungsleiter es mir ermöglicht haben, dass ich einen Tag früher heim kann. Die Ausbildung hat einen Wert und dementsprechend ist sie durchzuziehen. Ich bin auch froh, dass ich die Ausbildung nützen darf, weil sie einen sehr großen Mehrwert hat. Im Mai gibt es noch ein kurzes Modul und dann beginnt eigentlich eh schon die nächste Saison.
LAOLA1: Im Zuge deiner Pro-Lizenz-Ausbildung hast du auch bei der russischen Nationalmannschaft mit Trainer Stanislav Tschertschessow hospitiert. Den kennst du auch noch aus gemeinsamen Zeiten beim FC Tirol. Ist das jemand, den du um Rat fragen kannst, wie er in dieser schwierigen sportlichen Situation umgehen würde?
Grumser: Nein, das passiert nicht. Ich habe den Stani gebeten, beim Trainingslager in Tirol das eine oder andere Training zu beobachten und das hat er mir ermöglicht. Wir haben auch über die ganze Weltmeisterschaft im Nachhinein gesprochen, wie er das wahrgenommen hat und wie er mit der Drucksituation umgegangen ist. Das war auch eine große Erwartungshaltung, die nicht so einfach ist. Das ist natürlich noch einmal um einiges größer als in der österreichischen Bundesliga. Ich war auch bei Markus Anfang beim 1. FC Köln hospitieren. Auch dort ist es ein sehr großer Verein, zweite Liga, große Erwartungshaltung – wie gehen die damit um? Da findet jeder Trainer seinen eigenen Zugang und dementsprechend versuchen wir für unsere Situation die richtigen Lösungen zu finden.
LAOLA1: Sprich, du schaust dir an, wie die anderen damit umgehen und findest deinen eigenen Mittelweg?
Grumser: Das ist wichtig. Es bringt nichts, wenn man von jemand anderen die Lösung eins zu eins kopiert. Man muss seinen eigenen Weg haben und auch finden. Aber immer mit dem Bewusstsein, dass ich ein Leben lang dazulernen muss und will und man immer die Augen offen haben sollte, da man gute Impulse bekommen kann.