Österreichs Schiedsrichter mussten in der abgelaufenen Saison häufig Hohn und Spott der Fans über sich ergehen lassen.
Stöbert man in den (A-)Sozialen Medien und in Internetforen, bekommt man rasch den Eindruck, dass die Referees für manche Fußballbegeisterte noch mehr als ohnehin zum Roten Tuch geworden sind.
Am Donnerstag wurde Walter Altmann in Wien als bester Bundesliga-Referee der Saison ausgezeichnet ("Eine ganz besondere Auszeichnung"). Auch der Tiroler kennt das Gefühl, als Feindbild wahrgenommen zu werden.
Immerhin sei es aber so, dass man im Stadion vieles gar nicht mitbekommt, weil man so sehr auf das Spiel fokussiert ist, schildert er im Gespräch mit LAOLA1. "Sollte man es doch einmal hören, geht es da rein und da raus", erklärt er seinen Umgang damit, wenn Tausende wegen eines aus ihrer Sicht falschen Pfiffes ein gellendes Pfeifkonzert loslassen.
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Die Geschehnisse trage er aber danach nicht mit sich herum, hält er fest. "Was im Stadion passiert, belastet mich danach überhaupt nicht", so Altmann. Was aber nicht bedeutet, dass deswegen alles eitel Wonne ist.
"Natürlich ist es unnötig"
Denn wenn fast ein ganzes Stadion seinen Unmut gen Referee richtet, ist das alles andere als angenehm. Dazu kommen nicht selten Schmähgesänge von den Rängen, gepaart mit wüsten Beschimpfungen durch Einzelne.
Es bedarf keiner näheren Erläuterung, warum dies ein völlig überflüssiges und noch dazu sinnbefreites Verhalten ist. Altmann wirkt darauf angesprochen verständnisvoll für die Emotionen der Zuschauer, nicht aber dafür, wie diese zum Ausdruck gelangen.
"Natürlich ist es unnötig. Warum muss man auf jemanden draufhauen? Auf die eigenen Spieler haut man ja auch nicht drauf", wundert er sich. "Warum also muss man auf einen Schiedsrichter draufhauen? Ich verstehe das eigentlich grundsätzlich nicht", so der Tiroler.
Darf's ein bisserl mehr Verständnis sein?
Tatsächlich scheint es bei so manchem Anhänger auf der Tribüne durchaus angebracht, daran zu erinnern, dass die Unparteiischen auch nur versuchen, ihre beste Leistung zu bringen, nicht anders als die Kicker rund um sie. Und dies bitte unabhängig vom Niveau der heimischen Schiedsrichter, dann darüber darf und soll tatsächlich diskutiert werden. Das ist aber kein Grund und schon gar kein Persilschein für Fans, teils dermaßen die Contenance zu verlieren.
"Ich bin der gleiche Mensch, wie auch jeder Fußballer ein Mensch ist."
"Ich bin der gleiche Mensch, wie auch jeder Fußballer ein Mensch ist", hält Altmann fest. Und Fans sowie Akteure auf dem Platz eint ja letztlich, dass sie allesamt Freunde des runden Leders sind. Ein wenig mehr Verständnis würde also helfen.
"Ich glaube, jeder Mensch darf Fehler machen und die Fans, die hineinschreien, werden in ihrem Leben auch Fehler machen", zieht Altmann eine treffende Parallele. "Wenn sie das ein bisschen neutraler sehen würden, wäre das (mit den Schmähungen, Anm.) vielleicht ein bisschen weniger", meint er.
So wird sich das Schiri-Problem nicht lösen
Etwas Mäßigung würde nämlich auch auf ein anderes Thema einzahlen. Bevor man als Fan auf der Tribüne dem Schiedsrichter luftbefreite Autoreifen wünscht, sollte man sich vielleicht in Erinnerung rufen, dass es nicht selbstverständlich ist, in jedem Spiel einen Schiedsrichter zu haben. Semi-freundliche Gesten und Beleidigungen tragen nämlich nur wenig zur Attraktivierung der Referee-Tätigkeit bei.
Blickt man ins Unterhaus, offenbart sich dies teils in erschreckender Deutlichkeit.
Denn es herrscht ein reger Mangel an Schiedsrichtern, Kolleginnen und Kollegen müssten oft mehrere Spiele an einem Wochenende pfeifen, wie Altmann erläutert. "Da gilt es wirklich, einen großen Fokus darauf zu legen, dass man die Schiedsrichteranzahl wieder erhöht", sagt er. Im Referee-Departement des ÖFB gibt es dafür eine Abteilung, die sich dieser Problemstellung widmet. "Und das ist auch sehr wichtig", hält Altmann fest.
Der Blick über den Tellerrand als Tor zur Schiedsrichterei
Mit dem Tiroler hat man einen recht hoffnungsvollen Kandidaten in seinen Reihen, der aber ebenso wie viele seiner Kolleg:innen eher durch glückliche Umstände zur Schiedsrichterei kam.
"Ich bin nicht in der Früh aufgestanden und habe gesagt: 'Ich möchte jetzt Schiedsrichter werden'. Fußball hat eine extreme Bandbreite und ich interessiere mich generell dafür", erklärt er.
Altmann ist viel mehr ein Fußball-Freund, der bis vor gar nicht so langer Zeit selbst aktiv kickte und schon in jungen Jahren über den Tellerrand blickte. "Mit 19 bin ich mit meinem besten Freund zusammengesessen und habe mir dann überlegt, was man im Fußball noch so alles machen kann, außer Fußball zu spielen. Wir haben dann als Trainer begonnen und gleichzeitig auch den Schiedsrichterkurs gemacht", geht er auf seinen Weg zum "Mann in Schwarz" ein.
Ein schneller Aufstieg
Schon nach sechs Jahren stand Altmann erstmals in der Bundesliga an der Seitenlinie. "So ist der Weg dann für mich weitergegangen und ich habe mich dann voll darauf fokussiert" - gekrönt zuletzt vom Spiel zwischen Deutschland und der Ukraine, das er in gewohnt ruhiger Manier im Nürnberger Max-Morlock-Stadion leiten durfte.
Die heimischen Referees haben Aufholbedarf, das hat die abgelaufene Saison gezeigt. Allesamt sind sie aber keine Profis, wie die Kicker neben ihnen auf dem Platz, sondern nebenher berufstätig. Altmann etwa arbeitet beim Roten Kreuz in der Finanzabteilung.
Der ausgebildete Notfall-Sanitäter kennt stressige Situationen also nur zu gut - keine schlechte Voraussetzung für einen Referee und ein weiterer Baustein jenes Fundaments, auf dem seine ruhige Spielleitung fußt.