Noch nie hat eine Mannschaft nach einem sieglosen Herbst den Abstieg aus der österreichischen Fußball-Bundesliga abwenden können.
Andreas Heraf ist angetreten, mit Austria Lustenau Historisches zu schaffen und das abgeschlagene Schlusslicht in den 15 ausstehenden Partien zum Klassenerhalt zu führen. Die Punkteteilung nach den Spielen am 10. März macht die Sache im Vergleich zu Neusiedl/See 1983, dem SAK 1985 und Vorwärts Steyr 1995 aussichtsreicher.
"Es gibt keinen Grund, nicht daran zu glauben"
Kein Sieg, nur drei Remis in 17 Spielen, acht Punkte Rückstand auf WSG Tirol, die wenigsten Tore erzielt (8), die meisten Gegentore erhalten (40) – die Zahlen der Lustenauer Herbstsaison sind ernüchternd.
Heraf hat die Aufgabe dennoch gereizt, er wechselte kurz vor Weihnachten vom benachbarten Zweitligisten SW Bregenz. Er sieht die Lage nichts aussichtslos. "Anhand der Zahlen kann man auf wenig aufbauen, aber anhand von Positionen und Spielern. Viele hatten ja sehr gute Saisonen mit sicherem Klassenerhalt. Sie haben das nicht verlernt, da ist ein Grundstock da", erklärte der Wiener im Gespräch mit der APA – Austria Presse Agentur.
Schwierig sei es aber, aus einer Negativspirale wie im Herbst herauszukommen. Das soll mit neuem Trainer und einigen personellen Änderungen gelingen. Die Stimmung beim Start der Vorbereitung sei "nicht so schlecht" gewesen.
"Die Spieler waren nicht komplett am Boden, sind motiviert, geben vom ersten Tag an Vollgas. Die Mannschaft weiß, wir haben noch genug Spiele, um das zu drehen. Es gibt keinen Grund, nicht daran zu glauben, und so präsentiert sie sich", sagte Heraf.
Die Situation ist nicht neu
Der 56-Jährige spricht aus Erfahrung. Ähnlich, wenn auch nicht so miserabel, war die Situation in Ried, als er im März 2021 das Amt übernommen hatte und die Innviertler sicher zum Klassenerhalt führte. "Es ist keine Garantie, dass es wieder funktioniert, aber ich weiß, worauf es ankommt, und werde das der Mannschaft mitgeben", betonte er.
"Ich habe versucht, die Mannschaft darauf zu fokussieren, dass wir nichts mehr zu verlieren haben. Die Jungs haben Lunte gerochen, wollen es allen zeigen", so Heraf, der mit Matheus Lins, Leo Mikic, Luca Meisl, Paterson Chato und Nico Gorzel neue Spieler bekommen hat, die er schon kennt. Denn viel Eingewöhnungszeit gibt es in Lustenau heuer nicht.
Baustellen gibt es hinten und vorne, an beiden wird intensiv gearbeitet. "Wer mich kennt, weiß, dass ich großen Wert auf die Defensive lege, mit 40 Gegentoren kann ich mich nicht anfreunden. Die Defensive zu stabilisieren, gut gegen den Ball zu arbeiten, das hat im Training und in den Testspielen gut ausgeschaut. Viel schwieriger ist es, Tore zu schießen, das ist der weitaus größere Schritt", meinte Heraf.
Die erste Chance auf Punkte
Viel Rückenwind für das schwierige Unterfangen können sich die Lustenauer gleich bei seinem Debüt holen. Die Vorarlberger gastieren am Sonntag (14.30 Uhr, LIVE-Ticker >>>) bei der WSG, könnten mit einem Sieg den Rückstand auf fünf Punkte reduzieren und nach der Punkteteilung den Anschluss finden.
"Auf das erste Match brennt jeder, in diesem Fall noch dazu gegen einen direkten Gegner. Aber ich hoffe, dass es nicht nur die WSG ist, die gegen uns um den Klassenerhalt spielt, ich würde auch gerne Altach und Blau-Weiß Linz mit in die Verlosung nehmen", sagte Heraf.
Doch er baut vor der Reise nach Innsbruck auch vor. "Man kann auch verlieren. Wenn wir verlieren sollten, ist auch noch nicht alles vorbei. Wir müssen einen ruhigen Kopf bewahren. Aber ich würde natürlich gerne gewinnen, gleich im ersten Spiel eine Punkteverkürzung wäre cool."
"Schwierig – aber nicht aussichtslos"
Dieselbe Mischung aus realistischer Einschätzung der Lage und Hoffnung auf ein Happy End wie sein Trainer legt Sportkoordinator Alexander Schneider an den Tag.
"Wir haben ein bisschen am Kader schrauben müssen und hoffen, dass das Früchte trägt. Wir wissen, dass die Situation schwierig ist, aber auf keinen Fall unmöglich oder aussichtslos. Wir werden den Weg, den wir die letzten dreieinhalb Jahre hatten, ein bisschen verlassen. Jetzt ordnen wir alles dem Klassenerhalt unter", stellte Schneider im APA-Gespräch klar.
Heraf habe "einen klaren Plan", ist Schneider überzeugt. Und er hat auch schon Erfolge in Vorarlberg vorzuweisen. Lustenau war für den einstigen Mittelfeldspieler von Mai 2003 bis Juni 2005 die erste Station als Cheftrainer eines Profiklubs. Bregenz führte er zuletzt aus der vierten in die zweite Liga und als Aufsteiger im Herbst auf Rang drei.
Die letzten zwölf Monate waren "eine brutal schöne Zeit, 2023 war unfassbar. Jetzt habe ich eine neue Aufgabe und würde mich freuen, wenn es gleich so erfolgreich weiter geht", erklärte Heraf.