Auch dieser Herbst in der österreichischen Bundesliga war geprägt von vielen Schiedsrichter-Diskussionen.
Trotz der Einführung des VAR zu Saisonbeginn hagelte es von Trainerseite - manchmal zurecht - so viel Kritik an den Referees wie lange nicht. Dies blieb auch Offiziellen selbst nicht verborgen, nun äußert sich mit Bundesliga-Schiedsrichter Christian-Petru Ciochirca ein Insider offen und kritisch zur aktuellen Lage im österreichischen Schiedsrichterwesen.
"Man muss sich auf kurz oder lang überlegen, ob wir nicht professioneller werden wollen. Dafür braucht es natürlich auch eine finanzielle Absicherung. Es ist kaum möglich, am Wochenende eine Top-Leistung zu bringen, wenn man am Freitag noch an 17 Meetings denkt. Daher schwanken die Leistungen auch so stark", so Ciochirca in einem Interview mit dem "Kicker".
Ciochirca ist einer von sieben FIFA-Schiedsrichtern in Österreich, einen Profi-Referee gibt es in Österreich nicht. Für den 32-jährigen, hauptberuflichen Dolmetscher ist das schwer zu verstehen: "In beiden Jobs tätig zu sein, raubt viel Energie. Irgendwann geht dir die Luft aus. Man hinterfragt das schon."
Schweizer Modell als Vorbild?
Der in Bukarest geborene Österreicher hat auch einen Lösungsvorschlag parat, wie es in der Bundesliga künftig besser laufen könnte: "Ich finde das Schweizer Modell gut. Da bekommst du ein Brutto-Fixum von 6.500 Franken (ca. 6.250 Euro, Anm.) für zwei Spiele im Monat. Solltest du dich verletzen, bleibt dir dieses Gehalt. Wenn du mehr Partien pfeifst oder VAR bist, bekommst du am Ende des Jahres eine Bonuszahlung. So hast du eine Planungssicherheit."
Laut einem Bericht der "Heute" vom August 2021 bekommen österreichische Bundesliga-Schiedsrichter brutto 1.350 Euro pro Spiel, die Assistenten 675 Euro, der VAR 810 Euro und dessen Assistent 405 Euro. Bei verletzungsbedingten Ausfällen gibt es allerdings keinen Cent.
Für Ciochirca ein großes Problem: "In Österreich haben wir bereits sehr gute Spielgebühren. Wir müssen aber bei den Rahmenbedingungen und auch bei Absicherungen im Falle einer Verletzung noch nachholen."
Die Diskrepanz zwischen den beiden Alpen-Republiken im Händeln der Schiedsrichterentlohnung ist auch deshalb nur schwer zu verstehen, weil die österreichische Bundesliga die Schweizer Super League sportlich mittlerweile um Längen überholt hat. In der aktuellen 5-Jahreswertung belegt Österreich Rang acht, die Schweiz "nur" Platz 14.
Professionalisierung des Schiedsrichterwesens? "Anders wird es nicht gehen"
Deswegen gibt es für den Jung-Schiedsrichter, dessen großen Ziel es ist, bei den UEFA-Hauptbewerben zum Einsatz zu kommen - momentan hält er bei zwei gepfiffenen Youth-League-Spielen, zwei Europa-Conference-League-Quali-Partien und einem Vorrunden-Qualifikationsmatch der Europa League - nur eine Lösung: Die Professionalisierung des österreichischen Schiedsrichterwesens. "Anders wird es nicht gehen", sagt Ciochirca.
Doch nicht nur im österreichischen Oberhaus läuft im Schiedsrichterwesen nicht alles nach Wunsch, auch in den unterklassigen Ligen gibt es viele Baustellen. So werden Spiele im regionalen Bereich zumeist von klubeigenen Funktionären geleitet, auf ehrenamtlicher Basis versteht sich. Ciochirca dazu: "Man muss sich ernsthaft überlegen, ob das noch zeitgemäß ist."