Am Wochenende sah man Bundesliga-Spiele so, wie man es gar nicht gerne hat: Ohne Zuschauer, ohne Stimmung und ohne zusätzliche Einnahmen für die Klubs.
Die Corona-Verschärfungen und die Situation im Allgemeinen lassen alle in Ungewissheit zurück. Planungen über einen längeren Zeitraum sind fast unmöglich, Prognosen nicht sinnführend - zu viele Parameter sind offen.
Schon in den vergangenen Wochen und Monaten rückten einige Klubs näher zusammen, vor allem Rapid und Austria zeigten sich ungewohnt geeint, um die besten Lösungen für die Wiener Klubs aber auch die Bundesliga im Allgemeinen zu treffen - auch bei "Talk und Tore" von "Sky".
"Grundsätzlich ist es sehr ähnlich, wo die Finanzierung des Klubs und der Nachwuchsabteilung, des Behinderten-Fußballs und Frauen-Fußballs über das Ticketing und Sponsoring läuft. Bei uns geht es ein bisschen mehr übers Sponsoring als bei Rapid mit dem Ticketing. Aber es ist sehr vergleichbar bei Rapid und Austria. Deshalb sind beide sehr von der Pandemie betroffen", stellt der Vorstandsvorsitzende der Austria und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Bundesliga, Markus Kraetschmer, klar.
Sein Gegenüber, Rapid-Präsident Martin Bruckner, leidet ebenfalls unter den aktuellen Vorgaben und Einschränkungen durch die Pandemie. "Die Situation ist existenzbedrohend, weil wir ein Geschäftsmodell haben, das über 50 Prozent der Einnahmen am Spieltag lukriert. Wenn keine 25.000 Zuschauer im Stadion sind sondern keiner, bricht mir diese Ertragsecke weg. Je länger die Krise dauert, desto schlimmer ist es. Das ist ein Problem, das wir nicht nur in Österreich haben."
Die fehlende Perspektive könnte ein Impfstoff verändern. Aber prinziell ist es für die Vereine ein Fischen im Trüben. Ziel müsse es sein, alle Bundesliga-Klubs über die Saison zu retten. Doch es geht auch darum, Fans nicht auf lange Sicht zu verlieren oder gar Top-Talente wie Yusuf Demir verkaufen zu müssen, nur um den finanziellen Kollaps zu vermeiden.
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
"Keine Klarheit" und "fehlende Perspektive"
Nicht nur Klubs wie Rapid und Austria jammern unter den derzeitigen Bedingungen. Schließlich habe man alles getan und über Monate ein Präventionskonzept ausgearbeitet, dass mit Beschränkungen auf 10.000, dann 3.000, 1.500 bis hin zu Geisterspielen ständig zu adaptieren war.
"Diese Säule der Zuschauer vor Ort ist einfach eine Wichtige", verweist Bruckner auch auf einbrechende Zahlen bei Großklubs wie Borussia Dortmund oder FC Barcelona. "Die trifft uns natürlich. Es ist eine schwere Prüfung durch die der gesamte Profisport geht. Wir spüren das natürlich. Je länger es dauert, desto schwieriger wird die Situation. Aber es ist für uns alle eine völlig neue Situation, mit der wir eigentlich im Doing gelernt haben umzugehen und wir sehr stark hoffen, dass uns jede Form der Impfung oder Testung die Zuschauer wieder ins Stadion zurückbringt, weil wir wissen, dass sie ins Stadion wollen und wir wollen das ermöglichen."
"Das große Problem war, dass keine Klarheit da war, auch in der Kommunikation, was wir dürfen. Es gab andauernd Veränderungen," spielt Kraetschmer darauf an, dass Budgetplanungen für Klubs aber auch die Partner die Situation erschwerten. "Die fehlende Perspektive war tagtäglich die Herausforderung."
Die Weiterführung der Bundesliga ohne Fans ist ein zweischneidiges Schwert. Zum einen betont Kraetschmer wie wichtig es sei, dadurch einen Teil der Verpflichtungen gegenüber den Sponsoren und TV-Partnern zu erfüllen. Zum anderen ist dadurch in der aktuellen Situation ein Minusgeschäft vorprogrammiert.
"Von der ersten Minute an ein Verlustgeschäft"
Als Fan-Magnet besonders darunter leidet der SK Rapid, aber die Probleme erstrecken sich über ganz Österreich. SCR-Boss Bruckner glaubt nicht, dass in diesem Jahr noch Fans ins Stadion dürfen.
"Wenn das Stadion geöffnet wird, ist es von der ersten Minute an ein Verlustgeschäft", erklärt dieser, bezugnehmend auf einen Riesenapparat und logischisten Aufwand, der alle zwei Wochen bei einem Rapid-Heimspiel abgespult wird. Dieser beginne bei der Gastro, die eine Woche vorher Bestellungen tätigt und vorkocht bis zum Highlight des Matchtags selbst.
Auf Dauer wird es ohne Fans nicht gut gehen können, bestätigt auch Kraetschmer, der es zumindest als Erfolg wertet, dass der eigens eingerichtete Sportligen-Fonds bis Jahresende national Verluste abfedern kann.
International schauen Teams wie Rapid aber durch die Finger. Zwar könne man sich in der Europa-League-Gruppenphase Prämien erspielen, trotzdem hat man Verluste an den Spieltagen, die in diesem Fall durch keinen Fonds abgefangen werden.
"Mit unserer Gruppe (Arsenal, Molde, Dundalk) hätten wir alle Dreier-Abos ausverkauft und reden von fast einer Million Euro pro Spiel. In einem normalen Jahr sind das mindestens drei Millionen mehr Einnahmen", betont Bruckner. "Da wir fast immer in einer Gruppenphase spielen, ist das in unseren Planungen drin."
Überleben aller Bundesliga-Klubs steht an erster Stelle
Die Planungen laufen zudem bei Wirtschaftsunternehmen, wie es die großen Vereine sind, über Jahre im voraus. In der aktuellen Situation "musst du die Parameter annehmen, aber wenn die wegfallen, ist das das Schwierige. Wir können nicht so schnell adaptieren, wie die Einnahmen wegbrechen", streicht der Rapid-Präsident hervor.
Das Überleben steht für jeden einzelnen Klub im Vordergrund. Grundsätzlich sei es aber besonders wichtig für die Bundesliga, dass keiner während der Saison wegbricht.
Kraetschmer meint als Aufsichtsrat der Bundesliga: "Das ist eine der wichtigsten Aufgaben, dass die Meisterschaft mit so vielen Klubs beendet wird, mit denen sie auch gestartet wurde. Wir haben im Sommer das Riesenglück gehabt, dass das Mattersburg-Thema in der Sommerpause passiert ist, weil, wenn das unter der Saison passiert, schaut die Welt anders aus. Können wir unsere TV-Verträge erfüllen? Können wir andere Liga-Verträge erfüllen? Es geht auch um die Glaubwürdigkeit des ganzen Produkts."
Das Lizenzierungs-Verfahren wurde in diesem Jahr dementsprechend angepasst und Kraetschmer sieht bisher alle Teams auf Kurs, um dieses Ziel auch zu erreichen. Jeder müsse für sich jedoch Veränderungen in Kauf nehmen.
Muss Rapid Millionenangebot für Demir annehmen?
So können prognostizierte Einbrüche um 20 bis 30 Prozent am Transfer- oder Sponsormarkt die Vereine zum Handeln zwingen. Die Austria hat mit Borkovic und Rapid mit Murg am Ende der Sommer-Transferzeit noch größere Transfers getätigt.
"Es wird immer schwieriger für Klubs, dass das in Zukunft diese Einnahme-Quelle bleiben kann, die sie war", ist der Austria-Vorstand vorbereitet. Auf Szenarien müsse man vorbereitet sein, um das Modell des Fußballs mit Europacup, Transfereinnahmen und Sponsoren in Zukunft weiter so fortführen zu können.
Bei Rapid drängt sich dabei die Frage auf, ob man etwa vielleicht gezwungen sei, schon bald ein Millionenangebot für Top-Talent Yusuf Demir annehmen zu müssen. Nicht nur Salzburg-Trainer Jesse Marsch schwärmte nach dem direkten Duell vom Jungstar.
"Es ist natürlich so, dass wir wissen, was für ein unglaublich talentierter Spieler er ist", merkt Bruckner an, "und wir wollen ihn noch sehr lange in diesem wunderschönen Dress sehen. Aber das brauche ich nicht an einem einzelnen Spieler festhalten." Immer mehr auf den eigenen Nachwuchs zu setzen, sei Rapids Schritt in die richtige Richtung gewesen, um nicht mehr zu abhängig vom Transfermarkt zu sein und Spieler danach teuer zu verkaufen.
"Transfers werden weniger werden" - Fans auch?
Die Veränderungen auf dem Transfermarkt sieht Bruckner aber ähnlich wie Kraetschmer:
"Es wird sich natürlich der gesamte Fußball adaptieren. Die Transfers werden weniger werden und in der ersten Phase nicht so hoch sein. Aber dann muss man mit all dem, was man hat, haushalten und schauen, wie man mit den vorhandenen Mitteln über die Runden kommt."
Die Krise fordert Flexibilität. In welche Richtung es geht, weiß keiner ganz genau. Ein Impfstoff wäre jedoch eine jener Perspektiven, nach denen man sich derzeit so sehr sehnt.
Schließlich geht es auch darum, Fußball-Fans nicht langfristig zu verlieren. Mit Absagen und Verlosungen von Tickets mussten sich Rapid und Austria einiges von Fans anhören. Deshalb geht es um Wiedergutmachung.
"Weil was passiert mit den Fans, wenn sie sich vom Produkt Fußball entwöhnen?", stellt Kraetschmer die Frage. "Wir müssen die Fans bei der Stange halten. Wenn wir die verlieren, dann wird das ein großes Problem werden in den nächsten Jahren."