„3-4“, sagt Ralf Muhr nach einiger Bedenkzeit auf die Frage, welche Note er der Kampfmannschaft des FK Austria Wien für diesen Herbst geben würde.
Doch die Antwort des 48-Jährigen fällt ein wenig ausführlicher aus: „Mir ist wichtig, festzuhalten, dass wir absolut nicht zufrieden sind – mit vielen Spielleistungen, mit der Punkteausbeute, mit den erzielten Treffern. Das ist alles unter unserer Erwartungshaltung.“
Am Ende von fünf durchwachsenen Monaten stehen die Veilchen auf dem fünften Rang der Tabelle, vier Punkte über dem Strich, der die halbe Liga so sehr beschäftigt. „Wir haben es in der Meisterschaft und im Cup selbst in der Hand, unsere Ziele zu erreichen“, stellt der Technische Direktor des FAK fest.
Der große Umbruch
Die Austria hat sich im Sommer verändert, rechnet man den Führungswechsel im Präsidium dazu, haben sich die Umwälzungen im Verein bis in den Herbst gezogen.
„Was den gesamten sportlichen Bereich betrifft, hatten wir im Sommer von allen Teams sicher den größten Umbruch. Es ist extrem viel passiert“, findet Muhr. Tatsächlich wurde nicht nur er als neuer Sportdirektor installiert und der Kader grundlegend verändert, sondern auch im Trainerteam und im sportmedizinischen Bereich viel verändert.
Haben die Verantwortlichen in Wien-Favoriten unterschätzt, wie lange es tatsächlich dauert, bis all die neuen Rädchen ineinandergreifen? „Wir haben es nicht unterschätzt, aber die Erwartungshaltung war bei uns allen sicher so, dass es schneller geht. Wir sind ins neue Stadion gekommen, haben jetzt Top-Bedingungen – das verleitet einen dazu, dass man Dinge schneller erwartet. Leider ist das so nicht passiert“, so Muhr.
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Dabei habe es eigentlich gut begonnen: „Gerade zu Beginn der Saison hat man gemerkt, in welche Richtung es inhaltlich gehen kann – was die Intensität, das höhere Attackieren, das Pressingverhalten und das Spiel in die Tiefe betrifft. Ich erinnere an den Auftakt gegen Wacker, das Spiel in Wolfsberg, das wir leider verloren haben, und die Partie in Hartberg.“
Keine Konstanz
"Wir sollten die Qualität haben, dass wir trotzdem nicht verlieren, auch wenn wir mal eine Hundspartie spielen"
Konstant konnte die Mannschaft auf dem Platz aber nie zeigen, wie die Spielidee von Trainer Thomas Letsch konkret aussehen soll. Dessen ist sich Muhr bewusst: „Es ist aber nicht in die Richtung gegangen, wie wir uns das alle vorgestellt haben. Das war teilweise personellen Umstellungen geschuldet. Es ist keine Ausrede, dass wir uns mit zu vielen Verletzungen auseinandersetzen mussten, aber es ist ein Fakt.“
„Madl, Cuevas, Monschein, Sax, Grünwald, Jeggo, Edomwonyi, Turgeman fallen mir mal spontan ein – sie alle hatten ein Problem, konnten nicht den ganzen Herbst durchspielen. Das hat der ganzen Entwicklung nicht gutgetan“, so der Sportchef weiter.
Und dann wären da noch zwei Spiele, die ihm in besonders negativer Erinnerung bleiben: „Ich sehe zwei brutale Rückschläge: Die zweite Hälfte gegen den WAC daheim und die zweite Hälfte in Mattersburg. Diese zwei Spielen haben uns massiv zurückgehaut. Wir sollten die Qualität haben, dass wir trotzdem nicht verlieren, auch wenn wir mal eine Hundspartie spielen.“
VIDEO: Die Highlights vom Rekordsieg im Derby
(Artikel wird unter dem Video fortgesetzt)
Vor allem nach dem WAC-Spiel war Coach Letsch angezählt, es wurde medial über einen Trainerwechsel spekuliert. Mit ein wenig Abstand beschreibt der Sportdirektor die damalige Situation so: „Bei uns, den Entscheidungsträgern, hat er nicht wirklich gewackelt. Aber natürlich war uns allen klar, dass der Trainer an den Leistungen und den Ergebnissen gemessen werden muss. Dass in dieser Phase, in denen wir klar unter der Erwartungshaltung waren, Diskussionen aufkommen, ist ganz klar. Natürlich gibt es da in den Gremien, bei den Fans und in den Medien Diskussionen.“
Ein wenig Sonnenschein
Doch zwischen all den Wolken, die im Herbst über dem Verteilerkreis gehangen haben, blitzte hin und wieder auch die Sonne durch. „Im Sommer war die Mentalität ein großes Thema. Das Klima in der Truppe und ihre Arbeitshaltung sind hervorragend. Es macht Spaß, mit den Jungs zu arbeiten. Uns ist gelungen, ein anderes Arbeitsklima reinzubringen“, freut sich der Niederösterreicher.
Auch die Entwicklung der Neuzugänge Thomas Ebner, Christian Schoissengeyr und Max Sax streicht er hervor. Zwei Stammkräfte dürfen sich zudem über Extra-Lob freuen: „Patrick Pentz und Florian Klein haben jede Minute gespielt, sie haben durchwegs gute Leistungen geboten.“
Nach einem durchwachsenen Herbst für ein erfreuliches Frühjahr sorgen, soll jene Mannschaft, die nun schon da ist.
"Spendlhofer? Da ist überhaupt nichts dran!"
„Was Neuzugänge angeht, ist nicht wirklich etwas geplant. Es ist unser Ziel, mit dieser Mannschaft weiter zu arbeiten. Wir sind von der Qualität der Truppe überzeugt. Alex Grünwald, Christoph Martschinko und Petar Gluhakovic kommen zurück – das sind gefühlte Neuzugänge“, gibt Muhr einen Einblick in die Transferplanungen.
Sturm-Verteidiger Lukas Spendlhofer, der zuletzt mit den Veilchen in Verbindung gebracht wurde, aber sowieso eher mit einem Wechsel in die Major League Soccer zum FC Toronto tendieren dürfte, sei kein Thema: „Da ist überhaupt nichts dran!“
Konkreter ist da schon ein Abgang. Lucas Venuto sieht unter Letsch praktisch kein Land, ist dementsprechend unzufrieden und gewillt, an seiner Situation etwas zu ändern. „Klar, dass er überlegt, sich zu verändern. Wir stehen Gesprächen offen gegenüber“, sagt Muhr.
Vor allem aus den USA soll es Interesse am Brasilianer geben. Seitdem Ismael Tajouri in der MLS mit starken Vorstellungen für den New York City FC auf sich aufmerksam gemacht hat, hat sich der Markt über dem großen Teich für Austrianer geöffnet.
Geht Friesenbichler?
Auch ein zweiter Offensivspieler befindet sich am Radar anderer Vereine: Kevin Friesenbichler. „Für ihn gibt es immer wieder Interessenten“, bestätigt Muhr.
Der Steirer hat bereits im Sommer mit einem Abgang geliebäugelt, kam aufgrund des Verletzungspechs von Turgeman und Edomwonyi dann aber auf mehr Einsatzzeit als ursprünglich erwartet.
„Er hat sich im Herbst zu einem wichtigen Spieler entwickelt – aufgrund der Verletzten, aber auch aufgrund seiner Leistungen. Jetzt ist die Konkurrenzsituation wieder so wie im Sommer“, sagt Muhr.
Noch ein wenig Zeit, nämlich je nach Personalie bis April oder Mai, haben die Violetten, um die Kaufoptionen auf die Leihspieler Cristian Cuevas, Uros Matic und Ewandro Costa zu ziehen.
Der Sportdirektor berichtet: „Alle Leihspieler haben selbst oder durch ihr Management schon bekundet, gerne bei der Austria bleiben zu wollen. Jetzt sind sie in der Bringschuld, uns durch dementsprechende Leistungen zu überzeugen.“
Verändern wird sich der Kader der Young Violets. Marco Stark steht vor einem Wechsel zu Zweitliga-Konkurrent SKU Amstetten, auch Toni Vastic und Caleb Mikulic sind schon so gut wie weg.
Im Sommer wird mit dem 17-jährigen Patrick Wimmer ein Offensivtalent von Landesliga-Klub SV Gaflenz bei den Jung-Veilchen andocken.
Und der eine oder andere talentierte Youngster darf darauf hoffen, dass sich in Sachen Transfers bei den Profis vielleicht doch ein wenig mehr tut. „Wenn in Sachen Abgängen etwas passiert, wollen wir das über die Young Violets auffangen“, kündigt Muhr an.
Ins Rampenlicht haben sich die Profis der Veilchen im Herbst allerdings bekanntlich nicht gespielt.