Die Maßnahmen-Beschwerde einiger Rapid-Fans gegen das Vorgehen der Polizei vor dem Derby im Dezember, als 1.338 Fans von der Exekutive zwecks Identitäts-Feststellungen sieben Stunden festgehalten wurden, wurde vor dem Wiener Verwaltungsgericht teilweise stattgegeben (Alle Infos>>>).
Ein wichtiger Teil der Beschwerde - nämlich jener, ob die Maßnahmen überhaupt gerechtfertigt waren - gehen zugunsten der Exekutive aus. Trotz der Bestätigung, dass die Dauer der Maßnahmen unverhältnismäßig war, zeigt sich die Rechtshilfe Rapid daher nicht restlos glücklich mit dem Urteil.
"Obwohl uns dieser Erfolg freut, sind die äußerst milden Urteile dennoch etwas enttäuschend", heißt es in einer Aussendung der Solidargemeinschaft (HIER nachlesen>>>).
Polizei-Behauptungen als Fakten
Die Feststellung, dass die Polizei rechtswidrig gehandelt habe und der Beschwerde in 35 von 47 Punkten Recht gegeben wurde, "ist für uns eine Genugtuung, da diese nicht selbstverständlich ist. Richter Wolfgang Helm gab sich dennoch sichtlich Mühe, ein harmonisches Urteil zu finden, bei dem die Polizei sehr glimpflich davonkommt."
Speziell die Beweisführung sei zu hinterfragen: "Behauptungen der Polizei werden als Fakten angenommen, obwohl diese, bis auf widersprüchliche Aussagen von Polizisten, keine Beweise liefern konnte."
Viele Dinge seien im Dunklen geblieben, weil die Polizei einfach keine Auskunft erteilen wollte. Dadurch rückte der Fokus auf das Verhalten der Fans lange vor der Einkesselung, was aber bei der Maßnahmen-Beschwerde an der Sache vorbeigehe, so Vorstandsmitglied Helmut Mitter.
Keine Nachweise für Gegenstände auf Tangente und Widerstand im Kessel
Ganz im Gegenteil seien viele Anschuldigungen seitens der Polizei im Zuge der Verhandlung widerlegt worden: Keine der Video-Aufnahmen würde Pyrotechnik oder Getränkedosen auf der Südost-Tangente bestätigen, auch Zeuge fand sich für diese hauptsächliche Begründung des Kessels keiner. "Aus einem einfachen Grund: So etwas ist nie geschehen."
"Behauptungen der Polizei werden als Fakten angenommen, obwohl diese, bis auf widersprüchliche Aussagen von Polizisten, keine Beweise liefern konnte."
Funk-Protokolle, in denen diese behaupteten Vorfälle vorkommen sollen, konnten von der Polizei nicht mehr vorgelegt werden.
Verzögerungen bei den Identitätsfeststellungen wurden durch mangelnden Kooperationswillen der Rapid-Fans im Kessel begründet, eine Ansicht, die von Ex-Innenminster Herbert Kickl in seiner Reaktion auf das Urteil noch einmal bekräftigt wurde (HIER nachlesen>>>). Zeugen-Aussagen, auch von Polizisten, würden aber dafür sprechen, dass es keinerlei Aggressionen oder Verweigerungen gegeben hätte.
Auch Film-Aufnahmen - der Kessel wurde durchgehend gefilmt - die diese Behauptung stützen könnten, wurden nicht vorgelegt. "Trotzdem hielt die Polizei diese Behauptungen bis zum Schluss aufrecht und stellte der Richter dies schlussendlich als Tatsache fest - mit dem Argument, warum denn Polizisten lügen sollten?", kritisiert die Rechtshilfe.
Kritik an der Informationspolitik
Dass die öffentliche Wahrnehmung der Vorfälle dermaßen stark zu Ungunsten der Rapid-Fans ausfiel, führt die Rechtshilfe Rapid auf die "Desinformationspolitik" der Wiener Polizei zurück. Speziell über den Twitter-Account der Behörde seien Meldungen abgesetzt worden, die ungeprüft in den Medien landeten: "Ein gutes Beispiel für die absurden Behauptungen ist die vermeintliche Verwendung von 'Rauchgranaten', die als 'Kriegswaffe' qualifiziert seien. Im Zuge der Verhandlung stellte sich eindeutig heraus, dass es sich um einen herkömmlichen Rauchtopf handelte, der in jedem Fußballstadion schon einmal verwendet wurde", so Mitter.
"Trotzdem hielt die Polizei diese Behauptungen bis zum Schluss aufrecht und stellte der Richter dies schlussendlich als Tatsache fest - mit dem Argument, warum denn Polizisten lügen sollten?"
Dahinter würden keine Missverständnisse, sondern gezielte Medienarbeit stecken.
Dass Funk-Protokolle von der Polizei "aus fadenscheinigen Gründen" gelöscht wurden, obwohl die Exekutive Beschuldigter des Prozesses war, deutet die Rechtshilfe als weiteren Vertuschungsversuch: "Wie sollen solche Maßnahmen-Beschwerden künftig ablaufen, wenn schon vorneweg klar ist, dass die Verfahren mit ungleichen und unlauteren Voraussetzungen starten?"
Neue aufgeworfene Fragen
Das nun beendete Verfahren am Verwaltungsgericht sieht die Rechtshilfe als möglichen Stein des Anstoßes zur weiteren juristischen und politischen Aufarbeitung.
"Die Geschichten, die der damalige Innenminister Herbert Kickl dem Bundesrat präsentiert und als Beantwortung parlamentarischer Anfragen aufgetischt hat, haben sich in den wesentlichen Punkten als Märchen herausgestellt", stellt die Rechtshilfe fest, und eröffnet einige Fragen.
"Die Geschichten, die der damalige Innenminister Herbert Kickl dem Bundesrat präsentiert und als Beantwortung parlamentarischer Anfragen aufgetischt hat, haben sich in den wesentlichen Punkten als Märchen herausgestellt."
"Inwiefern war der damalige Polizeiminister in die Entscheidungen eingebunden? Warum halten seine Parteikollegen in der Volksanwaltschaft den Bericht zu diesem Einsatz zurück? Welche Rolle spielten zivile Beamte? Laut Zeugenaussagen eines hochrangigen Polizisten sollen rund um den Kessel elf zivile Beamte des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) im Einsatz gewesen sein. Wo und zu welchem Zweck waren diese im Einsatz?"
Den 28 Beschwerdeführern, die den Gang zum Verwaltungsgericht bemühten, spricht die Rechtshilfe Dank für ihren Einsatz aus. "Mehr Polizei heißt nicht mehr Sicherheit. Es muss auch für die Polizei Grenzen des Anstands und Grenzen des Rechts geben. Dafür wurde heute ein wichtiges Ausrufezeichen gesetzt", schließt Mitter ab.
Auch Kickl nicht zufrieden
Besagter Ex-Innenminister Herbert Kickl nahm in einer Aussendung erwartungsgemäß einen komplett konträren Standpunkt ein und zeigte sich ebenfalls unzufrieden mit dem Urteil. Aus seiner Sicht können der Polizei keinerlei Verfehlungen vorgeworfen werden, selbst die Stattgebung, wonach die Maßnahme zu lange dauerte, sieht er als haltlos an.
"So stärkt die Justiz Personen den Rücken, die den Besuch im Stadion für Randale in Wort und Tat missbrauchen", so der Ex-Minister.
"Dass das Gericht zwar die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme feststellt, aber zugleich wegen ihrer angeblich zu langen Dauer den Beschwerdeführern Recht gibt, ist wohl nicht nur für mich, sondern auch für breite Teile der Bevölkerung mehr als erstaunlich", sagt Kickl, der das Vorgehen der Polizei weiterhin verteidigt.
"Die Fans haben die polizeiliche Maßnahme ihrem eigenen völlig unangebrachten und teilweise schwer rechtswidrigen Verhalten zuzuschreiben, denn wären sie bei der Identitätsfeststellung kooperativer gewesen, hätte die Aktion bei weitem nicht so lange gedauert", spricht er weiterhin von Widerstand im Kessel.