Spätestens jetzt hat sich Christian Ilzer in Graz zur Legende gemacht:
Als Leitfigur beim Double für den SK Sturm in einer Ära, in der Titelgewinne immer über Krösus Red Bull Salzburg gehen müssen. 2024 gelang es in beiden Bewerben, die "Bullen" hinter sich zu lassen.
Der Auszeichnung als Trainer des Jahres folgte die Perfektion der Saison. Es ist der Höhepunkt des gemeinsamen Weges, der vor vier Jahren begann - und der am Anfang noch nicht erahnen ließ, wohin er führen würde.
"Auch die eine oder andere Niederlage hat uns noch mehr verbunden, hat in uns diesen brennenden Wunsch geweckt, Salzburg, den Liga-Giganten, vom Thron zu stoßen. Wir haben diese Idee vor vier Jahren in unseren Köpfen geboren und heute ist sie Realität geworden. Wir haben gezeigt, dass Unmögliches möglich ist", stimmte Ilzer in den Jubel seiner Spieler ein.
Die Erinnerung an 1999 eingepflanzt
In den letzten Tagen ging es vor allem darum, den Erwartungsdruck im Zaum zu halten: "Es passiert außen viel. Du bekommst das schon mit. Für mich war wichtig, die Jungs davon abzuschirmen."
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So wurde die Woche der Entscheidung mit einem Rückblick auf das Saisonfinish 1999 begonnen, "um ihnen ein Gefühl zu geben. Wie das so ist. Und dann haben wir uns einfach weitergehantelt. Angesprochen, wie viele Leute für diesen Erfolg verantwortlich sind. Wie viele Weggefährten uns auf dieser Reise auch verlassen haben, und trotzdem einen unglaublichen Wert dafür gehabt haben, wo wir heute stehen."
Alles, um das Teamgefüge weiter zu stärken. Denn Sturm hatte alles in der eigenen Hand, musste nur seine Aufgaben erledigen.
"Dann war nur noch dieses Fokussieren. Dass den Jungs bewusst ist, dass alle Menschen außerhalb viel nervöser sind, als wir intern. Denn wir hatten es in der eigenen Hand, konnten es am Platz aktiv gestalten. Und darauf sollten wir vertrauen."
Die Zentimeter des Tüchtigen
Ein Selbstvertrauen, das auch über den Geduld erfordernden Spielverlauf gegen Austria Klagenfurt noch einmal drüberhalf. Über die fast 70 Minuten, ehe das erste erlösende Tor fiel. Das für sich auch noch einmal zur Stolperfalle wurde.
"Jeder hat ein Bild gezeichnet, wie wir uns den nächsten Weg vorstellen. Ich habe ein Cabrio in der Grazer Herrengasse gezeichnet, mit dem Meisterteller, dem Pokal und schwarz-weißem Konfettiregen dazu."
"Es war natürlich auch eine Nervengeschichte. Die Beine werden schwerer. Und in diesem Moment waren wir ein bisschen im Verwaltungsmodus. Das war kein guter Zugang. Da habe ich extrem gestikulieren müssen", blieb die Anspannung bei Ilzer gegeben.
Dann kam noch das "Glück des Tüchtigen" dazu, als der Kopfball von Florian Jaritz an die Stange ging. Zentimeter, die diesmal retteten, wo sie gegen den LASK noch zum Sieg und der vorzeitigen Meister-Entscheidung fehlten.
Und irgendwann kam das zweite Tor, die Erlösung. "Dann war bei mir klar, jetzt ist er uns nicht mehr zu nehmen, der Titel."
Von der Zeichnung zur Fotografie
Ein Titel, an den der Trainer immer glaubte. So schwor er auch sein Trainerteam am Vorabend selbstbewusst ein: "Ich habe ihnen gestern um 22:30 Uhr geschrieben: An einem Pfingstsonntag, dem 19. Mai 2024, sind wir Meister geworden. Denn was du in deinem Kopf trägst, das wird auch geschehen."
Aber Ilzer trug diesen Glauben schon viel, viel länger in sich. Es war bereits bei seinem Amtsantritt 2020: "Da hat mich Andi Schicker ein bisschen ausgelacht."
"Nachdem wir einen Monat zusammen waren, bekanntlich in keiner leichten Zeit für Sturm Graz während Corona, haben wir unseren ersten Gipfelsturm auf die Mugel gemacht, den Hausberg von Andi Schicker in Bruck. Jeder hat ein Bild gezeichnet, wie wir uns den nächsten Weg vorstellen. Ich habe ein Cabrio in der Grazer Herrengasse gezeichnet, mit dem Meisterteller, dem Pokal und schwarz-weißem Konfettiregen dazu."
Eine Szene, an die sich der Sport-Geschäftsführer vor einem Duell mit Red Bull Salzburg in dieser Saison wieder erinnerte: "Da hat er gesagt, dass er damals glaubte, ob das nicht zu groß gedacht ist. Aber du musst deine Visionen schon drin haben, sie treiben dich an. Und dann versuchen, Schritt für Schritt immer mehr Menschen auf diese Reise mitzunehmen."
Ein Hauch von Klopp beim Gegner
Nun muss Ilzer dieses Bild nicht mehr zeichnen - es wird am Montag Realität und somit fotografiert. Im Hier und Jetzt ist Jubel angesagt, zumindest für ein paar Tage, ehe der Blick wieder in die Zukunft gerichtet wird.
Nicht nur, weil Trainer und Sport-Geschäftsführer wie zahlreiche Spieler gefragte Personalien sind. Sondern auch, weil die Konkurrenz nicht schläft. Und das Imperium zurückschlagen will.
"Salzburg ist eine derartige Domäne, das darf man nicht vergessen. Da wird einiges passieren. Sie werden intern keinen Stein am Boden lassen, sich neu aufstellen. Und wo Pep Lijnders ist, da ist Jürgen Klopp nicht weit", streute Ilzer dem neuen Trainer des Konkurrenten schon Rosen.
"Wir haben in Österreich einen Gegner, der eigentlich schon Meister ist, wenn die Saison beginnt. Aber wir haben gezeigt, dass Unmögliches wahr werden kann. Das soll auch für alle Menschen sein, die große Ziele haben und sich von ihrem Weg nicht abbringen lassen. Sturm Graz hat gezeigt, dass sehr, sehr viel möglich ist."
Vor allem: Eine ganze Stadt, die nicht Salzburg heißt, mit gleich zwei Titeln zu beschenken. Für Ilzer das Schönste. "Wir haben viele, viele Menschen glücklich gemacht. Und das erfüllt mich mit großer Freude."