Ernüchterung.
Die Gefühlswelt im Lager des SK Sturm Graz lässt sich relativ leicht mit diesem einen Wort beschreiben. Den Start ins Frühjahr hätte sich der Winterkönig ganz anders vorgestellt, als es mit der 0:1-Niederlage beim SV Mattersburg gekommen ist.
"Es gilt einfach ganz klar zu sagen, dass das zu wenig und natürlich enttäuschend war - sowohl Resultat als auch Leistung", betont Geschäftsführer Sport Günter Kreissl, dem bewusst ist, dass der Druck nun weiter steigen wird:
"Aber Qualität ist ja auch, mit Druck umgehen zu können. Der derzeit vielleicht beste österreichische Sportler, Marcel Hirscher, muss Woche für Woche mit Druck umgehen - mit gewaltigem."
>>> Soll dich unser virtueller Experte Toni via Facebook Messenger automatisch auf dem Laufenden halten? <<<
Vogel wird nichts ändern
Wenn Sturm in Zukunft wie Hirscher mit Druck umgeht, ist eine Siegesserie nicht mehr weit. Vorerst gilt es jedoch, den "Einfädler" in Mattersburg aufzuarbeiten - oder auch nicht.
Kreissl liegt nämlich folgendes am Herzen: "Wir sind entäuscht. Es gilt nichts schönzureden. Die Leistung war in allen Bereichen nicht gut genug. Aber jetzt heißt es schon wieder: Mund abputzen und nach vorne schauen. Das ist ganz wichtig. Wir brauchen uns jetzt nicht in irgendwelche weitreichenden Analysen begeben. Es reicht zu sagen, das Spiel war in allen Phasen nicht gut genug, und daran werden wir jetzt bis zum nächsten Spiel Tag für Tag arbeiten."
"Wir haben auf dem Weg einen Rückschlag erlitten, aber deswegen zweifle ich nicht, werde auch nichts ändern, sondern genau da weitermachen, wo ich am Freitag aufgehört habe."
Besagte weitreichende Analysen werden wohl Aufgabe der medialen Ursachenforschung sein. Ansätze gibt es einige. Vorerst gilt es jedoch den generellen Umgang mit diesem von den Grazern nicht erwarteten Rückschlag zu klären - vor allem jenen des Trainers nach seinem missglückten Debüt.
Im Prinzip hat Heiko Vogel zwei Möglichkeiten: Er kann nach dieser schwachen Performance auf den Tisch hauen, wie es etwa Deni Alar getan hat. Oder er kann die Ruhe bewahren. Die Wahl zwischen diesen beiden Optionen ist für den Deutschen eine denkbar einfache:
"Ich werde Ruhe bewahren", betont Vogel und versichert, dass er genau jene Maßnahmen setzen werde, die er schon in den vergangenen vier Wochen gesetzt habe: "Mich irritiert diese Niederlage nicht. Es ist einfach ein Prozess, der dauert. Wir haben auf dem Weg einen Rückschlag erlitten, aber deswegen zweifle ich nicht, werde auch nichts ändern, sondern genau da weitermachen, wo ich am Freitag aufgehört habe."
Ärger über unforced Errors
Eine Herangehensweise, welche die volle Zustimmung von Christian Schulz findet. Der Routinier betont, dass in den vergangenen vier Wochen im Rahmen der Vorbereitung schon vieles sehr gut gegriffen und man es besser gemacht habe, als man es in Mattersburg zeigen konnte:
"Wir müssen weiter daran arbeiten, es weiter verfeinern und das, was wir uns aufgebaut haben, jetzt nicht in Frage stellen. Dass ich mit der Niederlage nicht zufrieden bin, steht außer Frage. Aber warum sollen wir jetzt alles über den Haufen schmeißen, nur weil wir ein Spiel verloren haben? Wir müssen die Sachen ansprechen, die nicht gut waren. Aber unsere Prinzipien werden wir nicht aufgeben."
"Nicht gut" war in Mattersburg einiges.
"Wir waren mit dem Ball nicht gut genug, wir waren gegen den Ball nicht gut genug, wir waren bei Standards nicht gut genug. In Wahrheit musst du sagen, dass es in allen drei Phasen des Spiels nicht gut genug war. Wir hatten extrem viele Eckbälle und Freistöße, ohne je gefährlich zu werden, haben das Gegentor aber aus einem Standard bekommen. Mattersburg hat verdient gewonnen, wenn man sich die Anzahl der Großchancen anschaut", bringt es Kreissl auf den Punkt.
Den Sportchef ärgern wie seinen Coach die vielen Eigenfehler. "Wir haben zu unpräzise gespielt, hatten sehr viele unforced Errors, bei denen wir nicht einmal Druck auf dem Spieler in Ballbesitz hatten. Es hat einfach Ungenauigkeit zu Ballverlusten geführt", moniert Vogel.
Positions-Wechsel für Sturm keine Begründung
Dass dies mit dem System-Wechsel oder mit den Positions-Wechseln einzelner Spieler und daraus resultierender Unsicherheit zu tun haben könnte, stellt der 42-Jährige vehement in Abrede.
Marvin Potzmann übersiedelte ins zentrale offensive Mittelfeld, Dario Maresic rückte anstelle des gesperrten James Jeggo aus der Innenverteidigung ins defensive Mittelfeld, Philipp Huspek begann am linken Flügel - dazu die Umstellung auf ein ungewohntes 4-1-4-1.
Der schwarz-weiße Grundtenor zu dieser Thematik lautet, dass ein verändertes System nicht die Begründung für viel zu einfache Abspielfehler sein könne.
Dies glaubt auch Kreissl: "Die veränderten Positionen haben relativ wenig mit Eigenfehlern zu tun. Es war nicht so, dass wir vom Gegner einen Wahnsinns-Druck bekommen haben, wir haben diese Eigenfehler relativ unbedrängt gemacht, das war keinem wahnsinnigen Stress geschuldet. Jetzt gilt es, als Gruppe zu lernen und sehr schnell die richtigen Schlüsse zu ziehen, welche Varianten der neue Trainer sieht."
Personelle Varianten wird es am kommenden Wochenende wieder mehrere geben, da Jeggo ebenso wie Stefan Hierländer wieder spielberechtigt sein wird. Auch weitere in Mattersburg fehlende Akteure wie Thorsten Röcher oder die beiden Neuzugänge Bright Edomwonyi und Jakob Jantscher werden den Konkurrenzkampf schon bald beleben.
Vogel glaubt an Qualität des Kaders
Die zahlreichen Ausfälle als Ausrede heranzuziehen, betrachten die Sturm-Verantwortlichen als zu lahm. Die Frage, ob gerade Jeggo oder Hierländer schlichtweg mehr Qualität hätten als der eine oder andere im Pappelstadion aufgebotene Spieler, bezeichnet Vogel als "despektierlich".
"Wir brauchen über die Qualität von Hierländer und Jeggo natürlich nicht zu reden, aber sie sind nicht zur Verfügung gestanden, deswegen haben wir einen Kader. Ich glaube an die Qualität des Kaders. Insofern stellt sich mir diese Frage nicht", stellt der Neo-Coach klar.
Auch Kreissl betont, dass man solche Ausfälle kompensieren können müsse: "Wir hatten den ganzen Herbst über immer wieder schwerwiegende Ausfälle, haben nie gejammert, haben sie nie aufgezählt und haben trotzdem sehr gute Leistungen gebracht."
Sehr gut waren die Leistungen teilweise auch in der Vorbereitung, was Alar mutmaßen lässt: "Wahrscheinlich waren die Ergebnisse im Trainingslager zu gut und wir haben geglaubt, dass alles locker weitergeht."
Ob sich der eine oder andere Spieler blenden hat lassen? Kreissl: "Wir haben immer wieder gebetsmühlenartig gesagt, dass man das nicht überbewerten darf. Ob sich der eine oder andere blenden hat lassen, kann ich nicht sagen."
Nicht immer vom Titel reden
Nicht blenden lassen will man sich bekanntlich von der Aussicht auf ein Titel-Duell mit Serienmeister Salzburg, dessen finanzieller Übermacht man sich in Graz bewusst ist. Dass die Chance vorhanden ist, die "Bullen" zu ärgern, weiß aber natürlich jeder. Umso ärgerlicher sind die drei im Burgenland verschenkten Punkte.
"Bei Rapid redet man auch immer vom Titel, aber man muss solche Spiele gewinnen, um Titel zu holen. Solche Spiele sind die wichtigsten."
"Man sollte aber nicht immer vom Titel reden", findet Neuzugang Thomas Schrammel, "bei Rapid redet man auch immer vom Titel, aber man muss solche Spiele gewinnen, um Titel zu holen. Solche Spiele sind die wichtigsten - nicht gegen die Großen, sondern gegen die Kleinen muss man die Punkte holen, vor allem auswärts."
Die positivste Konsequenz der Pleite beim SVM wäre es, wenn sie im Nachhinein der von Alar geforderte Weckruf gewesen ist. Der Druck wird jedenfalls, frei nach Hirscher, nicht geringer.
Laut Kreissl geht es darum, selbigen anzunehmen: "Aufgrund der Position, in der wir sind, und aufgrunddessen, wie wir uns im Winter auch vom Verhalten im Transferfenster aufgestellt haben, werden wir immer Druck haben - die ganze Frühjahrs-Saison über. Und man bekommt noch mehr Druck, wenn du ein Spiel, das du von den Voraussetzungen her nicht verlieren musst, verlierst. Dementsprechend wichtig ist das Heimspiel gegen den WAC, in dem wir gewisse Dinge korrigieren können und jetzt eben auch in einem Bewerbsspiel einfach zeigen müssen, dass das Ganze auch mit ein bisschen veränderten Bedingungen funktioniert."
Notorische Frühjahrsmüdigkeit? "Zu früh"
Klappt es auch gegen die Kärntner nicht, wäre dies erstens eine denkbar ungünstige Einstimmung auf die beiden richtungsweisenden Februar-Schlager gegen Rapid und Salzburg. Zweitens wäre dann Ursachenforschung über die Gründe für Sturms notorische Frühjahrsmüdigkeit mehr als angebracht.
Noch will Kreissl abwarten: "Wenn wir die nächsten Spiele erfolgreich bestreiten, können wir dieses Thema ad acta legen. Wenn es so wird wie in den letzten Jahren, dann kann man sich schon einmal Gedanken machen, warum es so ist, dass wir nicht gut ins Frühjahr starten. Aber jetzt ist es noch zu früh."
Gerade nach diesem Herbst wäre es für die "Blackies" wichtig, nicht schon im Februar die hervorragende Ausgangsposition zu verspielen.