Was ist da heute passiert? Diese Frage stellten sich wohl alle, die am Sonntagabend zum Topspiel der neunten Runde der ADMIRAL Bundesliga in die ausverkaufte Grazer Merkur Arena gekommen waren.
Doublesieger SK Sturm Graz fertigte Vizemeister FC Red Bull Salzburg regelrecht ab. Die "Bullen" hatten gegen den Tabellenführer keine Chance. Nach 90 Minuten – Schiedsrichter Julian Weinberger pfiff pünktlich ab – leuchtete ein 5:0 auf der Anzeigetafel auf. Zum Spielbericht >>>
Der Jubel bei den Heimfans war groß. Am Sonntagabend sangen die Sturm-Anhänger bei Gert Steinbäckers "Steiermark" nach dem Spielende besonders gerne und laut mit.
Salzburg hatte nur einen (ungefährlichen) Torschuss
"Es fühlt sich einfach geil an. Es ist, glaube ich, nicht vielen Mannschaften gelungen, Salzburg in der Art und Weise nachhause zu schicken", sagte Jusuf Gazibegovic nach dem Spiel im "Sky"-Interview.
Gregory Wüthrich, der wie Jon Gorenc Stankovic verletzungsbedingt passen musste, hielt schon während des Pausen-Interviews fest: "Das war sicherlich unsere beste Leistung in dieser Saison."
Die Aussage des Schweizers wird von der Statistik unterstrichen. Der SK Sturm ließ gegen die "Bullen" nur einen Torschuss zu – ein ungefährlicher Versuch aus der Distanz von Daouda Guindo. Da zeigte die Anzeigetafel bereits die 85. Minute an.
Andere Werte, die gewonnenen Zweikämpfe zum Beispiel, waren zwar ausgeglichen. Es ergab sich allerdings schnell der Eindruck, als würden die Gastgeber die wichtigeren Duelle für sich entscheiden.
Die Hurricane-Phase
So führte Sturm bereits nach sieben Minuten mit 1:0. Der Treffer von Seedy Jatta, der aus einem Konter resultiert war, wurde allerdings aufgrund einer Abseitsstellung zurückgenommen.
Für die Gäste hätte das ein Weckruf sein können. Die Grazer behielten in der Folge aber die Oberhand. Wie das gelang? Trainer Christian Ilzer klärte nach der Partie auf der Pressekonferenz auf.
Nach einem aberkannten Tor beginne "sofort eine Phase, die wir Hurricane-Phase nennen", so Ilzer. "Mit so einer Phase wollen wir auf ein nicht gegebenes Tor reagieren. Gegen Altach hatten wir das auch. Das Tor hat nicht gezählt und wir haben sofort mit einem regulären Tor reagiert."
Aiwu: "Das war eine Ansage an alle"
(Artikel wird unter dem Video fortgesetzt)
Der erste Treffer, der dann auch zählte, gelang Brighton-Leihgabe Malick Yalcouye – der FC Red Bull Salzburg soll in der Vergangenheit übrigens Interesse an dem 18-jährigen Mittelfeldspieler gezeigt haben.
Für das zweite reguläre Tor des Abends zeichnete Mika Biereth verantwortlich. Der dänische Angreifer wurde in diesem Sommer fix vom FC Arsenal verpflichtet. Ein aus Grazer Sicht gar nicht so schlechter Transfer, gelangen dem Angreifer gegen Salzburg noch zwei weitere Tore (51., 62.). Es war der erste Hattrick in seiner professionellen Fußballer-Laufbahn.
Den Schlusspunkt eines historischen Fußballabends – der FC Red Bull Salzburg hatte noch nie zuvor mit fünf Toren Unterschied gegen Sturm verloren, auch zu Austria-Salzburg-Zeiten nicht – setzte Emanuel Aiwu mit seinem Treffer nach einer Ecke.
"Das war eine Ansage an alle. Wir wurden ein bisschen kritisiert, dass wir in dem einen oder anderen Spiel vielleicht nicht so da waren. Heute haben wir eine Reaktion gezeigt", meinte Aiwu bei "Sky". Und weiter: "Uns ist alles gelungen, was wir uns vorgenommen haben. Wir haben uns vorgenommen, in den Zweikämpfen präsent zu sein. Wir haben gewusst, wo die Räume sind. Die haben wir gut bespielt und wir waren eiskalt vor dem Tor."
Der FC Brügge als Vorbild
Coach Ilzer zeigte sich im Pressekonferenz-Raum nach dem Heimsieg erfreut und gleichzeitig ein klein wenig baff, dass der Matchplan nahezu perfekt aufgegangen war. "Es war natürlich ein Abend, den man nicht so schnell vergessen wird. Ich musste mich ein paar mal zwicken in der Coachingzone. Was die Jungs aufgeführt haben, das war großartig. Salzburg in dieser Art und Weise zu dominieren, war ganz große Klasse", musste sich der 46-Jährige fast schon gezwungenermaßen einiger Superlative bedienen.
"Aggressivität und Entschlossenheit gegen und Ruhe mit dem Ball", führte Ilzer als zentrale Bausteine für den Erfolg an.
Aiwu sprach es an. Die Leistungen der Grazer zu Beginn der Saison waren ausbaufähig. Aber: "Nach einem schweren Saisonbeginn hat die Leistungskurve in den letzten drei Meisterschaftsspielen wieder nach oben gezeigt. Ich glaube, jetzt sind wir in der Saison angekommen", hielt Gazibegovic nach dem Spiel bei "Sky" fest.
Laut Ilzer wollte und habe man vor allem aus den Niederlagen in der UEFA Champions League gelernt. "Das war für uns ein großes Thema: Die Duellqualität, die Brügge gehabt hat, gegen und mit dem Ball. Unter höchstem Druck Bälle nicht zu verlieren, das haben wir uns als großes Anschauungsbeispiel hergenommen. Wie wir uns heute mit und gegen den Ball gegenseitig unterstützt haben, war ein wesentlicher Schlüssel. Das war eine Erfahrung aus dem Mittwochspiel (gegen Brügge in der Champions League; Anm.)."
Auf dem Weg nach oben wirst du extrem supportet und bekommst Energie von außen. Aber wenn du oben bist, ist nur mehr interessant: Wie fällt der Held wieder nach unten?
Jede Kultur braucht ihren Gott, jede Gesellschaft ihren Helden
Sturm sei seinem Weg trotz der teils aufkommenden Kritik treu geblieben, so Ilzer: "Im Fußball kommt viel zu schnell Emotionalität von außen rein und man verlässt zu leicht Wege. Intern war uns aber ganz klar, welche Schritte zu setzen sind."
An dieser Stelle holte der Übungsleiter etwas aus: "Ich habe es den Jungs gesagt, dass jede Kultur ihren Gott braucht und jede Gesellschaft ihren Helden. Auf dem Weg nach oben wirst du extrem supportet und bekommst Energie von außen. Aber wenn du oben bist, ist nur mehr interessant: Wie fällt der Held wieder nach unten? Da gibt es keine Energie mehr von außen, da müssen wir von innen unfassbar viel Energie generieren. Diese Arbeit hat heute zu einem guten Ergebnis geführt. Aber es heißt, das richtig einzuordnen. Wir haben noch viele Aufgaben vor der Brust. Das Ziel bleibt, uns zu entwickeln."
Wobei "keine Energie von außen" wohl nicht ganz stimmt. Die Fans heizten am Sonntagabend ordentlich ein. Das beflügelte die "Blackies" auf dem Feld. Ilzer: "Es ist eine fantastische Symbiose, die seit Jahren herrscht. Das nützt uns, die Spieler genießen das."
"Im Derby für klare Verhältnisse sorgen"
Bei "Sky" meinte der Sturm-Trainer abschließend: "Heute hat diese neue Sturm-Mannschaft einmal anständig Grüß Gott gesagt. Aber wir müssen das richtig einordnen."
Für die Aufrechterhaltung eines Flows ist der Herbst mit gleich drei Länderspielpausen jedenfalls keine einfache Saisonphase. "Als Klubtrainer ist es nicht angenehm. Das gibt der Kalender aber vor und wir müssen die bestmöglichen Lösungen finden", sagte Ilzer.
Die erste Partie nach der Ligapause: Das Derby gegen den GAK. "Im Derby wollen wir auch für klare Verhältnisse sorgen", gab Gazibegovic die Marschroute vor.