Der Skandal im 325. Wiener Derby löst beim SK Rapid einen Schaden aus – sportlich, finanziell und auch imagemäßig.
Dessen ist sich Präsident Michael Krammer bewusst, nach Überschreiten der „roten Linie“ wurden Konsequenzen und Strafen angekündigt.
Den Vorwurf, dass ähnliche Vorfälle bisher nicht rigoros bestraft wurden, lässt dieser nicht gelten: „Das Werfen von Gegenständen ist im Derby im Sommer 2017 zum ersten Mal richtig an die Öffentlichkeit gelangt. Hier haben wir eine neue rote Linie gezogen. Ansonsten haben wir jene Dinge, wo wir gesagt haben, dass wir sie sanktionieren, auch immer sanktioniert.“
„Dem müssen wir uns stellen“
In diesem Zusammenhang spricht Krammer Stadionverbote im Zuge von Rassismus im Amateure-Derby, nicht erwünschte Pyrotechnik-Gegenstände wie Leuchtstifte und Böller sowie Gewalt an.
„Das Werfen ist neu dazu gekommen, das werden wir auch klar sanktionieren“, kündigt Krammer an. Eigentlich will der Entscheidungstreffer nicht relativieren, wagt dann aber doch einen Vergleich.
„Wenn man sich international die Entwicklung anschaut, so ist es schon auch bei Rapid gelungen. Das Werfen ist kein neues aber doch neu sanktioniertes Feld, dem müssen wir uns stellen. Das wird es immer wieder geben. Ich will jetzt wirklich nichts relativieren, überhaupt nicht, aber denken sie einmal an die Vorkommnisse bei Dortmund-Leipzig und die Relationen. Das sollte man schon im Kopf behalten, dass Rapid der Verein in Österreich ist, der ein so großes Fan-Potenzial hat und von der Fanarbeit her nicht mit Altach, sondern mit großen internationalen Klubs verglichen werden muss.“
Angekündigte Strafen sind die eine Sache, die Vorbeugung und das Hinterfragen der bisher getätigen Aktionen die andere.
Neues Fan-Projekt zur Vorbeugung
Trotzdem ist der Klubchef weiterhin überzeugt, dass man in der Fan-Arbeit vieles richtig gemacht hat.
„Parallel dazu hinterfragen wir natürlich auch: Haben wir in der Fanarbeit alles richtig gemacht? Ist hier alles so gelaufen, wie wir uns das vorgenommen haben? Vieles spricht dafür, dass hier Dinge gut gelaufen sind. Wir haben einen gewaltigen Zuschauerschnitt, haben die Mitgliederanzahl gesteigert und haben eine wirklich einzigartige Stimmung im Stadion.“
Darauf aufbauend kündigt Krammer jedoch ein neues Projekt an, um den nächsten Schritt zu setzen und Erfahrungen von außen in den Klub einfließen zu lassen.
„Trotzdem wollen wir ein Fan-Projekt aufsetzen, wo wir uns auch internationale Beratung holen werden, nämlich von Vereinen, die mit solchen Situationen umgehen können. Konkret werden wir anfragen beim FC Basel und auch bei Schalke, um uns Experten zu holen. Wir werden hier ein Projekt aufsetzen, um ganz klar zu machen, wie man Emotionen, gute Stimmung ausleben kann im Stadion, aber solche Dinge wie gestern möglichst hinten anzuhalten.“
„Sehe Verursacher nicht in der aktiven Fanszene“
Der Austausch zwischen Verein und Fan-Szene wirkte schon einmal harmonischer. In diesem Fall fiel auch auf, dass der Aufruf zur Vermeidung eines Spiel-Abbruchs von Andy Marek durch Schmähgesänge übersungen wurde.
Fehlende Akzeptanz oder Respekt ortet Krammer diesbezüglich jedoch nicht: „Diesen Eindruck habe ich nicht, mir ist aber auch aufgefallen, dass das der Fall war. Die Gründe sehe ich aber nicht im Missachten oder im Verlust des Respektes der beiden Gruppen voreinander.“
Wie der Visionär prinzipiell das Verhältnis zwischen der Klubspitze und der aktiven Fanszene aktuell sieht? „Im Moment, nach solchen Vorfällen? So wie jetzt die Lage ausschaut und den Orten nach, wo geworfen wurde, sehe ich die Verursacher nicht in der aktiven Fanszene.“
Obwohl sich negative Vorfälle schon wie ein roter Faden durch die Zeit im Hanappi-Stadion zogen, sieht Krammer schon auch aktuell eine Verstärkung durch neue Verhältnisse im Allianz-Stadion.
Neues Stadion, neue Gruppierungen, neue Probleme
So muss er diesbezüglich zugeben:
„Wir sind auch im Block West unglaublich gewachsen. Wo im Hanappi-Stadion 2000 bis 2500 Personen der aktiven Fanszene waren, sind jetzt bei starken Spielen 7000. Es gibt neue Gruppierungen, neue Personen, die da drin sind, die offensichtlich mit der Einhaltung der Regeln und der roten Linie noch ihre Probleme haben. Daran gilt es, gemeinsam zu arbeiten zum Wohle des SK Rapid.“
Ausgerechnet im Derby folgen auch immer wieder ausländische Fans der Einladung aus Wien-Hütteldorf, die Unruhestifter sollen allerdings nicht diesem Lager zugeordnet worden sein.
„Wir wussten davon, dass befreundete Fangruppen im Sektor sein werden, das passiert öfter und ist anlässlich der 30 Jahre Ultras-Feier passiert. Soweit wir jetzt den Überblick haben, handelt es sich bei den Werfern nicht um ausländische Personen.“
Einsicht und Bewusstseinsbildung entscheidend
Die Einsicht im Verein aber auch im Fan-Lager wäre der erste Schritt zur Besserung. Auch in dieser Hinsicht ortet der Vereins-Präsident schon eine Bewegung.
„Es scheint sich schon ein sehr klares Bild in der Rapid-Community abzuzeichnen, dass das von jenen eine klare Verfehlung war, die dem Verein schadet. Diese Bewusstseinsbildung wollen wir auch vorantreiben. Jetzt klingt Selbstreinigungsprozess zwar komisch. Aber das Verständnis zu schaffen, dass so etwas den Zielen des SK Rapid schadet, ist eine ganz wichtige Begleitmaßnahme. Diesen Weg werden wir weiter gehen.“
Die „Selbstreinigung“ brachte Trainer Goran Djuricin ins Spiele – eine gewagte Aussage. Doch Krammer nimmt sowohl „Gogo“ als auch die Spieler aufgrund ihrer Aussagen – etwa Dejan Ljubicic, der sich danach entschuldigte – in Schutz.
„Ich bitte sie alle inständig, darüber hinwegzusehen, dass Spieler und Trainer unmittelbar nach dem Spiel, vollgepumpt mit Adrenalin und Emotion nicht unbedingt in der ersten Situation, die moralisch hochwertigsten Antworten geben und PR-geschult ins Mikrofon sprechen, wie es sich gehört.“
"Für uns sind diese beiden Dinge alternativlos"
Dabei nimmt er sich selbst und die Klubführung in die Pflicht:
„Die Verantwortung dafür, dass wir hier die richtigen Maßnahmen setzen, liegt bei der Vereinsführung, also in letzter Konsequenz bei mir. Natürlich müssen wir uns hinterfragen: Was können wir weiter verbessern? Wo gibt es Potenziale, um noch einen Schritt nach vorne zu machen und solche Vorkommnisse - die man ehrlich gesagt nie zu hundert Prozent ausschließen kann - noch deutlich zu reduzieren, bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung dieser unglaublichen und einzigartigen Stimmung im Stadion.“
Was gibt dem Präsidenten demnach Hoffnung, dass die Maßnahmen greifen und nicht schon bald das nächste Kapitel dieser „Never-ending-Story“ folgt?
„Von der Hoffnung kann ich nicht leben. Wir müssen alle Maßnahmen in die Wege leiten, dass die Wahrscheinlichkeit minimiert wird. Dazu versuchen wir unser Bestes beizutragen. Das ist auf der einen Seite die Sanktionierung, aber auf der anderen die Fortsetzung des Weges des Dialoges mit allen Fan-Gruppierungen unter Einbeiziehung neuer Experten und dem Aufsetzen eines Fan-Projekts. Für uns sind diese beiden Dinge alternativlos.“