Der LASK startete am Freitag in eine neue Ära.
Eine Ära, in der fußballerisch einiges über den Haufen geworfen werden wird, und eine, in der man sich als Fan der Linzer in - im besten Falle - glorreiche Zeiten aus gar nicht so weit entfernter Vergangenheit zurückgeworfen fühlen wird.
Mit Thomas Sageder übernahm am Freitag der neue Chefcoach der Athletiker erstmals das schwarz-weiße Teamtraining und trat damit das Erbe von Dietmar Kühbauer an.
Konträrer können die beiden Coaches kaum sein. Während letztgenannter Burgenländer über 13 Jahre an Trainererfahrung verfügt und spielerisch für technisch hochwertigen Ballbesitzfußball einsteht, ist der LASK für seinen Nachfolger die erste richtige Trainerstation in der Bundesliga. Taktisch fühlt sich Sageder eher in der "Red-Bull-Schule" daheim. Er ist es gewohnt, Mannschaften zu coachen, die ihre Stärken eher im Spiel gegen als mit dem Ball haben.
"Ich kann die Prägungen, die ich in Richtung des Fußballs, wie wir ihn von RB kennengelernt haben, nicht leugnen und das will ich auch gar nicht", steht der 39-Jährige, der insgesamt vier Jahre seiner Karriere in verschiedenen Funktionen beim FC Red Bull Salzburg bzw. dessen Farmteam, FC Liefering, angestellt war, auf seiner Antritts-Pressekonferenz zu seinen Wurzeln.
Die fünf Phasen des LASK
Als Coach, der immer und blind seine Mannschaften ins Pressing beordert, will er sich aber nicht kategorisieren lassen: "Ich bin kein Pressingtrainer oder Ballbesitztrainer, sondern versuche das zu machen, was zielgerichtet und zweckmäßig ist."
Was sich zunächst nach klassischer Trainer-Phrasendrescherei anhört, kann Sageder durchaus mit Inhalt untermauern: "Es ist Fakt, dass der Fußball aus fünf Phasen besteht: Es gibt die Situationen, in denen wir den Ball haben, in denen wir den Ball verlieren, in denen der Gegner den Ball hat, in denen der Gegner den Ball verliert und es gibt Standardsituationen. Unser Anspruch ist, in allen Phasen gut zu arbeiten."
Fakt ist allerdings auch, dass beim LASK mit Sicherheit in Zukunft jene genannte Phase speziell im Fokus stehen wird, in der der Gegner den Ball verliert und die Linzer im Umkehrschluss das Spielgerät erobern.
Seit Oliver Glasner, der selbst seine ersten Schritte im Trainergeschäft beim FC Red Bull Salzburg machte, 2015 beim LASK anheuerte, stand jahrelang kein Aspekt im täglichen Trainingsbetrieb der Linzer so sehr im Fokus wie der Kampf um die berühmten zweiten Bälle.
Zwar nutzte sich der Glasnersche Pressingansatz, der zunächst großteils erfolgreich von Valerien Ismael fortgesetzt wurde, über die Jahre ab, ähnelte immer mehr einer Kick-and-Rush-Spielweise und wurde schließlich von Dietmar Kühbauer aus dem Programm genommen, in Linz ist man allerdings nach wie vor davon überzeugt.
Von Glasner gelernt
Mit Sageder wurde aus diesem Grund ein Coach verpflichtet, der Oliver Glasner durchaus seinen Mentor nennen darf:
In insgesamt 134 Pflichtspielen stand Sageder seinem oberösterreichischen Landsmann als Co-Trainer zur Seite - zunächst bei der SV Ried, dann beim VfL Wolfsburg. Als Glasner 2015 von Ried zum LASK wechselte, absolvierte Sageder interimistisch sein erstes und bisher einziges Bundesliga-Spiel an der Innviertler Seitenlinie.
2021 trennten sich die Wege der beiden Riedauer erneut, da Sageder wieder zu seiner Familie in Österreich zurückkehren wollte und deshalb in der Red-Bull-Akademie anheuerte, während Glasner zu Eintracht Frankfurt weiterzog.
Glasner war auch einer der ersten Menschen, die dem zweifachen Familienvater zu seinem Engagement beim LASK gratulierten: "Für mich war es unfassbar, welche Wucht der LASK hat. Nach der Bekanntgabe, dass ich hier Trainer sein darf, habe ich unzählige positive Rückmeldungen von Leuten bekommen, die irgendwann meinen Weg gekreuzt haben. Zum Beispiel Heinz Hochhauser, Oliver Glasner oder auch Jörg Schmadtke."
Ob einem angesichts dieser "Wucht", die die Aufgabe LASK mit sich bringt, Bange wird? "Ich verspüre keine Angst vor der Aufgabe. Natürlich ist mir bewusst, welche Tragweite das Projekt und welche Verantwortung meine Aufgabe mit sich bringt, aber ich freue mich richtig darauf."
Kann Sageder Kühbauers Erfolg fortsetzen?
Sageder wird sich darauf einstellen müssen, an der Arbeit seines direkten Vorgängers gemessen zu werden. Unter Kühbauer spielten die Athletiker teils hochattraktiven und - noch viel wichtiger - erfolgreichen Fußball, der sie zurück in den Europacup führte.
Auch dieser Umstand schreckt den Neo-Coach der Linzer nicht zurück, es sei "eine sehr spannende Herausforderung, weil ich auf das Geleistete der letzten Saison sehr gut aufbauen kann".
In der Vorsaison seien zwar "viele Dinge gut gewesen", Sageder hat aber auch den einen oder anderen Aspekt gefunden, "wo man die Mannschaft noch verbessern kann".
Konkret bezieht er sich dabei auf die Anzahl der Gegentore, die sich der LASK in der Vorsaison einfing. Sageder ist es ein Dorn im Auge, dass die Linzer in der Vorsaison 38 Gegentreffer kassierten, während es bei Meister Red Bull Salzburg nur 22 waren: "Das ist einer der Punkte, an denen man ansetzen kann."
Das bedeutet allerdings freilich nicht, dass mit Sageder Defensivfußball in Linz einziehen wird - im Gegenteil: "Die Fans dürfen sich auf einen sehr intensiven, zielgerichteten und offensiven Spielstil freuen - dafür stehe ich."
Preisvergleich: So viel kosten die Bundesliga-Abos 2023/24
Streichs Freiburg als Inspiration für die Standards
Die Mannschaft selbst will er vor allem im technisch-taktischen, aber auch im körperlichen Bereich weiterentwickeln. Die vielen jungen Spieler im momentanen Linzer Kader sind ihm ein besonderes Anliegen: "Ich habe in meiner Karriere sehr viel mit jungen Spielern gearbeitet und ich hoffe, dass ich unsere jungen Spieler weiterentwickeln und auf das nächste Level heben kann."
Und auch einem weiteren Aspekt wird beim LASK in Zukunft wieder eine größere Rolle zukommen: Den Standardsituationen.
In den Jahren nach dem Wiederaufstieg 2017 waren die Athletiker ob ihrer Gefährlichkeit bei offensiven Standards - sei es bei Ecken, Freistößen oder gar Einwürfen - gefürchtet, spätestens mit den Abängen von Kopfballungeheuer Gernot Trauner und Weitwerfer James Holland ging diese Stärke aber flöten.
Künftig wird dafür im täglichen Trainingsbetrieb allerdings wieder mehr Zeit investiert. Mit Clemens Zulehner, der auf dringendem Wunsch von Sageder von der SV Ried verpflichtet wurde, wurde ein Vollzeit-Standardtrainer an Bord geholt. Dies ist das Ergebnis einer Hospitation Sageders beim SC Freiburg:
"Die Zeit, die ich im Rahmen meiner Pro-Lizenz-Ausbildung bei Christian Streich in Freiburg verbringen durfte, hat mir gezeigt, wie wenig wir eigentlich in Richtung Standardsituationen investieren. Es war unfassbar, wie hier unter Streich im Detail gearbeitet wurde."
"Fühle mich als junger Mensch, aber erfahrener Trainer"
Besagte UEFA-Pro-Lizenz hat Sageder übrigens noch nicht in der Tasche, er befindet sich laut eigener Aussage bei 85 Prozent Fortschritt des vom ÖFB angebotenen Kurses. "Alle Begleitarbeiten sind erledigt, ich habe nur noch zwei Anwesenheitsmodulle, sodass ich mich zu 100 Prozent auf meine jetztige Aufgabe konzentrieren kann", so Sageder.
Mit seinen 39 Jahren wird der Jung-Trainer, der anders als seine künftigen Kollegen nie eine aktive Fußballerkarriere durchlebte, der nach aktuellem Stand zweitjüngste Bundesliga-Coach der kommenden Saison sein.
An Erfahrung mangelt es Sageder deshalb allerdings keineswegs: "Ich fühle mich grundsätzlich als junger Mensch, aber als mittlerweile erfahrener Co-Trainer und Trainer. Ich bin mittlerweile seit 16 Jahren im Trainerbereich tätig, hatte die Ehre, mit vielen verschiedenen Trainern zusammenarbeiten zu dürfen, von denen ich viel mitnehmen konnte, und habe dank meines Engagements in Wolfsburg auch internationale Erfahrung sammeln können."
Mit der Kraft des Willens zum Traumjob
Dass Sageder trotz seiner geringen Erfahrung als Cheftrainer - bislang betreute er mit Blau-Weiß Linz erst einen Profiverein längerfristig als Chefcoach - so früh in seiner Karriere eine so große Möglichkeit wie den LASK bekommt, ist auch seiner Mentalität geschuldet.
Im März dieses Jahres erklärte er gegenüber LAOLA1 sein festes Vorhaben, so schnell wie möglich ein Cheftrainer-Amt zu übernehmen. Nur wenige Monate später führt er die Geschicke bei einem der größten Klubs Österreichs.
"Wenn man jemanden, der mich gut kennt, fragt, würde er über mich sagen: 'Er weiß, was er als Mensch und als Trainer will'", glaubt Sageder an die Kraft des Willens.
Diese hat ihn in seiner Karriere bereits unter die Fittiche einiger ganz großer Trainer und nun in ein äußerst spannendes Traineramt geführt.
Kann Sageder den von den Linzer Verantwortlichen geforderten pressingorientierten Powerfußball zurück auf die Gugl bringen, könnte der LASK für ihn das Sprungbrett zu einer ganz großen Karriere à la Oliver Glasner werden.
Das fußballerische Pflaster im schwarz-weißen Linz kann allerdings durchaus hart sein - das mussten gleich mehrere von Sageders direkten Vorgängern in den vergangenen Jahren schmerzlich erfahren.