"Ich gehe so durchs Leben, dass ich auf etwaige Chancen immer vorbereitet bin", sagt Maximilian Senft im Gespräch mit LAOLA1.
Grinsender Nachsatz: "Oft genug bereitet man sich umsonst vor."
Man darf davon ausgehen, dass der 33-Jährige darauf vorbereitet war, dass die SV Ried auf die Idee kommen würde, bei einem etwaigen Trainerwechsel ihn als aussichtsreichen Kandidaten zu sehen.
Schließlich kennt man sich bestens.
Die Verantwortlichen der Innviertler konnten aus nächster Nähe betrachten, wie Senft die "Jungen Wikinger" im Herbst in der Regionalliga Mitte auf den starken fünften Platz führte, und das auf Tuchfühlung mit der ambitionierten Tabellenspitze um den DSV Leoben und die LASK Amateure (<<<Diese Klubs wollen in die 2. Liga>>>).
Nun ist Senft Bundesliga-Trainer. Was dies in ihm auslöst?
"Es ist selbstverständlich eine Chance. Es freut mich sehr, dass meine bisherige Arbeit wertgeschätzt und mir in dieser Situation das Vertrauen geschenkt wird. Gleichzeitig bin ich hundertprozentig davon überzeugt, dass wir die richtigen Hebel betätigen werden."
Keine Überraschung
Auch wenn sein Name einer breiteren Öffentlichkeit vielleicht noch recht wenig bekannt war, kommt es nicht wirklich überraschend, dass der Wiener eine Chance im Profi-Fußball bekommt.
Selbigen kennt er als früheres Mitglied der Trainerstäbe von Austria Wien, dem Wolfsberger AC und dem FC Barnsley bestens, beim WAC und in England lernte er an der Seite von Gerhard Struber.
Jener Teil seiner Vita, der medial rund um seine Bestellung gerne verwertet wird, ist seine durchaus erfolgreiche Vergangenheit als Poker-Profi. 2014 staubte er bei der WM in Las Vegas ein Preisgeld von einer halben Million Dollar ab.
Vergangenen November erzählte er im folgenden LAOLA1-Interview von diesem Erlebnis, gab jedoch auch ausführlich Einblick in seine Gedankenwelt als Trainer:
Die Haltung
In diesem Gespräch verdeutlichte Senft in Sachen Philosophie auch, dass es für ihn als Trainer "ein paar Non-Negotiables" geben würde, man seinen Stil jedoch auch immer im Kontext zur Mannschaft anpassen und die Kultur eines Vereins miteinbeziehen müsse.
Wofür soll Ried aus diesem Blickwinkel unter seiner Anleitung stehen?
"Da sprechen wir jetzt nicht von Fußball-Details, das betrifft eher die Haltung. Ried hat nicht nur als Fußball-Verein, sondern auch als Region immer mutige Lösungen angestrebt."
"Vielleicht klingt es für den einen oder anderen plump, aber meiner Meinung nach ist es absolut überlebensnotwendig, dass die Menschen im Stadion und im Umfeld spüren, dass wir mit Kampfgeist, Aggressivität und auch Mut agieren. Das zeichnet Ried aus. Da sprechen wir jetzt nicht von Fußball-Details, das betrifft eher die Haltung. Ried hat nicht nur als Fußball-Verein, sondern auch als Region immer mutige Lösungen angestrebt."
Zum Mut kommt Geschlossenheit - dies seien "die zwei großen Werte, die wir auch vorleben müssen. Da stehen wir in der Verantwortung. Unsere Fans leben in jedem Spiel Erfolgshunger und Geschlossenheit vor. Daran können wir uns sicher orientieren."
Die Hebel
Neben der notwendigen Haltung spielen letztlich natürlich auch die Fußball-Details eine Rolle. Wo möchte Senft hier am allerdringlichsten besagte Hebel ansetzen?
"Einerseits geht es darum, wie wir Bälle erobern. Mit welcher Dynamik und welche Emotion das wecken soll - in der Mannschaft, im Stadion und bei allen, die an so einem Tag dabei sind. Daraus resultieren dann auch wuchtigere und dynamischere Konter. Ein weiterer Hebel ist dann sicher, wie wir unsere Angriffe fertig spielen, wie zielstrebig wir dann agieren wollen."
Außerdem: "Aus meiner Zeit in England ist sicher hängengeblieben, dass Standards ein Riesen-Hebel sind. Da haben wir ja auch hervorragende Schützen."
Mit dem FC Barnsley hat Senft damals übrigens einen beinharten Abstiegskampf erlebt, der Klassenerhalt gelang in der Nachspielzeit des letzten Spiels.
Vergangenheit bleibt Vergangenheit
Ried konnte in den bisherigen 19 Runden erst über 13 Tore jubeln. Entsprechend viele Rufzeichen stehen vermutlich hinter dem Hebel, dass Angriffe fertig gespielt werden müssen.
"Ich habe mir an die Fahnen geheftet, die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen", will Senft die bisher magere Ausbeute nicht groß kommentieren.
Sein Credo: "Wir müssen im Training an unseren Inhalten arbeiten. Dann denke ich, dass wir auch Erfolge erzielen und wieder zu mehr Toren kommen werden."
Wie dies gelingen soll? Hier landet man wieder beim Thema Mut.
Angst vor Fehlern ist fehl am Platz
"Wir müssen unsere Angriffe in allen Phasen sehr mutig und mit der richtigen Balance an Risiko spielen. Angst vor Fehlern ist da komplett fehl am Platz. Die Jungs müssen das Vertrauen spüren, dass dahinter jemand nachkommt, falls sie den Ball verlieren, und sie dementsprechend ins Risiko gehen können", so der Neo-Coach.
"Gerhard begleitet mich schon seit Sommer bei den Jungen Wikingern. Über den Herbst hat sich ein großes Vertrauens-Verhältnis entwickelt. Er bringt durch seine Erfahrung und durch seine Fußball-Sozialisierung eine andere Perspektive mit, als ich sie habe."
Dieses Vertrauen und damit einhergehend das notwendige Risiko, im letzten Drittel alle Freiheiten zu haben, sei eine "emotionale Geschichte".
Senft hat im Saisonverlauf logischerweise viele Spiele der Kampfmannschaft live im Stadion gesehen. Dies sei auch ein Vorteil:
"Trotzdem ist es etwas anderes, die Jungs jetzt im Trainingsbetrieb zu sehen. Ich will auch jedem Spieler die Chance geben, dass er noch einmal einen eigenen Eindruck erweckt. Dementsprechend trainieren wir auch. In den Spielformen steht noch nicht fest, wer am Wochenende spielt. Alle Spieler können sich zeigen. Auch wenn ich einen Eindruck aus den Spielen habe, möchte ich mir diesen neuen Eindruck nicht nehmen lassen."
Das "total erwartbare" Poker-Thema
Mit im Trainingsbetrieb ist mit Gerhard Schweitzer auch ein alter Rieder Bekannter. Von Seiten des Vereins hieß es, dass der 59-Jährige auf Wunsch von Senft installiert wurde.
Dieser begründet dies wiefolgt: "Gerhard begleitet mich schon seit Sommer bei den Jungen Wikingern. Über den Herbst hat sich ein großes Vertrauens-Verhältnis entwickelt. Er bringt durch seine Erfahrung und durch seine Fußball-Sozialisierung eine andere Perspektive mit, als ich sie habe. Er soll uns im Trainer-Team mit dieser Perspektive in einer beobachtenden Rolle unterstützen. Ich bin sehr froh, einen erfahrenen Mann wie Gerhard an Bord zu haben."
Wie Senft seine Chance bei der SV Ried nutzen wird, wird sich weisen. Auf jeden Fall bietet sich gleichzeitig die Gelegenheit, auch öffentlich endgültig vom früheren Poker-Profi zum Fußball-Trainer zu werden.
Er selbst betrachtet es als normal, dass er derzeit noch in der früheren Rolle vorgestellt wird: "Es ist total erwartbar, dass dieses Thema aufgegriffen wird. Jetzt habe ich es eh selbst in der Hand, ob wir in drei Monaten andere Themen haben oder nicht."