Der SK Rapid nimmt in einem offenen Brief ausführlich Stellung zum Thema Ligareform und stellt seine Sicht der Dinge klar.
Die Hütteldorfer lehnen eine "Reform der Ligenformate nicht per se ab". Einer "Ad-Hoc-Entscheidung" werde man "allerdings nicht zustimmen".
Die "Argumentation nach der Dringlichkeit der Reform" sei "weder nachvollziehbar noch belegbar". Rapid spricht sich gegen eine "Schrumpfungsstrategie, die noch dazu völlig überhastet eingeschlagen würde" aus.
Der offene Brief im Wortlaut:
Sehr geehrte Damen und Herren, geschätzte Kollegen und Kolleginnen, liebe Freundinnen und Freunde des Fußballsports!
Als Verantwortliche des SK Rapid haben wir die seit rund zwei Wochen intensivierte Diskussion um eine Reform des Formats der obersten Spielklassen aufmerksam verfolgt und zudem – soweit dies aufgrund der vorliegenden Informationen möglich ist – den Versuch einer eingehenden Analyse vorgenommen. Diese möchten wir allen interessierten Key Playern, aber auch der großen österreichischen Fußball-Öffentlichkeit auf diesem Wege und im Vorfeld der in den kommenden Tagen und Wochen anberaumten Sitzungen zum Thema Ligenreform zukommen lassen!
Vorweg möchten wir festhalten, dass der SK Rapid einer weiteren Professionalisierung des österreichischen Spitzenfußballs zustimmend gegenübersteht und auch eine damit möglicherweise verbundene Reform der Ligenformate nicht per se ablehnt. Diese darf aus unserer Sicht allerdings erst nach eingehender Analyse bezüglich der vielfältigen Auswirkungen und mit Einbeziehung der wichtigsten Entscheidungsträger und Experten aus den Bereichen Sport, Wirtschaft, Sponsoring, Marketing, Vermarktung (inklusive TV-Rechte), etc., aber auch Fan-Vertretern erfolgen. Einer Ad-Hoc-Entscheidung ohne dieser notwendigen vorbereitenden Vorgangsweise können und werden wir im Sinne des gesamten österreichischen Spitzenfußballs allerdings nicht zustimmen!
Ebenso möchten wir diesem Schreiben voranstellen, dass wir mit großer Zuversicht in die Zukunft des österreichischen Fußballs blicken. Zahlreiche Aktivitäten im Zusammenhang mit der Optimierung der Infrastruktur abseits des von uns derzeit in der Endphase befindlichen Neubaus des Allianz Stadions werden die Rahmenbedingungen im österreichischen Profifußball bereits in naher, bzw. mittelfristiger Zukunft entscheidend verbessern. Die Klubs der österreichischen Bundesliga wirtschaften zudem überwiegend umsichtig und positiv, was sich unter anderem durch ein bei durchschnittlich sieben Prozent liegendem Umsatzwachstum in den letzten 15 Jahren manifestiert. Mit mehr als 50 Prozent der Gesamterlöse aus Sponsoring können die Klubs der österreichischen Bundesliga zudem einen internationalen Top-Wert erreichen.
Auch das strenge Lizenzierungsverfahren der Österreichischen Bundesliga zeigt seit längerer Zeit Wirkung. Analysen aus der Bundesliga selbst und der Arbeitsgruppe „Lizenzierung“ belegen, dass in den letzten fünf Jahren lediglich einmal in letzter Instanz keine Lizenz erteilt wurde und die Lizenzverweigerungen generell rückläufig sind. Belegt durch die jährlich vom Kreditschutzverband von 1870 (KSV) veröffentlichten Kennzahlen ist zudem, dass die Eigenkapitalquoten der Klubs stetig verbessert und hier auch im internationalen Vergleich überdurchschnittliche Werte erzielt werden.
Erst in den letzten Tagen wurden 18 aktuellen Bundesligaklubs ebenso wie vier potentiellen Aufsteigern aus den Regionalligen die Lizenz erteilt und umso verwunderlicher erscheinen die in den letzten vierzehn Tagen wiederholt publizierten Aussagen, dass Österreich derzeit nur zwölf Profiklubs vertragen würde. Aktuell und nach den strengen Maßstäben des Lizenzierungsverfahrens erfüllen sogar 22 Klubs diese Voraussetzungen! Eine unmittelbar drohende Insolvenzwelle im heimischen Fußball, die als Damoklesschwert und vermeintlicher Beleg für die Dringlichkeit einer Reform der Ligenformate herhalten soll, ist somit nicht zu befürchten, haben doch alle Vereine ihre Budgets für die Saison 2016/17 nachgewiesen und sind darin die Kosten für die Umsetzung des vieldiskutierten Wartungserlasses inkludiert! Davon gehen wir selbstverständlich aus, denn wäre dem nicht so, hätten die zuständigen Wirtschaftsprüfer die eingereichten Budgets wohl kaum bestätigt!
Die Argumentation nach der Dringlichkeit der Reform durch das gezeichnete Schreckgespenst des Wartungserlasses und der damit zusammenhängenden Unfinanzierbarkeit ist weder nachvollziehbar noch belegbar, vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Unsere Klubs leisten gute Arbeit und sind vorbereitet. Anders ist auch nicht erklärbar, dass die zwei Vertreter der „Sky Go Erste Liga“ im Bundesliga Aufsichtsrat klar gegen die aktuellen Reformpläne sind, obwohl angeblich diese Liga am härtesten vom Wartungserlass bedroht sei. Evident ist, dass die Inhalte dieses Wartungserlasses bis spätestens 1. Jänner 2017 umzusetzen sind und dass laut diesem Erlass jedenfalls alle Vereine der österreichischen Fußball Bundesliga (tipico Bundesliga und Sky Go Erste Liga) betroffen sind. Somit ist auch klar, dass jegliche Ligenformat-Reform, die „erst“ mit 1. Juli 2017 gelten soll, um zumindest ein halbes Jahr zu spät kommt, sollte es darum gehen, die Konsequenzen aus diesem Wartungserlass zu vermeiden! Dieser kommt zudem für die betroffenen Klubs alles andere als überraschend, wiederholt wurde in diesem Zusammenhang u.a. die Arbeitsgruppe Lizenzierung einberufen und wurden auch in diesem Gremium gemeinsam mit den Experten von KPMG die daraus entstehenden Sachfragen eingehend erläutert!
Unserer Ansicht nach ist es zudem ein Irrglaube, dass der Wartungserlass ursächlich an die Mitgliedschaft in der Bundesliga geknüpft wäre. Entscheidend ist vielmehr die Anzahl jener Spieler, die mehr als 21.000 Euro brutto pro Jahr (inkl. Prämien, Sachbezüge, etc.) verdienen.
Wenn wir nun die in der Diskussion vorgelegten Ligenformate analysieren, müssen wir feststellen, dass zahlreiche Fragen weder gestellt noch beantwortet wurden. Wie beispielsweise, dass eine bundesweite Amateurliga mit 16 Vereinen ohne TV-Gelder wohl kaum finanzierbar ist. Dies ist nicht nur die Meinung des SK Rapid, sondern wird auch in jedem Konzept-Papier der Bundesliga als Gegenargument angeführt. Ob es möglicherweise TV-Sender gibt, die dieses Format übertragen wollen und Geld dafür bezahlen, ist völlig ungeklärt.
Wir gehen davon aus, dass es praktisch unmöglich ist, den Kader mit überwiegend Amateurspielern zu besetzen, die dann quer durch ganz Österreich reisen müssen und realistisch bewertet kaum Zeit haben werden, den Beruf mit dem Hobby (Fußball!) unter einen Hut zu bringen.
Es scheint auch nicht nachvollziehbar, wie eine zweithöchste Spielklasse mit 16 Vereinen ohne TV-Gelder und ohne Marketingunterstützung der Bundesliga besser funktionieren soll als das aktuelle Format. Die Argumentation der Kosten des Wartungserlasses ist, wie teilweise bereits ausgeführt, ebenso nicht nachvollziehbar, da die betroffenen Vereine der Sky Go Erste Liga nach jetzigem Kenntnis-Stand im Schnitt 400.000 Euro an TV-Geldern verlieren, die Kosten des Wartungserlasses jedoch nur rund 200.000 Euro verursachen würden. Dies ergibt alleine schon aus dieser Betrachtungsweise eine Schlechterstellung von 200.000 Euro pro Saison.
Wenn wir nun die Auswirkungen der Ligenformate analysieren, dann stellen wir fest, dass es keine Anhaltspunkte gibt, die eine Verbesserung der Einnahmensituation der Klubs herbeiführen könnten. Bei einer 12er Liga gibt es vier Spieltage weniger und somit reduziert sich der Werbewert durch eine Verringerung der medialen Berichterstattung um 12 %. Wenn man nun bedenkt, dass Sponsoring mit durchschnittlich 51% den höchsten Umsatzanteil bei den Klubs darstellt, dann stellt die bewusste Reduzierung des Werbewertes ein grob fahrlässiges Handeln dar. Ob und wie die Ligenformat-Änderung bei den Fans angenommen werden würde, wissen wir nicht, auch mögliche Einbußen durch geringere Ticketeinnahmen sind daher nicht ausgeschlossen.
Bekanntlich endet der aktuelle Vertrag mit den TV-Partnern Sky und ORF am 30.6.2018. Eine Änderung der Ligenformate ist zwar vertraglich möglich, eine dementsprechende Adaptierung der Entgelte für die Rechte allerdings ebenso und erscheint diese sehr wahrscheinlich. Eine Reduktion der Spiele und Runden würde wahrscheinlich zu einer Reduktion der ohnehin - im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern - schon geringen Einnahmen aus TV-Rechten führen.
Der SK Rapid hat – wie wohl alle anderen Klubs auch – hohes Interesse, ein hochwertiges Produkt für den nächsten TV-Vertrag anzubieten, um eine substantielle Erlössteigerung zu erreichen. Im Zuge der Diskussion, wie in diesem Zusammenhang höhere Erlöse erzielt werden können, ist es nur sinnvoll und richtig, auch das aktuelle Ligenformat inkl. Ankick-Zeiten, etc. zu hinterfragen.
In diesen Prozess, der auch unserer Meinung möglichst zeitnah starten soll, müssen wir jedenfalls auch Medienexperten, TV-Anstalten und potentielle Rechtevermarkter einbeziehen.
Mit einem neuen, deutlich verbesserten TV-Vertrag, werden sich dann auch alle Klubs leichter tun, Profifußball und die dafür notwendige Infrastruktur zu finanzieren!
Unser – wohl sicher gemeinsames – Ziel sollte sein, die TV-Erlöse für alle zu steigern und nicht eine „Schrumpfungsstrategie“, die noch dazu völlig überhastet eingeschlagen würde, zu fahren.
Wir haben uns erlaubt, alle Argumente und einige Analysen zusammenzufassen und möchten Ihnen diese im Anhang (Link zum Papier hier) übermitteln. Der SK Rapid ist sehr daran interessiert, den österreichischen Fußball bestmöglich und ganzheitlich weiterzuentwickeln, auch um die selbst eingeschlagene Wachstumsstrategie optimal umsetzen zu können. Dazu gehört natürlich auch das Ligenformat. Wir arbeiten gerne an einem Gesamtpaket mit, welches Ankick-Zeiten, die Weiterentwicklung des Lizenzierungsverfahrens sowie der Infrastruktur, Marketingstrategie und Ligenformat beinhaltet.
Wir würden uns daher wünschen, dass wir, die Bundesliga und ihre Klubs, gemeinsam mit den wichtigsten Partnern wie ÖFB, TV-Sendern, Experten und Fans das beste Produkt für den österreichischen Fußball entwickeln und mit der Saison 2018/19, begleitet von einem neuen und idealerweise substantiell besseren TV-Vertrag, umsetzen.
Mit sportlichen Grüßen
Andreas Müller und Christoph Peschek