Robert Klauß erlebt seit dem Wiener Derby turbulente Zeiten.
Erst wurden mehrere Akteure des SK Rapid wegen beleidigender und homophober Sprechchöre mit Sperren und weiteren Sanktionen bedacht, am Dienstag verhängte der Bundesliga-Strafsenat aufgrund mehrerer Fan-Vergehen einen Abzug von zwei Punkten für die kommende Saison. Alle Infos >>>
Eine Situation, die für den Cheftrainer alles andere als leicht handzuhaben ist. Der sportliche Fokus muss bewahrt werden, was bei den letzten beiden Partien gegen Austria Lustenau und Austria Klagenfurt (jeweils 1:1) nicht einfach war.
Als Trainerteam habe man es aber geschafft, aus der Situation einen Nutzen für die Mannschaft zu ziehen, erklärt Klauß auf der Pressekonferenz vor dem Meistergruppen-Auftakt gegen den LASK (19:30 Uhr im LIVE-Ticker >>>).
"Wir haben es ganz gut geschafft, dass die Jungs enger zusammenrücken. Es ist positiv, dass Spieler jetzt mehr Spielzeit bekommen." Dadurch würde man mehr Alternativen für die Startelf bekommen, der Konkurrenzkampf werde erhöht.
"Die Sau ist genug durch das Dorf getrieben"
"Wir wollen unbedingt zeigen, dass das Image, das wir haben, nicht gerechtfertigt ist und wir trotzdem eine richtig gute Mannschaft sind, vor allem charakterlich", erklärt Klauß.
Dass aktuell praktisch jede Woche neuer Wirbel erzeugt wird, stößt dem Deutschen sauer auf. "Zwei Spiele wurden dadurch massiv beeinflusst, nicht nur sportlich, sondern auch von der Stimmungslage her. Jetzt haben wir wieder eine Woche, wo neue Themen auftreten, wieder das Spiel davon beeinflusst wird."
Irgendwann sei auch mal gut, betont der Übungsleiter. "Es ist langsam so, dass wir das nicht mehr positives Mittel nutzen können. Wir wollen Fußball spielen, haben intern sehr viel gemacht, sehr viele Gespräche geführt, viele Maßnahmen gezeigt und uns vor allem klar positioniert. Jetzt ist langsam mal gut, die Sau ist genug durch das Dorf getrieben."
"Jeder nutzt die Chance, um mit dem Finger auf uns zu zeigen"
Klauß stellt sich in weiterer Folge vor seine viel gescholtenen Spieler: "Unsere Jungs sind charakterlich einwandfrei, sie sind nicht homophob oder fremdenfeindlich. Sie haben sich scheiße verhalten, sind verbal entgleist - das ist nicht zu entschuldigen. Aber sie wissen, dass sie einen riesigen Fehler gemacht haben."
Das unterstreicht auch Offensivspieler Marco Grüll in einem Rapid-Podcast. "Es war ein Riesenfehler, ein Riesenblödsinn, darf nicht passieren, darf keinen Platz haben. Es tut uns unendlich leid, ich wollte nie einen Menschen damit verletzen oder diskriminieren."
Wichtig sei, dass es solche Vorfälle in Zukunft nicht mehr geben werde. "Wir werden an Maßnahmen arbeiten, ein ganz klares Zeichen setzen, dass das nicht geht, weil es ist wichtig, dass sich jeder Mensch wohlfühlen darf auf dieser Welt."
Der Trainer redet sich in Rage: "Es war ein schlechtes Verhalten, aber sie sind dadurch keine schlechten Menschen. Aktuell habe ich das Gefühl, dass jeder die Chance nutzt, mit dem Finger auf uns und die Jungs zu zeigen. Es wird immer wieder angeheizt, weil jeder sich bemüßigt fühlt, sich dazu zu äußern, egal aus welcher Ecke."
"Vier, fünf, vielleicht zehn Jahre lang hat sich niemand darum geschert, wenn homophobe Fan-Gesänge waren oder jemand eine verbale Entgleisung hatte. Auf einmal darf sich jeder zu Wort melden. Wer noch nie in seinem Leben verbal entgleist ist, möge seinen Finger heben. Ich kann das nicht."
Als Verein müsse man an dieser Stelle einmal "Stopp" sagen.
"Ich habe hier in vier Monaten mehr erlebt als andere in vier Jahren"
Den Abzug von zwei Punkten habe er einfach zur Kenntnis genommen. "Ich habe mir null Gedanken gemacht, es ist noch sehr weit, wir haben jetzt unsere Ziele, und es ist noch immer ein laufendes Verfahren, wo das Urteil nicht bestätigt ist. Es liegt bei unseren Juristen, der Geschäftsführung. Ich nehme eh alles, wie es kommt", sagt Klauß.
Dabei musste er in seinen ersten Monaten als Rapid-Trainer schon viel Kurioses erleben. "Ich habe hier in vier Monaten mehr erlebt als andere in vier Jahren", betont der Deutsche.
"Ich bin nach Tirol gefahren, musste wieder zurückfahren und zwei Tage später wurde auf Schnee gespielt. Ich bin in der Türkei und es kommt ein Schiedsrichter, der keine Lizenz hat. Danach das Derby, dann werden vier Spieler gesperrt. Wir spielen letzten Spieltag in Klagenfurt und beiden reicht ein Unentschieden."
"Also ganz ehrlich, was soll noch passieren, mich kann wenig schocken aktuell. Dann kommen zwei Punkte Abzug, ist halt so."