Fünf Tage nach dem Aus von Zoran Barisic beim SK Rapid ist dessen Nachfolger nicht nur gefunden, sondern offiziell vorgestellt.
Robert Klauß ist der Mann, der einen radikalen Umbruch im Hütteldorfer Umgang mit der wichtigsten Personalie an der Seitenlinie markiert.
Weniger Erfahrung als Spieler, dafür umso mehr Know-how als Jahrgangsbester der DFB-Trainerakademie und aus vielen Lehrjahren in Leipzig unter Ralf Rangnick und Julian Nagelsmann.
Der 38-jährige Deutsche nimmt nach einem Jahr Auszeit im Anschluss an seine erste Aufgabe als Cheftrainer beim 1. FC Nürnberg keine leichte zweite in Angriff: Dem SK Rapid im Rahmen der Vereinsphilosophie einen modernen Anstrich am Feld zu verpassen.
Und, bevor sich das bemerkbar macht: Den Karren auch kurzfristig aus dem Schlamm zu ziehen. Der da heißt: Achter Tabellenplatz.
Keine mindere Hürde, geht es doch um die Stimmung im Verein. Darum, den Trainerwechsel zu rechtfertigen. Und um den ersten Eindruck des neuen Coaches selbst.
Egal, wie gehaltvoll diese kurzfristigen Eindrücke überhaupt sein können. Ein klein wenig "Trainer-Effekt" täte Rapid nach den letzten Tagen und Wochen einfach enorm gut.
Aber alles umstoßen, das wird Klauß definitiv nicht.
"Mannschaft bringt schon viel mit"
Drei Spiele stehen bis zur Winterpause noch an: Zwei vermeintliche Pflichtaufgaben gegen Blau-Weiß Linz und bei der WSG Tirol, dann der Kracher gegen Red Bull Salzburg. Bis zum ersten dieser Duelle gegen den Aufsteiger bleiben nur sechs Tage zur Eingewöhnung.
Aber Klauß kommt nicht unvorbereitet. Von den Eindrücken, die der Deutsche bereits über das Vorliegende besitzt, waren auch die Verantwortlichen während des Auswahlprozesses überzeugt>>>.
"Die Mannschaft bringt schon viel mit. Sie hat einen guten Ansatz im Ballbesitz, ist da sehr dominant. Verfügt über gute Lösungen in den Räumen Richtung Tor. Das Team braucht sicherlich zwei, drei Adaptionen, damit ich meine Idee komplett einbringen kann. Das wird aber eher mittelfristig passieren und nicht kurzfristig", weiß der Neuling, auf welche Qualitäten er unmittelbar setzen kann.
Denn in den ersten Tagen werde die Verbesserung der Ausgangsposition auch eine Priorität innehaben. Obwohl für Klauß, ganz grundsätzlich, die Leistung vor dem Ergebnis steht, dieses dann langfristig bedingt. Auch wenn es Letzteres war, das die Entscheidung zum Trainerwechsel erst anstieß.
"Die Erwartungen müssen von unten nach oben kommen: Wie spiele ich? Was bedeutet das dann im Ergebnis? Und was für die Tabelle? Die Leistung ist das Wichtigste."
Mehr Konsequenz - auch in der Defensive
Dass die Ergebnisse zuletzt nicht passten, hatte vor allem mit der mangelnden Chancenverwertung zu tun. Ein augenscheinlicher Kritikpunkt, an dem schnellstmöglich gearbeitet werden muss und soll.
"Wir können nicht hergehen und sagen: 'Wir sind Rapid und deshalb gewinnen wir'. Sondern: 'Wir sind Rapid, wir arbeiten gut und deshalb erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen'."
Aber nicht nur darin sieht Klauß schnelles Verbesserungspotenzial. Er benennt das fehlende Element "Konsequenz". Konsequenz nicht nur vor dem Tor, sondern auch in der Defensive.
"Das ist ein erster Ansatzpunkt: Wie können wir in verschiedenen Höhen konsequenter verteidigen? Wie können wir im hohen Anlaufen, im Pressing richtig gut sein? Wie können wir aber auch mal tiefer verteidigen, sodass sich die Mannschaft einfach wohl fühlt und Sicherheit hat, überzeugt ist von dem, was sie tut? Das werden so die ersten Sachen sein, die wir machen werden", beschreibt der Deutsche seine ersten Ideen.
Dazu gehören für ihn auch die Gespräche mit der Mannschaft, nicht nur mit dem Trainerteam: "Was denkt die Mannschaft selber? Das ist mir wichtig."
Torchance ist nicht gleich Torchance
Und die Konsequenz auf der anderen Seite des Platzes, dort, wo sie zuletzt auch sehr augenscheinlich gefehlt hat? Die obliegt mehreren Faktoren.
"Auf der einen Seite: Wie sehr willst du das Tor machen? Das ist so eine mentale Sache. Wie konzentriert bist du? Wie viele Chancen spielst du dir heraus? Was sind das für Chancen, in welchen Situationen kommen sie zustande? Und vor allem, zu welchem Zeitpunkt machst du das Tor?", sieht Klauß in "Chance" nicht gleich "Chance".
Und in weiterer Folge braucht es dann vor allem die Leichtigkeit, das Tor auch bei einem Rückstand zu machen. Diese beiden Ausgangssituationen - ein Tor bei bestehender Führung und im Rückstand zu erzielen - getrennt voneinander zu betrachten, soll auch im Training einfließen.
"Damit werden wir morgen und übermorgen schon starten: Wo wollen wir torgefährlich werden? Wie wollen wir uns Chancen herausspielen? Das geht aus dem Ballbesitz heraus, aber auch aus Umschaltmomenten. Da werden wir uns noch breiter aufstellen. Es gibt keine Gewissheit, dass Torchancen zu Toren werden. Aber man kann die Wahrscheinlichkeit erhöhen", kündigt der Neo-Coach an.
Der Reiz der intakten Mannschaft
Für den es auch ein Kriterium war, keine Mannschaft zu übernehmen, die komplett am Boden liegt: "Das ist für einen Trainer, der neu kommt, sicherlich etwas Gutes und auch nicht ganz gewöhnlich. Der achte Tabellenplatz ist sicher nicht 'Juhu und Juha'. Es geht besser, das wissen wir auch alle."
Alle Rapid-Trainer seit Ernst Dokupil
Aber in der Mannschaft sei "etwas da", auch wenn die Ergebnisse zuletzt nicht gepasst haben. "Auch, was mir das Trainerteam und die Verantwortlichen beschrieben haben: Da ist eine Mannschaft, die intakt ist, die passt, mit der man arbeiten kann. Das ist für mich dann die Herausforderung, das macht es für mich reizvoll: Eine Mannschaft zu übernehmen, die schon Dinge kann, die auch Dinge gut gemacht hat."
Als klassischer Feuerwehrmann versteht sich Klauß also nicht. Das soll er auch nicht sein, die gewisse Notwendigkeit nach kurzfristigem Aufschwung hin oder her.
Erarbeitete, nicht inhärente Erwartungshaltung
So lässt sich der Neuankömmling auch nicht ins Bockshorn jagen, wenn er auf die Wichtigkeit des ersten Spiels unter seiner Leitung am Sonntag gegen Blau-Weiß Linz hingewiesen wird.
"Unsere Anspruchshaltung ist es, zu gewinnen. Aber die Frage ist ja, wie kommen wir zu diesem Sieg? Ich glaube, es ist wichtig, dass wir nicht sagen: 'Wir müssen gewinnen'. Die Art und Weise, wie wir ein Spiel angehen, erhöht die Wahrscheinlichkeit des Sieges. Die Arbeit, die wir unter der Woche tun, mit der wir uns auf den Gegner vorbereiten."
Die Zuteilung der Favoritenrolle müsse in der eigenen Arbeit und dieser Vorbereitung begründet liegen, nicht als dem großen Namen "Rapid" innewohnend betrachtet werden: "Wenn wir von vornherein nur davon ausgehen, dass wir das Spiel gewinnen müssen, haben wir ja nichts mehr zu gewinnen. Können nur mehr verlieren. Wenn wir so ins Spiel reingehen, legen wir uns und der Mannschaft eine relativ große Bürde auf."
Dass Rapid die Anspruchshaltung eines Sieges habe, sei ihm bewusst: "Wir können nicht hergehen und sagen: 'Wir sind Rapid und deshalb gewinnen wir'. Sondern: 'Wir sind Rapid, wir arbeiten gut und deshalb erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen'. Nicht, weil wir einen großen Namen oder vielleicht bessere Einzelspieler haben, sondern weil wir unter der Woche einfach einen verdammt guten Job machen."
Eine recht rationale Herangehensweise an die Thematik der Erwartungshaltung, die Klauß ein steter Begleiter sein wird. Und bei Rapid oft in einem emotionalen Korsett daherkommt.