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Rollentausch? Kreissl: "Uneitel" genug für Reihe 2

Sturms Sportchef kokettiert weiter mit Abschied. Keine Amtsmüdigkeit bei Kaderplanung:

Es war ein durchaus bemerkenswertes Interview in der "Keinen Zeitung", mit dem Günter Kreissl Mitte Jänner aufhorchen ließ.

Der 45-Jährige stellte nämlich seine eigene Zukunft als Geschäftsführer Sport des SK Sturm Graz in Frage.

"Da habe ich mich unserem Trainer angepasst, der brutal offene Interviews gibt", grinst Kreissl im Gespräch mit LAOLA1, "das war ebenfalls ein brutal offenes Interview. Ich wurde gefragt, ob es eh klar ist, dass ich weiter mache. Ich habe gemeint, beides ist möglich."

Das ist auch der Status quo - eine Entscheidung steht nach wie vor aus. Während der Grazer Sportchef auf eine schnelle Entscheidung hofft und weiter mit einem Schritt zurück in die zweite Reihe kokettiert, zeigt er sich in Sachen Kaderplanung alles andere als amtsmüde:

LAOLA1: Wie ist der Status quo bezüglich Ihrer Sturm-Zukunft?

Günter Kreissl: Vieles hängt mit sehr persönlichen Gedanken zusammen. Kein Mensch kann immer nur Vollgas fahren. Irgendwann musst du einfach überlegen: Wann ist der richtige Zeitpunkt, um vielleicht eine Pause einzulegen? Es hat natürlich auch familiäre Hintergründe - ich bin kein Grazer, das ist eh bekannt. Der Job ist so herausfordernd, dass du schon das Gefühl brauchst, die Kraft zu haben, das auch in der bisherigen Qualität weiterzuführen. Diese Frage müssen sich Leute in gewissen Positionen – egal ob im Spitzensport oder in Managementfunktionen – immer wieder selbst stellen. Momentan ist weder das eine noch das andere fix – wüsste ich es auf jeden Fall, hätte ich es gesagt. Ich habe nicht mehr getan, als das offen so zu kommunizieren.

"Tendenziell will keiner im Job umfallen, das möchte ich genauso wenig. Darum muss man immer wieder schauen, wie es mit dem eigenen Energiehaushalt und der Gesundheit ausschaut."

LAOLA1: Geht es letztlich darum, egal wie sehr man den Job mag, dass es nicht wert ist, wenn die Gesundheit angegriffen wird?

Kreissl: Tendenziell will keiner im Job umfallen, das möchte ich genauso wenig. Darum muss man immer wieder schauen, wie es mit dem eigenen Energiehaushalt und der Gesundheit ausschaut. Das ist ein nicht unwesentlicher Aspekt. Störend in unserem Job sind sicher Geschichten in den sozialen Medien. Sobald du nur sagst: „Es ist schon viel Energie, die da reinfließt“, sagen die ersten: „Der raunzt nur, dann soll er einen anderen Job machen.“ Die Brutalität ist, dass gefühlt wenig Verständnis da ist, und die Leute glauben, es ist eh alles easy going. Das ist es nicht. Ich denke, man kann auch hin und wieder sagen: Das ist ein Job, der richtig herausfordert. Um ihn mit dieser Qualität und Leidenschaft machen zu können, muss ich mir sicher sein, dass mein Paket dafür stimmt.

LAOLA1: Wie zeitnah muss eine Entscheidung her?

Kreissl: Mein Wunsch ist, dass so früh wie möglich Klarheit herrscht. Es geht schließlich auch um Vertragsverlängerungen und die Frage: Wer ist für den Kader verantwortlich? Ich halte nicht viel davon, wenn jemand noch Entscheidungen trifft, mit denen dann ein anderer leben muss. Deswegen ist es mir schon ein Anliegen, dass wir in den nächsten Wochen immer wieder und so schnell wie möglich in gute und intensive Gespräche treten. Es könnte sein, dass es genauso weitergeht wie bisher. Es könnte in einer anderen Rollenverteilung weitergehen. Es könnte auch sein, dass man überhaupt sagt, man nimmt einmal für einen gewissen Zeitraum Abstand von einer Zusammenarbeit. Diese Dinge gehören geklärt und sind für den Verein auch wichtig. Ich bin aber natürlich auch angewiesen auf das Tempo, das der Verein selbst gehen kann. Da rede ich von unserem Präsidium und Vorstand, die diese Dinge natürlich abwägen und diskutieren müssen.

"Wenn man uneitel genug ist, ist das möglich – und ich würde mich durchaus als uneitel bezeichnen, was das betrifft. Es ist auf jeden Fall nichts, was ich per se ausschließen würde."

LAOLA1: Eine genannte Alternative bezüglich Rollentausch ist, dass Andreas Schicker in die erste Reihe rückt. Sie würden dann in die zweite Reihe gehen. Kann so etwas wirklich funktionieren?

Kreissl: Wenn man uneitel genug ist, ist das möglich – und ich würde mich durchaus als uneitel bezeichnen, was das betrifft. Es ist auf jeden Fall nichts, was ich per se ausschließen würde. Man könnte auch kreativ sein und sagen, man wechselt sich jedes Jahr ab – einer hat Regenerationszeit, der andere übernimmt das Ruder (lacht).

LAOLA1: Ein origineller Gedanke. Dennoch: Als Hilferuf in Richtung Verein kann man diese offenen Gedankenspiele nicht interpretieren, oder?

Kreissl: Nein, wir sind ja in laufenden Gesprächen. Der Verein weiß, wie die Vertragskonstellation ist und dass es für mich kein Selbstläufer ist. Wie gesagt: Das geht es um sehr viele Dinge in meinem persönlichen Bereich. Ich will gar das gar nicht in Richtung Verein schieben. Ich will nicht, dass der Eindruck entsteht, die finale Entscheidung hängt davon ab, wie der Vorstand ausschaut und wie erfolgreich die letzten drei Spiele waren. Es geht ganz einfach darum: Wie viel Kraft habe ich? Wie viel Gier? Wie sehr brenne ich dafür?

Sich in der Kaderplanung jährlich abzuwechseln, ist zwar ein charmanter Gedanke und ein guter Gag, in der Praxis aber wohl nur schwierig umsetzbar.

Schon wenn ein Sportchef die Kaderplanung verantwortet, gibt es Feedback in alle Richtungen – ein Umstand, den Kreissl bei einem Verein mit emotionalem Umfeld wie in Graz bestens kennt.

Wenn es um die Zukunft des Sturm-Kaders geht, klingt der frühere Torhüter kaum amtsmüde. Es gibt auch einiges zu entscheiden.

Die Verträge von Jörg Siebenhandl, Christoph Leitgeb, Thomas Schrammel, Philipp Huspek, Anastasios Avlonitis und Juan Dominguez laufen aus. Bei Isaac Donkor besitzt der Verein eine Option. Kiril Despodov und Thorsten Röcher sind geliehen, bei Zweiterem gibt es eine Kaufoption.

Während im vergangenen Sommer kaum Verträge ausliefen und sich Kreissl seinen Gestaltungsspielraum erst mit Abgängen erarbeiten musste, sind diesmal weniger Fesseln vorhanden – wobei andererseits die Zukunft der einen oder anderen Stammkraft unklar ist.

Zudem wurden bereits im Winter Lukas Jäger (Nürnberg) und Kevin Friesenbichler (Osnabrück) engagiert, die über die Sommer hinaus zu den prägenden Sturm-Figuren zählen sollen.

LAOLA1: In der Winterpause wurde mit zwei Zugängen und drei Abgängen verhältnismäßig behutsam in den Kader eingegriffen. Inwiefern waren die beiden Zugänge ein Vorgriff auf den Sommer?

Kreissl: Beide Zugänge sind Personalien, die uns im Jetzt helfen, aber eben auch ein Vorgriff für das waren, was im Sommer passieren soll. Das Profil mit zwei Österreichern mit Auslandserfahrung in einem sehr guten Alter, beide sind Jahrgang 1994, ist top. Lukas Jäger hilft uns in der gesamten Defensivabteilung sehr – gerade auch im Eröffnungsspiel gegen Mattersburg ist es wichtig, eine weitere Option im zentralen Mittelfeld zu haben. Im Herbst hat man gesehen, wie wichtig Spieler mit Goalgetter-Qualitäten für viele Vereine sind. Ich glaube, dass Kevin Friesenbichler das in einem noch höheren Ausmaß hat, als er das in den letzten zwei, drei Jahren zeigen konnte. Ich halte es für eine spannende Geschichte, gemeinsam daran zu arbeiten, das aus dem Spieler herauszukitzeln.

"Wenn ich rein auf die Leistungen schaue, waren die oft von Spielern besser, die nicht genau gewusst haben, wie es weitergeht – was irgendwie nachvollziehbar ist, weil du weißt, dass du dich für den eigenen Verein wie auch möglicherweise für Alternativen beweisen musst."

LAOLA1: Vergangenen Sommer liefen kaum Verträge aus und es mussten originelle Lösungen her, um Handlungsspielraum zu bekommen. Diesmal laufen mehr Verträge aus. Dies bietet mehr Gestaltungsspielraum. So gesehen im konkreten Fall ein Vorteil?

Kreissl: Die Wahrheit zu dieser Frage gibt es leider nicht. Nach den beiden erfolgreichen Jahren hätten wir gerne gehabt, dass viele Spieler bestehende Verträge bei uns haben. Nach der weniger erfolgreichen Saison 2018/19 hätten wir gerne gehabt, dass viele Verträge auslaufen, was nicht der Fall war. Es ist einfach immer wieder im Einzelfall zu entscheiden, wann man längere Verträge vergibt und wann kürzere. Wenn ich rein auf die Leistungen schaue, waren die oft von Spielern besser, die nicht genau gewusst haben, wie es weitergeht – was irgendwie nachvollziehbar ist, weil du weißt, dass du dich für den eigenen Verein wie auch möglicherweise für Alternativen beweisen musst. Das bringt oft eine hohe Motivation der Burschen mit sich, während wir mit frühen Vertragsverlängerungen oft gar nicht so gut gefahren sind.

LAOLA1: Dennoch: Diesmal gibt es weniger Fesseln.

Kreissl: Das ist richtig, wobei die Fesseln ja vor allem auch wirtschaftliche Dinge betreffen. Wir haben Budget, das frei werden kann, wenn wir das so wollen, und wo man sich verändern kann. Wir haben in diesem Jahr den Hauptkritikpunkt, dass wir älter geworden sind. Die Startelf betreffend ist das durchaus richtig. Wir haben derzeit jedoch so viele Junge im Kader wie schon lange nicht mehr. Derzeit sind acht Spieler aus der eigenen Akademie in jungen Jahren im Kader. Das ist eine hohe Quote. Es gilt zu schauen, wer von ihnen den nächsten Schritt in Sachen Spielzeit macht, denn das andere befriedigt die Leute nicht genug.

Zuletzt wurden mit Winfred Amoah, Dardan Shabanhaxhaj und Niklas Geyrhofer drei weitere Talente in die Kampfmannschaft befördert.

Dort treffen sie auf Vincent Trummer, Florian Ferk und Tobias Koch, der im Frühjahr Kooperationsspieler beim SV Lafnitz ist, sowie die beiden Goalies Tobias Schützenauer und Christopher Giuliani.

Acht Talente sind eine gute Quote, Einsatzzeit haben sie im Herbst jedoch allesamt nicht bekommen.

Spannend ist zudem die Konstellation im Tor, wo die potenziellen Nachrücker schon länger Geduld beweisen und der Vertrag von Einser-Goalie Jörg Siebenhandl ausläuft.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass Kreissl den zu Aris Saloniki abgewanderten Youngster Fabian Ehmann weiter im Blick hat:

LAOLA1: Wer von den Jungen ist so weit, im Frühjahr besagte Spielzeit zu bekommen?

Kreissl: Ich verwehre mich dagegen, zwei herauszupicken, denn dann denken sich die anderen: Von mir ist er nicht begeistert. Ich vergebe Pauschallob, weil ich weiß, wie sensibel gerade junge Spieler bei diesem Thema sind. Aber man wird es ohnehin in den nächsten Wochen sehen. Ich denke schon, dass die Chance größer als im Herbst ist, dass der eine oder andere wirklich seine ersten – bedeutsamen - Einsatzzeiten bekommt. Dann kann auch die Öffentlichkeit nachvollziehen, wer die Nase vorne hat.

"Unser Wunsch ist, mit Jörg Siebenhandl zu verlängern. Es wurden auch schon Gespräche geführt. Für den Verein ist die richtige Laufzeit wichtig. Jörg Siebenhandl als Person interessieren die strategischen Gedanken eines Klubs natürlich weniger, aber darum habe ohnehin ich mich zu kümmern."

LAOLA1: Zu den Spielern aus dem eigenen Nachwuchs zählen auch die Torhüter Tobias Schützenauer und Christopher Giuliani, die sich nun schon eine Zeit lang hinter Jörg Siebenhandl anstellen. Der ist eine starke Nummer eins, gleichzeitig läuft sein Vertrag aus. Wie geht es hier weiter?

Kreissl: Unser Wunsch ist, mit Jörg Siebenhandl zu verlängern. Es wurden auch schon Gespräche geführt. Für den Verein ist die richtige Laufzeit wichtig. Jörg Siebenhandl als Person interessieren die strategischen Gedanken eines Klubs natürlich weniger, aber darum habe ohnehin ich mich zu kümmern. Unser Traum ist es, in zwei, drei Jahren einen Einser-Goalie aus den eigenen Reihen zu haben. Dafür gibt es eine Menge Kandidaten – Schützenauer, Giuliani, der junge Maric präsentiert sich großartig. Wir haben auch Fabian Ehmann durchaus auf der Rechnung und verfolgen sehr genau, wie er sich in Griechenland entwickelt. Er ist nach dem Auslaufen seines Vertrags gewechselt, aber sein Vertrag dort wird auch irgendwann wieder auslaufen. Es wäre schön, wenn es Sturm schafft, auf dieser Position einen Einser zu etablieren, der die eigene Ausbildung gemacht hat. In diesem Zusammenhang gilt es auch die Arbeit von unserer Tormanntrainer, Stefan Loch im Kampfmannschaftsbereich und Roland Goriupp im Entwicklungsbereich sehr zu loben. Deswegen träumen wir zurecht davon.

Dass man beim SK Sturm auf einen Cupsieg von Salzburg oder dem LASK hofft, liegt auf der Hand. Dann reicht nämlich auch der dritte Platz für die direkte Quali für die Gruppenphase der Europa League.

Dafür muss man jedoch erst selbst die Hausaufgaben erledigen und Dritter werden.

Die Ansätze waren im Herbst fraglos da, die Ergebnisse weniger. Vor allem konnte man zu selten nachlegen.

Drei Siege in Folge gelangen den „Blackies“ in der Bundesliga zuletzt im Frühjahr 2018 – im Herbst ließ man die eine oder andere Gelegenheit, Highlights zu veredeln, aus. Diese fehlende Siegesserie ärgert Kreissl, wie er bereits einige Male betonte.

LAOLA1: Hat die fehlende Siegesserie den Herbst durchschnittlicher wirken lassen, als er war?

Günter Kreissl: Definitiv. Wir hatten immer wieder Highlights, auf diese Highlights sind jedoch immer wieder Tiefschläge gefolgt. Tiefschläge sind Situationen, in denen du auf Gegner triffst, die entweder selbst in einer Formkrise sind, selbst Ausfälle haben, wo du zu Hause als Favorit in das Spiel gehst – und dann nicht gewinnst. So knapp wie die Tabelle ist, kann sich jeder ausrechnen: Mit sechs, sieben Punkten mehr wäre in Graz, wo es ohnehin oft Sonne gibt, laufender Sonnenschein. So gibt es oft Wolken und Kritik – und das zurecht! Wir stehen nicht da, wo wir gerne stehen würden, sind aber trotzdem – da lasse ich mich nicht beirren – auf einem guten Weg.

LAOLA1: Für einen Trainer ist Kontinuität wichtig. Nestor El Maestro startet in sein zweites Halbjahr. Was macht Sie zuversichtlich, dass seine Idee verfestigter ist?

Kreissl: Es war seine zweite Vorbereitung, die Spieler kennen ihn länger. Im Sommer geht es extrem schnell los, du hast vier Wochen Vorbereitung, dann starten die großen Aufgaben international und national. Es tut sicher gut, dass die Mannschaft seine genauen Ideen noch besser kennt. Eine Vorbereitung mit Nestor El Maestro ist kein Honiglecken, aber eine gute Basis für das, was wir uns im Frühjahr vornehmen. Ich bin zuversichtlich, dass sich diese Kontinuität – im Sinne davon, dass Mannschaft und Trainer nun schon länger zusammenarbeiten – auszahlen wird.

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