Umsonst wird man nicht als "Jahrhunderttalent" geadelt.
Sandi Lovric ist jedenfalls kein Kicker, der in seiner Karriere kleine Brötchen backen will.
Entsprechend mutig fällt auch sein Saison-Ziel mit dem SK Sturm Graz aus: "Wenn wir hart arbeiten, sehr konzentriert spielen und Woche für Woche zeigen, was wir uns im Training erarbeiten, glaube ich, dass sehr viel drinnen ist. Sehr viel bedeutet das Bestmögliche. Der Wunsch von jedem muss der Titel sein, das ist klar. Ich will auf jeden Fall jedes Spiel gewinnen, das will jeder von uns."
Ob man dies als Kampfansage an Dauer-Champion FC Red Bull Salzburg werten dürfe? "Ja, warum nicht?"
Warten auf den Durchbruch
Ob diese Meister-Ansage mit dem offiziellen Saison-Ziel der Grazer einhergehen wird, sei dahingestellt. Sie symbolisiert jedoch, dass es Lovric wissen will. Endlich.
Knapp drei Jahre ist es inzwischen her, dass der zentrale Mittelfeldspieler seine ersten Gehversuche in der Bundesliga wagen durfte - damals noch unter Trainer Darko Milanic, der ihn als 16-Jährigen Mitte August 2014 gegen Austria Wien in der Schlussphase einwechselte.
So richtig der Durchbruch gelingen wollte Lovric seither jedoch nicht. Insgesamt sammelte er in den vergangenen drei Jahren lediglich 19 Einsätze in der höchsten Spielklasse - nur deren drei in der vergangenen Spielzeit, der bisherige Tiefpunkt.
Sturm im Herzen
"Ich habe einige Gespräche mit dem Trainer geführt, wir haben über vieles geredet. Sturm ist in meinem Herzen drinnen. Schlussendlich glaube ich, dass es die richtige Entscheidung war, hier zu bleiben."
Am Ende der Saison 2016/17 lief zudem sein Vertrag aus - das "Jahrhunderttalent" hätte Sturm ablösefrei verlassen können, ohne dass die Grazer so richtig getestet hätten, was sie an ihrem Juwel haben.
Doch Lovric widerstand anderen Lockrufen und hielt den "Blackies" die Treue: "Ich habe einige Gespräche mit dem Trainer geführt, wir haben über vieles geredet. Sturm ist in meinem Herzen drinnen. Schlussendlich glaube ich, dass es die richtige Entscheidung war, hier zu bleiben."
Ganz ohne Absicherung geht der Youngster jedoch nicht in die schwarz-weiße Verlängerung. Sein neuer Kontrakt ist nur bis Sommer 2018 datiert und kann sich nur bei einer entsprechenden Anzahl an Einsätzen um eine weitere Spielzeit verlängern.
"Ich gebe auf jeden Fall Vollgas. Ich will heuer unbedingt spielen und so viele Spiele wie möglich machen. Dann werden wir sehen, was dabei rauskommt", meint Lovric zu dieser Klausel.
Saison der Wahrheit
Seine Personalie wird also fraglos eine der spannendsten in der kommenden Sturm-Spielzeit. In gewisser Art und Weise ist es für beide Parteien eine Saison der Wahrheit. Trainer Franco Foda musste jede Menge Kritik einstecken, dass er dem Talent keine echte Chance geben würde. Lovric wiederum ist aufgefordert, die Chance zu nutzen, so er sie bekommen sollte.
Die Augen werden jedenfalls auf ihn gerichtet sein. Auch in diesem Text wurde bereits auf dem Label "Jahrhunderttalent" herumgeritten - eine Einschätzung, die den inzwischen 19-Jährigen nun schon über Jahre begleitet. Ob ihn solch ein Attribut eher pusht oder mehr unter Druck setzt?
"Ich habe mir diesen Beinamen nicht selbst gegeben, sondern das haben Außenstehende getan. Ich nehme das zur Kenntnis, beschäftige mich aber grundsätzlich nicht näher damit", nimmt er diesen unfreiwilligen Adelstitel gelassen zur Kenntnis.
Mit 19 schon viel erlebt
Viel wichtiger ist da schon die Erkenntnis, dass einem auch als vermeintliches "Jahrhunderttalent" nichts geschenkt wird und noch viel Lernbedarf besteht. Sicherlich waren die vergangenen Jahre keine einfachen für den Nachwuchs-Teamspieler, er meint sie jedoch gut für seine Weiterentwicklung genutzt zu haben:
"Es ist ein Prozess, in dem man sehr viel lernt, und ich habe in diesen drei Jahren auch wirklich sehr viel gelernt. Ich habe mich persönlich weiterentwickelt und weiß nun, mit gewissen Dingen umzugehen. Ich bin ja erst 19, habe aber für mein Alter schon sehr viel erlebt, bin nun schon einige Jahre im Geschäft. Man lernt immer etwas dazu."
Dies sei einerseits aufs Spielerische bezogen, andererseits auf die Persönlichkeit: "Ich habe gelernt geduldig zu sein und immer hart weiter zu arbeiten. Irgendwann kriegt man die Chance, und dann muss man da sein."
Lektionen von Matic
Wichtige Lektionen lernte Lovric diesbezüglich von Uros Matic. Am nunmehrigen Kopenhagen-Kicker gab es im Herbst 2016 keinen Weg vorbei, auch nach dessen Abschied in der Winterpause wollte es nicht so recht klappen.
Während der halbjährigen Zusammenarbeit entwickelte sich jedoch ein gutes Verhältnis, von dem der Youngster heute noch schwärmt: "In jedem Training habe ich von Uros gelernt - natürlich auch in den Spielen, aber vor allem im Training. Er hat viel mit mir geredet und mich aufgefordert, weiter Gas zu geben."
Auch Matic ging nach seinem Abschied auf das gute Verhältnis zu seinem Nachfolge-Kandidaten ein: "Als älterer Spieler habe ich jeden Tag versucht, ihm unter die Arme zu greifen und ihm zu helfen, ein großer Star in dieser Liga zu werden. Er hat eine große Zukunft in diesem Klub. Man muss jedoch abwarten, wie er sich entwickelt. Er hat große Qualität, aber er muss erst lernen, sie richtig einzusetzen. Ich war auch einmal ein junger Spieler und bin auf der Bank gesessen. Das ist Teil des Jobs. Du musst warten, bis deine Zeit kommt. Wenn deine Zeit kommt, musst du jedoch zu 100 Prozent bereit sein und alle Fragen beantworten."
Die Königsklasse als Ziel
"Mein Ziel ist es, Champions League zu spielen. Ich möchte mit 35 Jahren zurückschauen und mir denken: 'Wow, ich habe eine richtig geile Karriere gehabt.'"
Dieser Zeitpunkt könnte nun gekommen sein. In den bisherigen Testspielen war Lovric zumeist Mitglied der Startelf. Ein Indiz, dass es im Hinblick auf den Saison-Start in die richtige Richtung geht? "Ich glaube schon. Ich habe gut trainiert und gut gespielt. Ich denke, am Ende des Tages wird harte Arbeit belohnt, das ist so im Leben. Aber das Wichtigste ist, dass ich weiter hart arbeiten muss."
Ohne die harte Arbeit wird Lovric seine persönlichen Ziele nicht erreichen - und er ist eben kein Kicker, der in seiner Karriere kleine Brötchen backen will:
"Mein Ziel ist es, Champions League zu spielen. Ich möchte mit 35 Jahren zurückschauen und mir denken: 'Wow, ich habe eine richtig geile Karriere gehabt.'"
Angesichts seiner Meister-Ansage ließe sich das Ziel Champions League auch in Graz erreichen. Mit Sturm in die Königsklasse? "Wenn's geht, warum nicht?"
Visionen sollte man einem "Jahrhunderttalent" definitiv nicht verbieten.