Ein einziges Mal musste der FC Red Bull Salzburg seit dem Einstieg von Red Bull vor über 18 Jahren in drei aufeinanderfolgenden Pflichtspielen Niederlagen einstecken.
Im Herbst 2020 verlor man in der Gruppenphase der Champions League mit 2:6 gegen den FC Bayern München, anschließend mit 1:3 gegen Sturm Graz in der Bundesliga und, wieder in der "Königsklasse", mit 0:2 gegen Atletico Madrid, jeweils in der Red Bull Arena. Von einer Krise sprach damals niemand.
Das ist nun anders. Was zum einen daran liegt, dass die aktuelle (Mini-)Unserie der sonst so heimstarken Mozartstädter gegen Klubs mit nicht ganz so großem Namen wie vor drei Jahren passierte, zu anderen daran, dass die "Bullen" beim Kracherspiel der elften Bundesliga-Runde, beim 0:1 gegen den LASK (Spielbericht>>>), ein untypisch chancenloses Gesicht präsentierten.
"Wir haben uns vom ersten Moment an die Schneid abkaufen lassen", konstatiert Coach Gerhard Struber nach dem Spiel.
Salzburg "überrascht" von Linzer Gangart
Im Schneid Abkaufen sind die Mozartstädter normalerweise selbst recht gut. Erst vor wenigen Wochen, beim 2:0-Auftaktsieg in der Champions League gegen Benfica Lissabon, legten sie los wie die Feuerwehr und brachten das portugiesische Spitzenteam somit von Anfang an in Bedrängnis.
Ganz anders am Samstag. Der LASK, der seit diesem Sommer bekanntlich wieder vermehrt auf hohes Pressing baut, setzte das Heimteam von der ersten Minute an am eigenen Sechzehner unter Druck und ließ es überhaupt nicht ins Spiel kommen.
Salzburg selbst war zu keinem Moment in der Lage zu pressen, weil die Linzer jeden Ball aus der eigenen Hälfte hoch nach vorne beförderten, um den Gegner vor seinem Sechzehner in Duelle um den zweiten Ball zu zwingen.
"Die Tugenden, die Linz unter Beweist gestellt hat, waren wie erwartet. Gleichzeitig ist die Realität am Platz eine andere. Wir haben den Fight nicht angenommen, waren überrascht von der Gangart, was die ersten Duelle, was den Kampf um den zweiten Ball angeht", schüttelt Struber den Kopf.
Erschreckend schwache Offensivleistung
Seine Mannschaft habe sich im Laufe der Partie "das Lenkrad mehr und mehr aus der Hand nehmen lassen", sei "immer mehr im Reaktionsmodus" und nicht am Steuer gewesen. "Das war überhaupt nicht das Gesicht, welches uns entspricht. Wir dürfen uns hier nie und nimmer die Schneid abkaufen lassen, sondern müssen unserer Identität und unserem Prinzip massiv treu bleiben."
Was sonst noch an diesem Abend gefehlt habe? "Was hat nicht gefehlt?", stellt Alexander Schlager bei "Sky" die entscheidende Gegenfrage.
"Wir waren nicht konsequent Richtung Tor, haben gefühlt keine einzig klare Torchance in 90 Minuten herausgespielt und haben es ihnen hinten immer wieder zu einfach gemacht", so der Salzburg-Goalie mit langjähriger LASK-Vergangenheit.
In Zahlen ausgedrückt liest sich die von Schlager formulierte Kritik so: Salzburg kam am Samstag nur auf einen Expected-Goals-Wert von 0,5 und den damit bisher niedrigsten der laufenden Saison; die einzige richtig gute Chance, eine von Karim Konate in Hälfte eins, entstand nach einem Fehlpass von LASK-Verteidiger Maksym Talovierov.
Der LASK hingegen wies einen Wert von 0,94 erwarteten Toren auf; die Linzer hätten das Ergebnis im Endspurt sogar noch um einiges deutlicher machen können, drei Mal Elias Havel und einmal Thomas Goiginger ließen auf dem Weg alleine zum Tor aber Großchancen aus.
Pfiffe von den Heimfans! "Haben einiges dazu beigetragen"
Kein Wunder also, dass die Salzburger von ihren eigenen Fans sowohl zum Halbzeit- als auch zum Schlusspfiff mit einem Pfeifkonzert in die Kabinen verabschiedet wurden.
"Wir waren heute selber sehr enttäuscht über unsere Leistung. Wenn wir die Basics nicht auf den Platz bringen, kann es passieren, dass Pfiffe kommen. Heute haben wir das erlebt. Das ist nicht fein, aber wir haben auch einiges dazu beigetragen", wird Struber deutlich.
"Es ist schon ein Unterschied, ob man mit 100 Prozent die Dinge annimmt, oder ob es nur 95 sind."
Der Kuchler hält fest: "Uns hat heute das Feuer gefehlt, um in den typischen Momenten des Abnützungskampfs Paroli zu bieten. Story of the Game war heute: Abnützungskampf pur. Den hat der LASK besser geführt als wir, da muss man ehrlich sein."
Der "Bullen"-Coach würde seiner Mannschaft zwar nie den Willen absprechen, "aber es ist schon ein Unterschied, ob man mit 100 Prozent die Dinge annimmt, oder ob es nur 95 sind. Dieser Gap dazwischen war heute sichtbar, das müssen wir schleunigst ändern".
13 Nationalspieler zuletzt unterwegs
Die fehlenden fünf Prozent sind mit Sicherheit auch mit der zurückliegenden Länderspielpause zu erklären. Während LASK-Coach Thomas Sageder nach der Partie von einer "gut genutzten Länderspielpause" seiner Mannschaft sprach, musste Struber die selbige mit einem Rumpfkader bestreiten.
Nicht weniger als 13 Salzburger Spieler waren in den letzten zwei Wochen mit ihren jeweiligen Nationalteams rund um den Globus unterwegs; von der Startelf von Samstag waren es sieben - für Struber dennoch keine Ausrede:
"Wir werden nicht zu weinen anfangen, weil die Jungs in der Länderspielpause nicht da sind. Sowas gilt nicht als Ausrede. Wir waren heute einfach nicht schlagkräftig und haben die Basics nicht auf das Level geschraubt, welches notwendig gewesen wäre."
"...dann ist es auch in Mailand möglich, den Gegner zu ärgern"
Ein vermutlich noch höheres Level gilt es am kommenden Dienstag zu erreichen. Mit dem Auswärtsspiel bei Champions-League-Vorjahresfinalist Inter Mailand steht eine der härtesten Aufgaben des Jahres am Programm.
Struber dazu: "Das Spiel ist eine gute Chance, in ein besseres Mindset zu finden und ein anderes Gesicht zu zeigen. Das ist ein ganz anderer Bewerb, ein ganz anderes Spiel, in welchem wir von der Favoritenrolle weit entfernt sind. Da können wir richtig viel gewinnen, was das Selbstvertrauen angeht."
Man könnte es auch so formulieren, dass die Salzburger im Giuseppe-Meazza-Stadion überhaupt nur gewinnen können. Denn, so ehrlich muss man trotz rot-weiß-roter Brille sein: Selbst ein Punktgewinn im Mailand käme angesichts der momentanen Mozartstädter Form einer kleinen Sensation gleich.
"Es gilt einfach, unsere Tugenden und Mechanismen wieder auf den Platz zu bringen. Dann ist es auch in Mailand möglich, den Gegner zu ärgern. Das wollen wir am Dienstag schaffen. Dafür braucht es ein gutes Mindset. Die Jungs werden morgen in der Früh einen Trainer spüren, der alles dafür unternimmt", verspricht Struber.
Leichte personelle Entwarnung vor Abflug nach Mailand
Und seine Mannschaft wird einen Trainer spüren, der personell etwas durchatmen darf. So wird Strahinja Pavlovic, der Salzburg am Samstag rotgesperrt schwer abging, wieder in den Kader zurückkehren, auch beim erkrankten Dauerläufer Mads Bidstrup stehen die Zeichen positiv.
Ob sich für den zuletzt verletzten Sekou Koita eine Kader-Nominierung ausgeht, ist ebenso offen, wie bei Aleksa Terzic, der gegen den LASK mit einer Adduktoren-Verletzung ausgewechselt werden musste.
Egal, wie die Mozartstädter Mannschaft, die am Samstag den heiligen Rasen des San Siro betritt, aussehen wird, die "Bullen" brauchen am Dienstag eine in allen Belangen verbesserte Leistung, um mit Italiens Tabellenführer mithalten zu können.
Wie Struber vorhat, die "Nerazzurri" zu biegen?
"Indem wir uns einfach in Erinnerung rufen, was uns stark macht, welche die Dinge sind, die wir am Platz steuern können. Es gilt, hohe Aggressivität und Intensität unter Beweis zu stellen, und das in außerordentlicher Art und Weise. Weil das in der Champions League notwendig ist."