An die Bayern hatte Thomas Letsch eigentlich gute Erinnerungen.
Der neue Trainer des FC Red Bull Salzburg feierte seinen letzten Sieg an der Seitenlinie eines Fußball-Spiels gegen den deutschen Rekordmeister.
Am 22. Spieltag der vergangenen Saison in der deutschen Bundesliga schlug Letschs damaliger Verein, der VfL Bochum, die Bayern unter anderem dank eines überragenden Kevin Stöger mit 3:2.
Danach setzte es für die Letsch-Elf allerdings fast nur mehr Niederlagen, weshalb seine Zeit in Bochum keine zwei Monate nach diesem Sensationssieg endete.
"Eine Lehrstunde"
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
Davon, einen weiteren Sieg über die Bayern zu bejubeln, war Letsch am Montag meilenweit entfernt. Beim ersten Spiel nach seiner Rückkehr auf die Salzburger Trainerbank kassierten seine "Bullen" ein 0:6-Testspiel-Debakel gegen den deutschen Top-Klub (Spielbericht>>>).
"Das war heute eine Lehrstunde, bei der wir mit sechs Toren noch gut bedient waren", lautet das bittere Resümee des 56-Jährigen nach seiner Premiere.
Eine Wiederholung des mittlerweile berüchtigten 3:0-Testspielsiegs der Salzburger über die Bayern vom Jänner 2014, als die "Bullen" das deutsche Weltklasse-Team mit ihrem unnachgiebigen Pressing beinahe überrannten, war diesmal nicht ansatzweise drinnen.
Statt hohem, giftigem Pressing war diesmal eine Heimmannschaft zu sehen, die sich tief in die eigene Hälfte drücken ließ und selbst kaum gefährlich wurde; speziell in Halbzeit zwei, in der zum Großteil Liefering-Spieler auf Seiten der Salzburger am Platz standen, war kaum mehr ernsthafte Gegenwehr zu vernehmen.
Pressing funktionierte überhaupt nicht
Das Ziel sei gewesen, der - auch aufgrund eines hohen Andrangs von Gästefans - nahezu ausverkauften Red Bull Arena zu zeigen, "was wir in diesem Jahr vorhaben. Das ist nicht gelungen", konstatiert Letsch.
"Wir waren den Bayern in allen Belangen völlig unterlegen. Es war ein Klassenunterschied von nicht nur einer Klasse. Insgesamt war es nicht so mutig, wie wir uns das vorgestellt haben", wird der Deutsche deutlich.
Es war geplant, "die Bayern relativ hoch zu attackieren", das sei aber kaum gelungen: "Wir haben es nicht geschafft, Zugriff zu finden, es war mehr ein Hinterherlaufen. Deshalb können wir nicht zufrieden sein."
Erkältungswelle keine Ausrede
"Diese Leistung hätte auch in der Liga nicht gereicht."
Etwas relativiert wird das Debakel vom Umstand, dass den "Bullen" am Montag mit Kamil Piatkowski, Aleksa Terzic, Bobby Clark, Nicolas Capaldo, Oscar Gloukh, Dorgeles Nene und Karim Onisiwo (allesamt erkrankt) sowie den Langzeitverletzten Maurits Kjaergaard und Karim Konate neun Spieler fehlten, die im Normalfall den Anspruch haben, Stammspieler zu sein.
Auch, dass die Bayern voll im Saft stehen und bereits am kommenden Samstag mit einem Auswärtsspiel gegen Borussia Mönchengladbach ins Frühjahr starten, will Letsch nicht unerwähnt lassen.
Dennoch hält er fest: "Aber diese Leistung hätte auch in der Liga nicht gereicht. Das haben wir in der Kabine angesprochen und das weiß auch jeder."
Wie sinnvoll war dieses Testspiel?
Nach einem so dermaßen deutlichen Ergebnis stellt sich freilich die Frage, wie sinnvoll dieses Testspiel für beide Seiten überhaupt war.
Speziell aus Sicht der Salzburger kann man daran zweifeln, ob angesichts des ohnehin schon angeknacksten Selbstvertrauens ein erster Vorbereitungsgegner in etwas näherer Reichweite nicht zweckdienlicher gewesen wäre - vor allem, weil den "Bullen" im Jänner mit den Partien gegen die beiden Madrider Topvereine ohnehin noch zwei ähnlich harte Aufgaben bevorstehen.
"Vielleicht", meint Letsch dazu. Schlussendlich sei es aber "völlig egal. Damit beschäftige ich mich nicht. Wir nehmen die Situation so, wie sie ist. Heute ging es gegen eine verdammt gute Mannschaft aus Bayern, die eine Woche vor Punktspiel-Start ist".
Verteidiger Leandro Morgalla hebt die potenziellen Lerneffekte aus einem Duell mit einem solchen fußballerischen Großkaliber hervor: "Aus so einem Spiel kann man auch lernen. Wir haben gegen ein überragendes Bayern gespielt. Wir werden die Lehren aus dem Spiel ziehen."
Man habe "auf etwas härtere Art und Weise erfahren, woran wir arbeiten müssen", denkt Letsch in eine ähnliche Richtung.
Neues, altes System
Damit meint der Deutsche vor allem das Spiel gegen den Ball. Es war bereits im ersten Spiel unter Letsch, nach nur drei Trainingstagen, offensichtlich, dass die Salzburger künftig wieder einen deutlich anderen spielerischen Ansatz als unter Pep Lijnders wählen werden.
Statt es mit gepflegtem Aufbauspiel zu versuchen, wurde diesmal sehr oft versucht, den direkten hohen Ball in die Spitze zu spielen, um anschließend in Duelle um den zweiten Ball zu kommen.
Unter anderem war dies bei einem neu eingeführten Anstoßtrick zu sehen, bei welchem der Anstoß direkt auf den linken Salzburger Innenverteidiger zurückgespielt wurde, der den Ball für seinen Innenverteidigungs-Partner stoppte, damit dieser die Kugel hoch nach vorne jagen konnte. Erfolgreich war das am Montag nicht.
Um mehr Spieler in die Pressingzone zu bekommen, wich Letsch sofort vom zuvor gespielten 4-3-3-System ab und ließ stattdessen ein 4-2-2-2, welches in ähnlicher Form in der Vergangenheit bereits von Roger Schmidt oder Jesse Marsch in Salzburg praktiziert wurde, spielen.
Das System war aber mehr Mittel zum Zweck; bereits bei seiner Antritts-Pressekonferenz betonte Letsch, dass das System weniger wichtig ist als die Prinzipien, mit denen seine Spieler auf den Platz gehen. Es sei gut möglich, dass sich die Mozartstädter Grundordnung je nach Gegner ändern könnte.
Die Erkenntnisse
Die deutliche Niederlage und die in ihr resultierenden Mängel im Pressing "haben nichts mit der Systematik zu tun, sondern eher mit dem mangelnden Mut. Wir haben ein paar andere Ideen, als in der Vergangenheit gespielt wurde. Deshalb ziehen wir viele Erkenntnisse daraus", verspricht Letsch.
Auch abseits von taktischen Details gab es einige Erkenntnisse. So durfte diesmal wieder Alexander Schlager die Kapitänsschleife überstreifen, obwohl auch der sich in der Rangordnung eigentlich vor ihm befindliche Amar Dedic in der Startelf stand. Letsch will sich bezüglich der Kapitänsfrage aber noch nicht festlegen, das soll erst vor dem ersten Pflichtspiel am 22. Jänner gegen Real Madrid geschehen.
Eine weitere Erkenntnis ist, dass der Salzburger Kader zwar sehr breit ist - mit den dazugenommenen Lieferingern waren am Montag trotz der neun Ausfälle 25 verschiedene Spieler im Einsatz -, einige von den eingesetzten Spielern aber (noch) nicht die Qualität haben, die "Bullen" besser zu machen.
Gute Transfers im Winter schwierig
"Es macht nur Sinn, Spieler zu holen, die uns definitiv besser machen können. Wir haben Winter, da muss man ehrlich sein, wie der Markt aussieht."
Geschäftsführer Sport Rouven Schröder sucht momentan intensiv nach externen Verstärkungen, diese sind in einem Wintertransferfenster allerdings schwer zu bekommen.
Das weiß auch Letsch: "Es macht nur Sinn, Spieler zu holen, die uns definitiv besser machen können. Wir haben Winter, da muss man ehrlich sein, wie der Markt aussieht."
Schröder verriet erst am vergangenen Freitag, dass geplant sei, in den nächsten Tagen einen weiteren Neuzugang nach Karim Onisiwo zu präsentieren.
Mini-Trainingslager steht an
Im Idealfall ist dieser Spieler bis zum kommenden Donnerstag bereits verpflichtet, wenn es für die Salzburger für ein achttägiges Trainingslager ins portugiesische Faro geht, wo am 15. Jänner auch ein Testspiel gegen einen Gegner, der deutlich mehr auf Augenhöhe sein dürfte, ansteht: Der FC Midtjylland aus Dänemark.
Aufgrund der Kürze der heurigen Wintervorbereitung sei es wichtig, dass seine Spieler "relativ schnell auf Zug kommen", erklärt Letsch. Bisher sei sein Eindruck von der Mannschaft ein positiver: "Die Jungs sind gut, sie geben Gas."
Nur mit Gasgeben ist es freilich nicht getan. Die Salzburger müssen sich in quasi allen Belangen verbessern, um ihren Horrorherbst in den kommenden Monaten vergessen machen zu lassen.
Eine Leistung wie am Montag gegen die Bayern wird auch auf nationaler Ebene nicht reichen, damit hat Letsch recht. Allzu viel Bedeutung sollte man der hohen Testspiel-Niederlage gegen die Bayern ob ihres Zeitpunkts und den Umständen, unter denen sie passiert ist, aber nicht beimessen.
So spielte Salzburg gegen Bayern: Schlager (46. Blaswich); Dedic (46. Morgalla (80. Okoh)), S. Baidoo (46. Gadou), Blank (46. Mellberg), Guindo (46. Trummer); Diakite (46. Lukic (80. Jano), Bidstrup (46. Bajcetic (80. Paumgartner)), Gourna-Douath (46. Kawamura), Yeo (46. Diambou); Daghim (46. E. Baidoo), Ratkov (46. Verhounig)