"Löwen oder Katzerl?", wollte Christian Ilzer bei der Cupsieger-Feier von seinen Spielern wissen.
Es gab schon weniger originelle Metaphern, um den Titelkampf auszurufen. Um erst gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, schob der 45-Jährige noch ein "Jetzt beginnt es erst!" nach.
Ja, die "Löwen" vom SK Sturm Graz wollen nichts unversucht lassen, um fette Beute zu machen und den FC Red Bull Salzburg auch in der Bundesliga zu entthronen.
Wer zu diesem Zeitpunkt der Saison noch die Chance hat, muss sie auch nutzen wollen.
Ilzer: "Alles ist möglich"
"Es sind noch vier Runden zu spielen, und wir können wirklich sagen, es ist alles möglich", unterstreicht Ilzer, bleibt aber gleichzeitig bei der schwarz-weißen Herangehensweise, bedingungslos bei sich zu bleiben:
"Voller Fokus auf unsere Leistung und das maximal Mögliche aus uns herausholen! Darauf konzentrieren wir uns, dafür arbeiten wir in jedem einzelnen Training. Wenn wir das sehr gut machen, wird das Feedback am Ende ein sehr gutes sein. Dann ist alles möglich, auch das scheinbar Unmögliche in Österreich."
Wie scheinbar unmöglich das in Österreich ist, symbolisierte auch der sonntägliche Fußball-Nachmittag in Wien-Favoriten.
Die gastgebende Austria ehrte nämlich jene Helden, die als letzte österreichische Mannschaft einen Meistertitel Salzburgs verhindert haben. 2013 war das, das ist auch schon wieder zehn Jahre her.
Kommunikative Kniffe
Danach feierte Sturm Graz einen 2:1-Sieg am Verteilerkreis, der auf einer souveränen Darbietung vor und einer eher wackligen Leistung nach der Pause basierte.
Gerade in den ersten 45 Minuten waren bei Sturm "Löwen" am Werk, die den Kontrahenten scheinbar "fressen" wollten. "Es war ein extrem starkes Zeichen für alle, die geglaubt haben, dass wir müde sind von den Feierlichkeiten", findet Ilzer.
"Im Fußball spricht man oft nur von Qualität und von taktischen Winkelzügen, aber am Ende wird das Spiel von Menschen gespielt."
Die "Blackies" wären nicht das erste Team in der Fußball-Geschichte gewesen, das unmittelbar nach einem großen Erfolg nicht nachlegen kann. Es galt mit allen Mitteln zu verhindern, dass sich jemand nach dem Erfolg zurücklehnt.
"Natürlich hatten wir Strategien, und hat es den einen oder anderen kommunikativen Kniff gebraucht, um dem entgegenzuwirken. Im Fußball spricht man oft nur von Qualität und von taktischen Winkelzügen, aber am Ende wird das Spiel von Menschen gespielt", erinnert Ilzer.
Das Lob macht etwas im Kopf
Für den Sturm-Coach ist es der Charakterzug einer Erfolgsmannschaft mehr zu wollen. Umso mehr galt es unter der Woche daran zu arbeiten, um nach der Party besagten Fokus wieder zu finden.
"Wir haben den Erfolg sehr genossen. Es ist viel Lob auf uns eingeprasselt. Das macht natürlich etwas im Kopf. Klar ist eine gewisse Zufriedenheit da", so Ilzer, der jedoch auch wusste, wie er den Erfolg in die richtige Richtung lenken wollte:
"Auf der einen Seite ist es ein Gefühl, das zusammenschweißt, noch mal Energie freisetzt, dir viel Selbstvertrauen gibt. Aber mir ist auf der anderen Seite auch bewusst, dass man sich auf die richtigen Dinge fokussieren muss. Ich weiß, dass man in solchen Partien dann oft die Wichtigkeit des Verteidigens oder die Schärfe gegen den Ball liegen lässt."
Diese Themen betreffend habe man sehr gute Gespräche geführt: "Wir haben uns noch mal richtig eingeschworen auf diese fünf Endspiele. Jeder hat gezeigt, dass wir weiterhin hungrig nach Erfolg sind."
Kopfgeschichten
Der Hunger wurde in Wien-Favoriten gestillt. "Schlussendlich zählt das Ergebnis", betont Ilzer, der auf "Big Points in einem schwierigen Auswärtsspiel" verweisen durfte.
Dass die Austria noch mal aufkam, führte der Oststeirer auf das violette Anschlusstor kurz nach dem Seitenwechsel zurück: "Dann ist das Stadion gekommen, und die Austria hat extreme Zuversicht gekriegt sowie Energie und Kampfkraft entwickelt. Da haben wir schon Zeit gebraucht, bis wir das Spiel wieder balancieren konnten."
"Man führt, trägt das Gefühl in sich, alles im Griff zu haben. Plötzlich passiert etwas - da in der Sekunde wieder den Schalter umzulegen, ist nicht so einfach."
So wie Sturm zu Beginn mental richtig auf das Spiel eins nach dem Cupsieg eingestellt war, ortete Ilzer auch in dieser Phase "Kopfgeschichten".
"Man führt, trägt das Gefühl in sich, alles im Griff zu haben. Plötzlich passiert etwas - da in der Sekunde wieder den Schalter umzulegen, ist nicht so einfach. Man darf ja auch nicht vergessen, dass der Gegner einen extremen mentalen Aufschwung kriegt. Im eigenen Kopf passiert alles Mögliche - diese Stimmen und Gefühle muss ich schon sehr, sehr gut im Griff haben. Das ist ein Prozess, an dem die Spieler arbeiten."
Die DNA ist fest verankert
Gleichzeitig steht die Herangehensweise bis kurz vor Schluss stellvertretend dafür, dass es Ilzer gelungen ist, seine Inhalte bedingungslos in den Köpfen seiner Spieler zu verankern.
In der Nachspielzeit gab es eine Szene, in welcher Sturm relativ einfach hätte Zeit von der Uhr nehmen hätte können, indem man den Ballbesitz etwa an die Cornerfahne verlagert, stattdessen suchte man den Abschluss und riskierte einen Konter.
Das fand Ilzer gut und weniger gelungen gleichzeitig: "Grundsätzlich ist es überhaupt nicht in meinem Sinne, irgendetwas zu verwalten oder herumzuschaukeln. Das ist nicht unsere DNA. Das vermittle ich meinen Spielern immer. Ich habe auch zur Pause gesagt, wir spielen auf ein drittes Tor."
In besagter Szene hätte man situationselastisch handeln können, wobei Ilzer betont: "Grundsätzlich taugt mir die Herangehensweise, nicht auf die Uhr zu schauen und die Chance auf ein drittes Tor nutzen zu wollen. Das ist der richtige Zugang! Aber hier wäre es natürlich situationsabhängig angebracht gewesen, das Spiel in die Ecke zu bringen und weit weg vom eigenen Tor zu halten."
Ilzer: "Ziele über den Cupsieg hinaus"
Vielleicht sind es auch solche Szenen, die Ilzers Frage "Löwen oder Katzerl?" beantworten.
"Es waren schöne Momente, eine schöne Feier, aber im Grunde genommen ist es schon wieder vorbei. Im Fußball geht es ganz schnell", betont auch Stefan Hierländer, dass man sich auf dem Cupsieg nicht ausruht.
"Wann, wenn nicht jetzt? Wer will nicht Meister werden?", fragt Manprit Sarkaria, von "Sky" auf die Double-Chance angesprochen.
Es scheint Ilzer gelungen zu sein, dass seine Spieler gedanklich nicht zu lange beim Cupsieg bleiben. Schon die ganze Saison über hat sich Sturm für seine Leistungen viel positives Feedback in Form von Ergebnissen abgeholt. Entsprechend konnten die Ziele step by step gesteigert werden.
"Jetzt haben wir ganz klare Ziele über diesen Cupsieg hinaus", so Ilzer, "aber der Fokus gilt ganz klar der Leistung."