"Ich bin sprachlos", lautet die klare Ansage von Sturm-Kapitän Stefan Hierländer in den Katakomben der Merkur Arena.
Die 2:3-Last-Minute-Heimniederlage nach 2:0-Führung gegen den SK Rapid war symptomatisch für die bisherige Saison und die immer mehr schwindenden Chancen auf einen Europacup-Platz.
Der Verein ist zerrüttet, zum x-ten Mal wird ein Neuanfang angestrebt. Andreas Schicker erbte den Geschäftsführer-Sport-Posten von Günter Kreissl, Nestor el Maestro wurde die Wende nicht mehr zugetraut. Und auch der Einstand von Interimstrainer Thomas Hösele ging in die Hose.
Die Spieler selbst sind verzweifelt und ratlos. Jakob Jantscher brachte es bei "Sky" klar und deutlich auf den Punkt, in welcher Sackgasse sich der Verein befindet: "Erste Halbzeit war schwer in Ordnung, da haben wir teilweise guten Fußball geboten. Zweite Halbzeit haben wir wieder alles vermissen lassen, deswegen auch verdient verloren. Wir sind einfach in einer Scheißsituation und dann geht halt nichts."
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
"Dann bricht alles zusammen wie ein Kartenhaus"
Bei Hierländer und Jantscher handelt es sich bekanntlich um gestandene Bundesliga-Spieler mit jeder Menge Erfahrung. Trotzdem sehen sie aktuell keinen Ausweg aus dem tristen Alltag, der derzeit von einer Niederlage in die andere übergeht. Nur eines von acht Spielen in der Meister-Gruppe konnte bisher gewonnen werden.
"Es ist mühsam hier zu stehen und immer irgendwelche Erklärungen zu suchen. Ausreden gibt es jetzt nicht mehr…", konnte Hierländer nicht fassen, dass die Grazer das Spiel gegen Rapid noch aus der Hand gegeben haben. "Wenn man glaubt, dass Rapid nicht irgendeine Reaktion zeigen wird, ist man fehl am Platz. Wenn man 2:0 führt, ist es klar, dass der Gegner – egal ob das Rapid ist oder Altach oder Mattersburg – eine Reaktion zeigt. Dann muss man dagegen halten."
Hierländers Fazit lautet jedoch: "Wir wehren uns zu wenig." Der Kapitän erklärt: "Es ist schwierig, die richtigen Worte zu finden. Wir haben es uns selbst eingebrockt und aus der Hand gegeben, was unverständlich ist, weil wir gut im Spiel waren und einen sehr guten Spielplan hatten, der eigentlich aufgegangen ist. Dann spielt man eine zweite Halbzeit, in der alles zusammenbricht wie ein Kartenhaus. Das ist unverständlich! Erklärungen dafür habe ich keine."
Die Probleme reichen längst weit über die sportliche Umsetzung auf dem Platz hinaus. Die fehlende Konstanz und die ausbleibenden Erfolgserlebnisse zehren am Nervenkostüm. Die "Blackies" haben längst den Level der "Mentalblockade" erreicht.
"Jeder Spieler muss sich Gedanken machen - aber auch andere Personen"
Das bestätigt auch Jantscher. "Der Körper geht, glaube ich. Das darf keine Ausrede sein. Aber es ist schon sehr zermürbend, dass wir die letzten Spiele so gespielt und verloren haben. Das ist in unserer Situation katastrophal."
Vor allem dieses Wochenende hat an verschiedenen Schauplätzen gezeigt, dass die Nerven flachliegen und Schuldige gesucht werden. So schoss Stefan Maierhofer gegen seine WSG-Tirol-Teamkollegen, die im Abstiegskampf aufwachen müssten. Und Mattersburg-Kapitän Jano prangerte fehlende Professionalität beim 1:2 gegen die Admira an.
Auch bei Sturm Graz stellen sich die Beteiligten die Frage, wer schuld am Schlamassel ist. Jantscher nimmt alle in die Pflicht - auch Personen, die abseits des Teams das Sagen haben. "Ich glaube, jeder Spieler muss sich Gedanken machen - aber auch andere Personen. Das liegt jetzt nicht an mir, dass ich mir darüber Gedanken mache, darüber muss sich der Verein Gedanken machen. Aber jeder Spieler soll sich an die eigene Nase fassen, was er besser machen soll. Da ist jeder selber sehr lange beschäftigt."
Auf welche Personen er da speziell abzielte, wollte er nicht konkretisieren und meinte nur: "Alle Personen im Verein!"
Hat Sturm eine funktionierende Mannschaft?
Es könnte aber durchaus auch am fehlenden Vertrauen liegen, einen eingeschlagenen Weg mit Geduld zu verfolgen und sich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Stattdessen regiert das Gefühl, dass aus dem Konzept "Sturm neu" mittlerweile "Sturm neuer" und vielleicht bald "Sturm am Neuesten" geplant wird.
Die Kritik, dass Sturm zwar die letzten Jahre gute Einzelspieler habe, es jedoch am fehlenden Mannschaftsgefüge scheitere, blockt Hierländer nicht unbedingt ab. "Eine funktionierende Mannschaft ist für mich eine erfolgreiche Mannschaft, die Spiele gewinnt und Leistung über einen längeren Zeitraum bringt – und nix anderes!"
Das trifft derzeit nicht auf Sturm zu. Auch der Kapitän vermisst die nötige Konstanz und das Konzept sich schrittweise nach vorne zu orientieren. "Um nichts anderes geht es: Leistung bringen und punkten über einen längeren Zeitraum. DAS zeichnet eine gute Mannschaft aus. Es gibt immer Mannschaften, die phasenweise das eine oder andere Spiel gewinnen. Aber das Wichtige ist einfach, über einen längeren Zeitraum Spiele zu gewinnen. Dann ist man eine gute Mannschaft. Wie das zustande kommt? Ich will ein Teil davon sein! Die Analyse ist nach dem letzten Spieltag zu machen."
Da wird alles aufs Tapet gebracht. Denn auch die kommenden Jahre so weiterzuwurschteln, wird nicht im Sinner der Steirer sein. Eine Kursänderung ist ohnehin schon angedacht, Sportchef Schicker will diese Anfang Juli verkünden.
Zukunft gehört Sturm-Talenten, aber wir "haben sie im Stich gelassen"
Definitiv ein Teil davon soll es sein, junge Eigenbauspieler an die Profis heranzuführen und selbst der eigene Talenteschmied zu werden. Youngster bekamen zuletzt vermehrt ihre Chancen, allerdings in einer undankbaren Situation, die nicht unbedingt förderlich erscheint.
Hierländer ist froh, dies als positiven Aspekt hervorstreichen zu können. "Das sind die jungen Spieler. Vince Trummer und der Niklas „Geyr“ Geyrhofer – die haben das sehr gut gemacht, das muss man schon herausheben. Da sind wir erfahreneren Spieler gefordert, die Jungen mitzutragen. So wie es erste Halbzeit war, dass sie dann auch ins Spiel kommen und nicht so viele Probleme haben. Zweite Halbzeit haben wir sie ein bisschen im Stich gelassen."
Das soll sich ändern: "Ich habe immer schon gesagt, dass wir gute Junge haben, aber das muss alles ineinander greifen. Das heißt, die Jungen müssen in eine funktionierende Truppe kommen, dann ist es einfacher sie auch zu entwickeln – und so zu entwickeln, dass sie nicht nur ein bisschen mitkicken, sondern erfolgreich sind und Spiele gewinnen, entscheidende Sachen machen. Das ist das Wichtige!"
Dies sei Sturm immer wieder durchaus gut gelungen und sollte in der Not wieder zur Tugend werden: "Ich kann mich nicht als einer titulieren, der von der Jugend weg bei Sturm war, aber ich habe es mitverfolgt: Bei Sturm Graz war es immer so, dass der eine oder andere Junge reingeschmissen worden ist und daraus etwas entstanden ist, gute Spieler rausgekommen sind. Ich bin nicht abgeneigt von diesem Weg. Aber da gilt es jetzt natürlich Sachen zu analysieren und es so auf die Beine zu stellen, dass es funktioniert."
In dieser Saison wird das jedoch nicht mehr den gewünschten Erfolg bringen. Obwohl der Zug ins Playoff um einen Europacup-Platz noch nicht abgefahren ist. Doch Jantscher gibt sich abschließend keinen unrealistischen Spekulationen hin: "Die Chancen sind sehr gering. Wir haben jetzt noch zwei Spiele, aber dann müssen wir einiges hinterfragen, analysieren und nächstes Jahr vieles besser und anders machen."