Bierduschen, Umarmungen, sogar ein eigenes Meistergruppen-T-Shirt - wer die großen Fußball-Emotionen erleben wollte, musste den Sonntagabend in Hartberg verbringen.
Bei aller Freude über die Qualifikation für die Top-Sechs war es für Trainer Markus Schopp jedoch auch der geeignete Augenblick, die Party mit einer auf der Hand liegenden Warnung verbal zu crashen:
"Es gibt wahrscheinlich keinen besseren Moment als jetzt, um darauf hinzuweisen, dass die folgende Saison wahrscheinlich die letzte sein wird, wenn nichts passiert."
Ein bitterer Gedanke, wenn man sich gerade einen Platz in der nationalen Fußball-Elite gesichert hat, aber nunmal auch die bittere Wahrheit, wenn sich in Sachen Infrastruktur nichts tut. Die aktuelle Stadion-Lösung hat in Sachen Lizenz ein Ablaufdatum.
Ein Schlusspfiff unter Tränen
"Der große Schritt wäre natürlich ein neues Stadion", so Schopp, der gar nicht ans Zusperren denken will: "Es wäre schade, weil es in dieser Region mit dem TSV Hartberg einen Player gibt, der sich sehr interessant entwickelt hat."
Eine knappe Stunde vor diesen Worten verließ der 50-Jährige den Platz mit einem wahren Urschrei. Mit einem 1:1 im innersteirischen Duell mit Sturm hatte Hartberg soeben die Meistergruppe fixiert, in der Arena begannen alle Dämme zu brechen.
"Der eine oder andere mag überzogen finden, wie Hartberg feiert", vermutet Schopp, "aber wenn man weiß, welche Möglichkeiten es gibt, ist es ein Moment, den man genießen darf und soll."
"Beim Schlusspfiff sind mir fast die Tränen gekommen", gesteht Kapitän Jürgen Heil, "wir investieren so viel in diese Sache, wissen aber, dass wir finanziell weit weg sind von den anderen. Aber von unserer klaren Idee und unserem Zusammenhalt kann sich wahrscheinlich jeder Verein etwas abschauen. Das ist wirklich der Zeitpunkt, den Hut vor uns zu ziehen."
Angriff auf die internationalen Plätze
Der Kapitän kickt seit bald einem Jahrzehnt in Hartberg, hat den Durchmarsch von der Regional- in die Bundesliga mitgemacht und somit auch schon die eine oder andere oststeirische Kabinenparty miterlebt.
Oder federführend zelebriert. Zumindest ist Heil die erste Person, die Schopp einfällt, vor der man sich bei diesen legendären Festivitäten lieber fernhalten sollte, wenn man nicht so genau erfahren möchte, was "richtig feiern" bedeutet.
"Heute Abend werden wir es genießen", grinst der 26-Jährige, betont jedoch im selben Atemzug: "Die Saison ist nicht vorbei. Wir haben unsere Ziele. Wir werden die internationalen Plätze angreifen."
Es ist nicht die erste Meistergruppen-Teilnahme des TSV, auch 2019/20 landete man in den Top 6 und folglich sogar in der Europa-League-Qualifikation. Trotzdem ist das Feeling diesmal ein anderes - nicht nur, weil man es aus eigener Kraft geschafft hat und damals mit einer 1:5-Pleite beim LASK das Ticket löste.
Es kann ein wirklich grandioses Jahr werden
Sich gegen Sturm im entscheidenden Moment so zu präsentieren, würde den Hunger seiner Mannschaft zeigen, findet Schopp. Dieser Hunger ist noch nicht gestillt:
"Es macht Spaß, mit so einer Mannschaft zu arbeiten und ihr vor allem das Gefühl zu geben, dass es ein wirklich grandioses Jahr werden kann. Dafür darf man nicht locker lassen."
Dies sei auch ein Unterschied zu 2020. Auch damals war Schopp der Erfolgstrainer. Vor vier Jahren hätte jedoch die Freude überwogen, nicht mehr absteigen zu können.
"Das ist jetzt etwas anderes, weil die Spieler einfach merken, was heuer möglich ist."
Ilzer: "Hartberg-Spiele sind taktische Tüfteleien"
Hartberg ist punktegleich mit dem drittplatzierten LASK und Austria Klagenfurt. Einen Punkt dahinter lauert Rapid. Es spricht also viel für einen harten Vierkampf um Platz drei.
>>>Die Bundesliga-Tabellen nach der Punkteteilung
"Wir haben das Gefühl, dass wir sehr unangenehm sein können", formuliert es Schopp. Man werde sich weiterhin vor keinem Gegner verstecken.
Dies kann man auch spielphilosophisch wortwörtlich nehmen. Denn es ist auch die Fußball-Idee des Cheftrainers, die sich in dieser Saison durchgesetzt hat. Hartberg hat sich diesen Erfolg nicht ermauert, sondern mit mutigem und ansehnlichem Fußball erspielt.
"Hartberg-Spiele sind immer extreme taktische Tüfteleien", verrät Sturm-Trainer Christian Ilzer, der Hartberg 2018 in die Bundesliga geführt hat und anschließend von Schopp beerbt wurde.
Entscheidungen, die nicht um die Ohren geflogen sind
"Die Entwicklung ist fantastisch. Das ist ein richtiges Topteam. Die Mannschaft hat individuelle Klasse und ist top eingestellt. Ich traue Hartberg in der Meistergruppe eine richtig gute Rolle zu", meint Ilzer und stellt etwas süffisant klar, dass man sich unter dem Namen Hartberg nicht zu klein machen sollte.
Ob dies Schopps Intention ist, sei dahingestellt. Letztlich war bereits früh in der Saison zu erkennen, dass die im Sommer getroffenen Maßnahmen fruchten würden.
"Da waren leider Gottes Entscheidungen dabei, die nicht leicht waren. Wir haben Spieler wie Dario Tadic oder Mario Sonnleitner verloren."
"Im Sommer selbst war es noch nicht so erkennbar. Aber wir sind reingegangen mit der Idee, vieles zu verändern, weil wir es verändern mussten", erinnert der 50-Jährige und gesteht im Hinblick auf die vollzogene Verjüngung:
"Da waren leider Gottes Entscheidungen dabei, die nicht leicht waren. Wir haben Spieler wie Dario Tadic oder Mario Sonnleitner verloren. Die sind Hartberg! Wir wussten, wenn das nicht läuft, sind das Dinge, die uns irgendwann um die Ohren fliegen. Aber unsere Jungs haben es von Tag eins als Möglichkeit erkannt."
Pfeifers Reaktion
Mitunter sei sein Team noch zu naiv: "Aber das ist dem großen Umbruch geschuldet. Für viele Spieler ist es ihre erste volle Bundesliga-Saison. Ich muss ihnen den Raum geben, Fehler zu machen."
Wichtig ist, wie man auf Fehler reagiert. Schopp streicht hier lobend die Reaktion von Manuel Pfeifer auf das Gegentor gegen Sturm hervor, bei dem der Linksverteidiger in Kombination mit Torhüter Raphael Sallinger Slapstick ablieferte:
"Ich möchte ihm nicht die Schuld geben, aber Fakt ist, dass er beteiligt war. Aber aus diesem Moment hat er so viel Kraft geschöpft und eines seiner besten Spiele für den TSV Hartberg gemacht. Das ist die Basis, weiter zu wachsen. Ihn dabei zu begleiten, ist ein schöner Auftrag für mich."
Pfeifer war bislang nicht aus der Startelf wegzudenken und gehört zu den absoluten Gewinnern dieser Saison. Womit er jedoch kein Alleinstellungsmerkmal im Kader hat, auch anderen gelang ein deutlicher Sprung.
Es war doch nicht alles "perfekt"
Nach dem hervorragenden Herbst hätte die Mannschaft im Frühjahr laut Schopp jedoch plötzlich etwas zu verlieren gehabt.
Eigentlich hätten die Oststeirer die Meistergruppe gut und gerne schon eine Woche zuvor bei der WSG Tirol fixieren können, mussten sich beim Abstiegskandidaten jedoch geschlagen geben.
Generell hätte man im Kalenderjahr 2024 bislang viele Themen gehabt, wie Schopp nun eingesteht: "Ich habe immer gesagt, die Vorbereitung war perfekt, das war sie aber nicht. Wir hatten immer wieder mit Dingen zu tun, die man wegmoderieren muss."
Neben Sperren und Verletzungen meint der Trainer und Sportdirektor hier wohl vor allem auch Transfer-Ablenkungen - Christoph Lang musste man zu Rapid ziehen lassen. Bei Goalgetter Maximilian Entrup entschied sich erst spät, dass er an Bord bleibt.
"So lange wir in dieser Infrastruktur sind..."
Der Transfer-Sommer 2023 lief im Nachhinein hervorragend. Ein weiterer Vorteil der Meistergruppen-Qualifikation ist, dass man nun bereits Planungssicherheit im Hinblick auf die kommende Spielzeit hat.
Womit wir jedoch wieder bei der Infrastruktur-Problematik wären.
"In Gesprächen mit Spielern gilt es das Bild zu zeichnen, was es heißt, in Hartberg zu sein. Aber so lange wir in dieser Infrastruktur sind, stellt sich immer die Frage, inwiefern man jemandem so etwas schmackhaft machen kann", erläutert Schopp.
Vielleicht helfen die anstehenden Kräftemessen mit den besten Klubs des Landes auch abseits des Platzes, nötig wäre es: "Wir haben die Ambition, gesund zu wachsen und hoffen, dass es die Möglichkeit gibt, größer zu denken."
Und das im Idealfall über die kommende Saison hinaus.