Das Steirer-Derby war langweilig, nach dem Spiel war es dafür umso emotionaler - und das keineswegs nur wegen der Elfmeter-Debatte.
Dass der TSV Hartberg den SK Sturm Graz mit 1:0 besiegte, entfachte im mit 5024 Zuschauern restlos ausverkauften Hartberger Stadion eine Art oststeirisches Volksfest.
Präsidentin Brigitte Annerl konnte ihr Glück über den Sieg und den Sprung auf den dritten Tabellenplatz kaum fassen, der Stadionsprecher fiel schon während der Partie vor lauter Tatendrang auf und nach dem Schlusspfiff erst recht, und jene Anhänger, die wegen Hartberg ins Stadion pilgerten, waren sowieso ein leicht zu animierendes Party-Publikum.
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"Als der Schiedsrichter abgepfiffen hat, war es ein überragendes Gefühl. Das Stadion war voll, die Fans waren überragend, haben Gas gegeben und uns nach vorne gepeitscht. Wir versuchen immer, ihnen etwas zurückzugeben - gegen Sturm im Derby ist das umso schöner", jubelt Stefan Rakowitz, der den entscheidenden Elfmeter herausgeholt hat.
Beweis für das stetige Wachstum
Derby ist ein Begriff, den man etwa in Graz in Bezug auf dieses steirische Kräftemessen seltener hört. Für Hartberg wiederum sind es genau solche Duelle, die dazu taugen, den Verein auf der heimischen Fußball-Landkarte präsenter zu machen.
Außerhalb der Region Oststeiermark wird der Verein eher weniger intensiv wahrgenommen. Dass man ob der limitierten finanziellen Möglichkeiten auch vor dieser Saison wieder als einer der heißesten Abstiegs-Tipps genannt wurde, ist so gesehen keine Überraschung.
Umso besser tun die zwei Heimsiege in Folge - am vergangenen Wochenende wurden schon der Admira mit einem 4:1-Erfolg die Grenzen aufgezeigt. Umso besser tut der frenetische Jubel nach einem Sieg gegen Sturm.
"Das ist wieder ein Beweis für das stetige Wachstum des TSV Hartberg. Es ist natürlich wunderschön, wenn 5000 Leute so mitgehen", schwärmt Torhüter Rene Swete. Auch Siegtorschütze Dario Tadic jubelt: "Ein unglaubliches Gefühl, das Derby zu Hause vor ausverkauftem Haus, vor über 5000 Leuten zu gewinnen und noch dazu das entscheidende Tor zu schießen. Schöner hätte es nicht laufen können."
Hartberg nicht der erste kleine Verein
Der 29-Jährige befindet sich inzwischen in seiner fünften Saison in Hartberg, hat also den Aufstieg der 7000-Einwohner-Stadt von der Regionalliga bis in die Bundesliga mitgeprägt. Die entscheidenden Tugenden habe man auf diesem Weg nicht verloren:
"In Österreich ist viel möglich. Hartberg ist nicht der erste kleine Verein, der es in die Bundesliga geschafft hat. Wenn man sieht, was die letzten Jahre aufgebaut wurde, ist das überragend für so einen kleinen Verein."
"Hartberg ist klein, familiär, hat das geringste Budget. Auf der ganzen Welt sieht man, dass Geld nicht immer Tore schießt, dass man es mit bescheidenen Mitteln genauso gut machen kann. Wir sind der beste Beweis dafür. Jeder im Verein kennt seine Aufgabe. Wenn die jeder umsetzt, können wir einiges erreichen."
Rakowitz hingegen kehrte nach siebenjähriger Wanderschaft durch Fußball-Österreich im Sommer nach Hartberg zurück, wo er bereits von 2008 bis 2012 aktiv war. Dass der TSV jemals Bundesliga spielen würde, hätte er damals nicht gedacht. Ansonsten habe sich "nicht so viel verändert".
"Denn Hartberg war immer übers Kollektiv stark, und das ist nach wie vor so. Wir sind einfach eine geile Partie, die Truppe hat mich wieder überragend aufgenommen", betont der 29-Jährige und meint:
"In Österreich ist viel möglich. Hartberg ist nicht der erste kleine Verein, der es in die Bundesliga geschafft hat. Wenn man sieht, was die letzten Jahre aufgebaut wurde, ist das überragend für so einen kleinen Verein. Ich bin froh, wieder ein Teil der Mannschaft zu sein, denn als Underdog solche Siege gegen die 'Großen' feiern zu können, ist einfach überragend."
Naivität abgelegt
Überragend, aber gerade gegen Sturm kein neues Gefühl. Schon im ersten Bundesliga-Heimspiel gegen die Grazer gewann Hartberg im vergangenen Herbst mit 2:0. Dass man den 1:0-Vorsprung diesmal mit zehn Mann über die Runden brachte, ist für Swete jedoch ein Zeichen, wie viel man aus der vorigen Spielzeit gelernt hat:
"Daran sieht man, dass wir die Naivität, die wir letztes Jahr im Gesamtverbund teilweise noch hatten, abgelegt haben. Du musst es erst einmal 20 Minuten mit einem Mann weniger über die Runden bringen."
Eine Einschätzung, die Trainer Markus Schopp teilt: "Klar, nach unserem Vorsprung und nach der Roten Karte ist Sturm natürlich präsenter geworden, aber wir haben es gut wegverteidigt. Vor allem in Unterzahl haben wir von der Erfahrung profitiert, die wir im letzten Jahr sammeln durften."
Wie so gut wie jedes oststeirische Volksfest brauchte auch dieses einige, die "nüchtern" blieben. Schopp zählte definitiv zu jenen, die in diese Rolle schlüpften und in der allgegegenwärtigen Euphorie den Ruhepol gaben.
Schopp: Abkapselung von Sturm
Mit einem ähnlichen Lauf wie im vergangenen Herbst, als Hartberg eine Serie starten konnte, will er erst gar nicht spekulieren: "Super angenehm, ich freue mich extrem, dass wir sechs Punkte haben, aber wir haben noch in so vielen Bereichen so viel Luft nach oben. Wir sollten nicht von einer Serie wie letztes Jahr sprechen. Wir nehmen jedes Wochenende voll an, wollen es erstens genießen und zweitens natürlich Punkte machen. Dass es nach drei Runden mehr sind als letztes Jahr zum gleichen Zeitpunkt, ist angenehm, aber der Weg ist natürlich lang."
"Irgendwann muss eine Abkapselung sein. Sturm macht seine Geschichte, wir machen unsere Geschichte."
Auch Genugtuung, gegen seinen langjährigen Arbeitgeber gewonnen zu haben, wollte sich der 45-Jährige keine anmerken lassen.
"Wenn du gegen einen Verein spielst, mit dem du sehr viel verbindest, ist es etwas, was dich nicht gar nicht berührt. Auf der anderen Seite waren einfach nur drei Punkte zu vergeben", verdeutlicht Schopp und vertritt die Meinung, dass "irgendwann einmal eine Abkapselung sein muss. Sturm macht seine Geschichte, wir machen unsere Geschichte."
Und für Hartberg sei es "eine Mega-Geschichte, gegen Sturm Graz in der höchsten Liga spielen zu dürfen. Dass ich als Trainer bei Hartberg arbeiten darf, macht mich stolz. Es ist ganz einfach eine extrem interessante Aufgabe, die ich schon letztes Jahr begonnen habe und auch heuer wieder ausüben darf."
Das nächste Volksfest wartet
Und bei der es - Siegestaumel hin oder her - ein übergeordenetes Ziel gibt, das auch die Spieler nicht aus den Augen verlieren: den Klassenerhalt.
"In der Meisterschaft zählt nur, dass wir oben bleiben. Wir wissen, dass wir der Underdog sind, daran hat sich nicht viel geändert. Wir wollen Woche für Woche die Großen ärgern", stellt Tadic klar und möchte daher auch den aktuellen dritten Tabellenplatz nicht überbewerten:
"Das ist auf jeden Fall nur eine Momentaufnahme. Wir haben leider letztes Jahr gesehen, dass der Herbst aufgrund der Punkteteilung nicht so viel zählt. Wir müssen von Match zu Match schauen, dass wir so viele Punkte wie möglich sammeln."
Nach dem Gastspiel in Altach gibt es in zwei Wochen wieder Volksfest-Alarm, da mit Austria Wien der nächste namhafte Gegner in Hartberg Station macht. Schließlich ist es auch das Kräftemessen mit dem früheren Hartberger Erfolgscoach Christian Ilzer.
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