Der österreichische Serienmeister geriet ins Wanken, aber auch die WSG Tirol konnte Red Bull Salzburg letztendlich nicht zu Fall bringen und musste eine 2:4-Niederlage hinnehmen (Spielbericht >>>).
Die Art und Weise wie diese Niederlage zustande kam, lässt die Tiroler allerdings mit einer gemischten Gefühlswelt zurück. Über weite Strecken des Spiels war man den "Bullen" mindestens ebenbürtig, nach dem wunderschönen 1:0-Führungstreffer von Fabian Koch übernahmen die Hausherren sogar das Kommando und kamen durch Nikolai Baden Frederiksen zu Top-Chancen, die aber nicht genützt wurden.
Am Ende steht die WSG mit leeren Händen da und weiß gleichzeitig nicht unbedingt, wie diese Partie verdaut werden soll: "Es ist nur Enttäuschung da. Ich bin gerade richtig sauer - aber ich kann nicht sagen, ob auf uns, oder auf mich", sagte Koch im "Sky"-Interview nach dem Spiel.
"Eine Art Genickbruch"
(Artikel wird unter dem Video fortgesetzt)
Frederiksen, der Torschütze zum zwischenzeitlichen 2:1, schlug in diesselbe Kerbe ein: "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Soll ich jetzt glücklich oder traurig sein? Es tut mir wirklich für alle leid, dass wir keine Punkte mitgenommen haben."
Dabei sah es nach dem glücklich verwandelten Elfmeter, den Cican Stankovic beinahe noch aus dem Eck gekratzt hätte, gut aus, auch weil Salzburg bis dahin offensiv nicht so recht auf Touren kam. Doch der direkte Gegentreffer von Mergim Berisha entfesselte die "Bullen" in der Folge, die zu einer wahren Schlussoffensive ansetzten - die WSG war ab dem Zeitpunkt geschlagen.
"Wenn du in der 78. Minute in Führung gehst, aber gleich darauf den Ausgleich kriegst - das ist uns schon vor 14 Tagen bei der Wiener Austria passiert - dann kriegst du natürlich eine Art Genickbruch und man hat dann schon gesehen, dass Red Bull extrem viel Qualität eingewechselt hat und dann haben wir leider Gottes zehn schlechte Minuten erwischt", schilderte WSG-Coach Thomas Silberberger die Schlussviertelstunde des Westderbys.
Auch er konnte ob der starken Leistung seiner Truppe die Enttäuschung nicht zurückhalten: "Das ist jetzt richtig bitter. Normalerweise war ich nach den Auftritten gegen Salzburg nie wirklich enttäuscht, weil wir gewusst haben, dass es nichts zu holen gibt. Heute war definitiv mehr drinnen, das ist schade."
Die Sensation war spürbar nahe, aber: "Wir haben damit nicht spekuliert"
Es fehlten also nur rund 15 Spielminuten bis zur Sensation der WSG, die durchaus auch in der Luft lag. Bis zur 80. Minute lieferten die Tiroler eine tadellose Leistung ab und ließen defensiv nur wenig zu. Diesen Fortschritt merkte auch Silberberger an, trauerte dabei aber trotzdem dem möglichen Punktgewinn nach.
"Es ist definitv ein Fortschritt, auch wie wir heute Fußball gespielt haben. Der Fortschritt ist enorm, wir haben phasenweise gute Aktionen gemacht und meiner Meinung nach, zumindest bis zur 80. Minute, die gefährlicheren Aktionen lanciert und dass wir dann mit leeren Händen heimgehen, ist doppelt bitter."
Dennoch wollte der Coach nicht mit einer Sensation spekulieren, denn "man spielt gegen Red Bull und nicht gegen irgendeinen Tabellen-Nachzügler. Man weiß schon, dass man da noch 10-12 Minuten überstehen muss. Da zu spekulieren, da bist du am völlig falschen Dampfer."
"Bitter war, dass der Ausgleich so schnell gefallen ist, aber spekuliert hab ich definitiv nicht. Zum Schluss habe ich mir schon erhofft, dass es ein Unentschieden wird, aber da hat Red Bull nochmal gnadenlos zugeschlagen und ob 2:3 oder 2:4 ist völlig egal. Das 2:3 war auch wieder ein absolut dummes Gegentor", sprach Silberberger die verunglückte Rettungsaktion von Bruno Soares an, der eine Ulmer-Flanke genau auf den Körper von Daka köpfte und der Sambier knallte das Leder daraufhin ins Tor.
Yeboah weg, Dedic verletzt
Trotzdem merkte man der WSG einen großen Sprung im Vergleich zum Vorjahr an, als die Tiroler eigentlich abstiegen und nur dank des Konkurses vom SV Mattersburg in der Bundesliga blieb. Einer der großen Leistungsträger in der laufenden Spielzeit war Kelvin Yeboah, der aber mit Ende der vergangenen Transferperiode zu Sturm Graz übersiedelte.
Im ersten Spiel ohne den pfeilschnellen Stürmer präsentierte sich die Offensive, allen voran Frederiksen, stark und strahlte durchwegs Gefahr aus. Dem gebürtigen Ghanaer trauert man in Wattens aber nicht hinterher, wie sein ehemaliger dänischer Teamkollege betont.
"Wir haben Kelvin verloren, der sehr wichtig für uns war - aber so ist eben der Fußball. ich bin gleichzeitig sehr glücklich für Kelvin, weil er einen sehr guten Wechsel getätigt hat. Für uns ändert das gar nichts, wir müssen weiter pushen und unser Bestes geben."
Die WSG sieht sich mit Frederiksen, Tobias Anselm und Zlatko Dedic gut gerüstet, doch der Slowene musste nach nur 28 Spielminuten verletzt vom Feld, zeigte davor aber eine gute Leistung und kombinierte immer wieder schön mit dem neunfachen Saisontorschützen der WSG.
Dennoch steht der aktuelle Tabellenfünfte nur noch mit zwei gelernten Stürmern da, deswegen ruft Frederiksen auf: "Nicht nur ich muss mehr Verantwortung übernehmen, sondern das gesamte Team! Unsere Mentalität passt aber und die muss auch weiterhin so bleiben."
Entscheidende Spiele stehen bevor
Die Mentalität passt also, die bisherigen Auftritte im Frühjahr auch, wie Silberberger betont: "Ich glaube schon, dass wir im Frühjahr super Auftritte hingelegt haben. Wir stehen auf einem soliden fünften Platz, aber dass es noch eng wird, das wissen wir."
Dafür müsse das Team sich schnell "wieder aufrichten, denn in der nächsten Woche stehen ganz entscheidende Spiele gegen St. Pölten, Hartberg und der Admira vor uns und da können wir alles komplett richtig machen oder wir machen es uns selber nochmal brutal eng."
Trotz der vom Ergebnis her klaren Pleite gegen Salzburg, darf die WSG durchaus stolz auf ihre Leistung sein. Nicht viele Mannschaften konnten den österreichischen Serienmeister in der laufenden Spielzeit so fordern, wie es der Truppe von Thomas Silberberger an diesem Samstag-Abend gelang.