"Hamma Top-Schiedsrichter?!", unterbricht Peter Pacult Sturm-Coach Christian Ilzer, als dieser gerade über erwünschte professionellere Rahmenbedingungen für heimische Top-Schiedsrichter philosophiert.
Austria Klagenfurt fühlte sich nach der 1:4-Pleite beim SK Sturm Graz arg benachteiligt, um es freundlich auszudrücken.
Oder wie Sportchef Matthias Imhof tobte: "Wir sind betrogen worden!"
Auch Pacult bemühte sich erst gar nicht, seinen Frust zu verbergen. Noch mehr als Schiedsrichter Manuel Schüttengruber brachte jedoch das Handeln oder Nicht-Handeln von VAR Dieter Muckenhammer das Klagenfurter Fass zum Überlaufen.
Pacult: "Oder tun sie würfeln?"
"Ich frage mich: Sitzen die da und spielen Jolly oder tun sie würfeln? Oder spielen sie sonst irgendein Gesellschaftsspiel? Es kann ja nicht sein, wenn ich mir das in Ruhe anschaue, dass ich noch immer Fehlentscheidungen treffe", kann es Pacult nicht fassen.
Noch weniger kann der 63-Jährige fassen, dass es seinem Gefühl nach meist sein eigenes Team trifft: "Wir haben kein Standing bei diesem VAR. Wir sind der Verein mit den größten Fehlentscheidungen gegen uns."
Dies ist ein subjektiver Eindruck. Objektiv gesehen hat der Wiener aber wohl recht, wenn er bezüglich Kritik am VAR festhält: "Da rede ich für die anderen Vereine ja auch."
Die Schmerzgrenze in Sachen Schiri/VAR-Fehler war schon vor Wochen erreicht, im Sommer müssen ÖFB und Bundesliga in dieser Causa Lösungen präsentieren.
Entschuldigung drei Tage später "hilft nix!"
Was Pacult im Spiel gegen Sturm derart auf die Palme brachte? Ein wenig der Hand-Elfmeter für Sturm ("Was soll der Spieler machen, wenn er den Ball aus zehn Zentimetern an die Hand kriegt? Sollen wir uns die Hände absägen?"), am meisten jedoch die Szene, als Gregory Wüthrich im Strafraum Sebastian Soto abräumte.
"Ich weiß nicht, wo der VAR beim Elfmeter für uns hinschaut!", ärgert sich Pacult und vermutet, dass wie vergangene Woche nach dem Beurteilungsfehler gegen den LASK im Wochenverlauf wieder eine Entschuldigung hereinflattern wird:
"Vorige Woche haben sie sich auch drei Tage später gemeldet: 'Entschuldigen Sie, Austria Klagenfurt hätte einen Elfmeter kriegen müssen.' Ja, aber das hilft mir ja drei Tage später nix! Da geht es um Existenzen."
Ilzer konnte den Ärger seines Gegenüber bezüglich der Wüthrich-Soto-Szene nachvollziehen: "Ich verstehe, dass man darüber diskutiert."
Findet VAR eine Linie?
Allerdings müsse man dann auch über die Vorgeschichte zum Klagenfurter Tor diskutieren, wie der 45-Jährige festhält: "David Schnegg wird von hinten gehaxelt, ein klares Foul. Genau das hatten wir in Klagenfurt mit Albian Ajeti. Dort wurde das Tor zurückgenommen, da sehe ich keinen Unterschied."
Einmal so, einmal so - dies ist der Eindruck, der Pacult am meisten stört: "Der VAR hat keine Linie. Wo geht dieser Weg hin? Finden wir eine Linie oder finden wir keine Linie?"
"Zu meiner Zeit bist du am Sonntag beim Wirten gesessen und hast über die Fehlentscheidungen der Schiedsrichter diskutiert. Jetzt haben wir den VAR und diskutieren weiter, weil es einfach zu viele Fehlentscheidungen sind."
"Ich bin ein bisschen älter als der Christian", so der Rapid-Meistertrainer von 2008, "zu meiner Zeit bist du am Sonntag beim Wirten gesessen und hast über die Fehlentscheidungen der Schiedsrichter diskutiert. Jetzt haben wir den VAR und diskutieren weiter, weil es einfach zu viele Fehlentscheidungen sind."
Die Frage aller Fragen, die sich wohl nicht nur Pacult und Ilzer stellen, ist: Wie löst man dieses Problem?
ÖFB muss professionellere Bedingungen schaffen
Ilzer gestand vor rund drei Wochen, dass ihm diese Thematik den Schlaf raubt. Gleichzeitig forderte er ein professionelleres Umfeld für die Schiedsrichter. Eine Forderung, die er nach dem Klagenfurt-Match wiederholte - vor allem in Sachen Beurteilungs-Schulung für jene Unparteiischen, die als VAR tätig sind.
"Wenn ich höre, dass sie sich irgendwelche Videos aus Medien anschauen und dort das Spiel analysieren...", meint der Sturm-Coach ein wenig ungläubig, "sie brauchen schon ganz klare Möglichkeiten, dass sie ein Gespür bekommen und vor allem auch den Zeitrahmen, um sich umfangreich damit zu befassen, damit es dann auch richtig beurteilt wird."
Ilzer erinnert daran, dass auch im Trainerwesen mit Einführung des Videostudiums genügend Interpretationsfehler gemacht wurden:
"In einem Videobild schaut eine Berührung vielleicht anders aus als in Echtzeit. Nicht jede Berührung ist gleich ein Foul. Es braucht Zeit, das richtig einschätzen zu können. Man muss den Top-Schiedsrichtern ermöglichen, dass sie sich damit auseinandersetzen. Mein Zugang ist, dass von Seiten des ÖFB professionellere Bedingungen geschaffen werden müssen."
Pacult würde Eingriffs-Möglichkeiten des VAR beschränken
Womit wir wieder bei den eingangs erwähnten Top-Schiedsrichtern wären.
"Ich glaube schon, dass wir gute Schiedsrichter haben, aber das ganze Drumherum gehört besser strukturiert und professionalisiert."
Ilzer findet: "Die Talente dafür gibt es sicher, aber es gehören eben auch die Möglichkeiten geschaffen. Ich glaube schon, dass wir gute Schiedsrichter haben, aber das ganze Drumherum gehört besser strukturiert und professionalisiert."
Wie Pacults Lösung aussehen würde? Der Klagenfurt-Coach plädiert dafür die Eingriffs-Möglichkeiten des VAR auf das Abseits beziehungsweise die Frage, ob der Ball hinter der Torlinie war oder nicht, zu beschränken.
"Dann würde man den Schiedsrichtern wieder mehr Freiheiten lassen, was auf dem Platz passiert. Wenn er es als Foul sieht, dann ist es halt ein Foul", so Pacult, "aber wir kontrollieren ja alles und dabei machen wir zu 80 Prozent Fehler."
Die Diskussionen sollen bleiben
Der VAR wird laut Pacult bleiben, auch die Diskussionen werden und sollen bleiben: "Man kann nicht sagen, gehen wir 20 Jahre zurück."
"Es ist ja auch das Schöne am Fußball, dass du Woche für Woche Diskussionen hast", findet der Wiener, der sich jedoch offenkundig freuen würde, wenn er dieses Thema nicht so oft diskutieren müsste:
"Schlecht ist nur, wenn es immer Klagenfurt trifft."