Mit seinem bei 2:1-Führung abgewehrten Elfmeter wurde Christian Gratzei zum Matchwinner Sturms beim 3:1-Sieg in St. Pölten.
Bei der Frage, wann er denn seinen letzten Penalty gehalten hätte, konnte der 34-Jährige jedoch nur lachend mit den Achseln zucken: "Keine Ahnung. Ich glaube, so viele waren es noch nicht."
Der letzte ist tatsächlich schon einige Zeit her. Am 16. Februar 2008 parierte er bei Sturms 0:1-Niederlage am Innsbruck Tivoli gegen den FC Wacker einen Strafstoß von Peter Orosz.
Gratzei ist bekanntlich das Urgestein schlechthin bei den "Blackies". Seit 2002 steht er bei den Grazern unter Vertrag und hat sich in diesen knapp eineinhalb Jahrzehnten mit diversen Konkurrenten duelliert, wie oben stehende Diashow unterstreicht.
Glücksmomente
Im Sommer erlebte er den x-ten Umbruch bei Sturm - diesmal einer, der ihm zu Gute kam. Durch den Abgang von Michael "Bruno" Esser zu Darmstadt rückte der Routinier nach einem Jahr auf der Ersatzbank wieder zur Nummer eins auf.
"Als Bruno voriges Jahr gekommen ist, war ich noch verletzt. Er hat über die ganze Saison super Leistungen abgerufen, und das muss man dann auch so akzeptieren. Ich denke einfach, dass ich lange genug beim Verein bin und der Verein weiß, was er an mir hat. Ich probiere das zu erfüllen, was der Verein von mir braucht - das war voriges Jahr auf der Ersatzbank, jetzt ist es auf dem Spielfeld", übt sich Gratzei in Pflichterfüllung.
"Ich bin glücklich, dass ich diese Momente noch einmal erlebe, denn keiner weiß, wie viele noch kommen werden."
Von einem Ausrufezeichen in persönlicher Hinsicht oder einem neuen Angriff will er trotz des guten Saison-Starts nicht sprechen: "Ich bin dankbar, dass es momentan läuft. Aber ich nehme jedes Spiel, wie es kommt. Ich bin glücklich, dass ich diese Momente noch einmal erlebe, denn keiner weiß, wie viele noch kommen werden."
"Im Moment ist Christian vorne"
Mit bald 35 Jahren ist Gratzei in einem Alter, in dem man besagte Momente aufgrund des sich nähernden biologischen Ablaufdatums tendenziell bewusster wahrnimmt. Zudem läuft sein Vertrag nach dieser Spielzeit aus. Mit dem neu verpflichteten Daniel Lück beziehungsweise den beiden talentierten Youngsters Tobias Schützenauer und Fabian Ehmann scharren die potenziellen Erben bereits in den Startlöchern.
Das ist auch dem Platzhirschen bewusst. Ob er sich in der bisherigen Saison einen Vorsprung erarbeitet habe, kann er nicht einschätzen: "Das entscheidet der Trainer. Selbst wenn er im nächsten Spiel tauscht, habe ich noch einmal fünf tolle Spiele mit der Mannschaft gehabt, super Stimmung mit den Fans und vier Siege. Man weiß ja nicht, was passiert - ich könnte mich verletzen, der Trainer könnte tauschen. Es steht alles in den Sternen. Daher probiere ich mein Bestmöglichstes abzurufen, so wie ich es immer getan habe."
Die Sorge, dass Franco Foda schon im nächsten Spiel tauschen könnte, ist tendenziell eine unbegründete. "Mit Schützenauer und Ehmann haben wir zwei Junge, mit Lück wollten wir noch einen erfahrenen Torhüter dazubekommen. Die kämpfen nun um ihren Platz. Im Moment ist Christian vorne, weil er Woche für Woche seine Leistungen abruft und sehr stabil ist. Aber trotz allem ist eine Saison sehr lange, es kann viel passieren, es gibt Verletzungen. Da muss man froh sein, wenn man solche Torhüter in der Hinterhand hat", betont der Deutsche.
"Wenn man älter wird, wird man auch gescheiter"
Was er an seinem Meister-Goalie von 2011 hat, weiß der 50-Jährige ohnehin aus der langen Zusammenarbeit: "Nach dem Abgang von Esser haben wir uns bewusst Zeit gelassen. Ich habe immer betont, dass wir schon drei Torhüter haben - darunter mit Gratzei einen erfahrenen, auf den ich immer setzen kann. Schon damals nach meiner Rückkehr habe ich sofort einen Wechsel von Pliquett auf Gratzei vorgenommen."
Gratzei dürfte also weitere Gelegenheiten bekommen, diese Momente zu genießen. Wie viel Reife bei seiner derzeiten Herangehensweise mitschwinge, sei schwer zu sagen: "Aber vielelicht ist es so. Es heißt ja, wenn man älter wird, wird man auch gescheiter."
Generell sei er derzeit jedoch einfach nur in einer anderen Phase seiner Karriere: "Früher musste ich mich in der erste Mannschaft raufkämpfen, dann musst du dich dort beweisen, du willst Erfolg für dich selbst und den Verein. Das ist uns alles geglückt. Jetzt hatten wir doch ein paar Jahre ein Wellental."
"Herzliche Stimmung"
Derzeit befinde sich die Sturm-Elf jedoch in einem Flow, und somit auch er selbst. Umso besser tut der starke schwarz-weiße Saison-Start nach den Rückschlägen der jüngeren Vergangenheit:
"Es ist natürlich ein Wahnsinn! Die Stimmung war schon oft gut, aber so eine herzliche Stimmung habe ich schon lange nicht erlebt, wo du richtig am Feld merkst, wie sich alle freuen, keiner ist dem anderen etwas neidig - und damit meine ich nicht die Mannschaft, sondern die Kommunikation mit den Fans."
Diese feuerten Gratzei vor dem Elfmeter an, anstatt die Elf, die drauf und dran war, eine 2:0-Führung aus der Hand zu geben, auszupfeifen - ein Indiz, dass die Mannschaft angesichts der jüngsten Siege wieder mehr Kredit bei den Anhängern hat.
Der Schlussmann zeigte sich dankbar: "Ich hoffe, ich habe ihnen eine Freude machen können."