San Siro - ein legendärer Spielort, ein Fußball-Tempel, in dem Geschichte geschrieben wurde.
Das Mailänder Kultstadion bietet 80.000 Zuschauern Platz und dient sowohl Inter Mailand als auch dem AC Milan als Heimstätte. Am Mittwoch steht der FC Salzburg im abschließenden Gruppenspiel der Champions League gegen die Rossoneri eben dort im Blickpunkt und versucht, noch den Aufstieg in die K.o.-Phase zu schaffen (Mi., 21 Uhr im LIVE-Ticker).
Seit 1980 ist die Arena in dieser prägnanten Form offiziell als Giuseppe-Meazza-Stadion bekannt, der Mythos San Siro lebt aber weiter.
Auch österreichische Klubs, das ÖFB-Nationalteam, Italien-Legionäre und andere rot-weiß-rote Spieler sorgten in diesem Stadion für Sternstunden, erlebten aber auch bittere Niederlagen, wie hier in der Auflistung nachvollzogen werden kann.
LAOLA1 klärt über die aktuellen Entwicklungen sowie ein neues "gemeinsames" Stadionprojekt auf und unternimmt eine Zeitreise:
"Gemeinsames Stadionprojekt" statt San Siro ab 2027
Dass sich zwei Großklubs dieses Kalibers ein Stadion teilen, ist aus österreichischer Sicht bemerkenswert. In Wien kam es nie zur Umsetzung eines Nationalstadions, in dem sowohl der SK Rapid als auch der FK Austria ihre Heimspiele austragen, mittlerweile haben die Erzrivalen ihre Stadion neu- bzw. ausgebaut.
Immer wieder machten Meldungen die Runde, dass der AC Milan oder Inter eigene Pläne haben sollen und über einen Auszug aus der geteilten Heimstätte nachdenken. Erst Ende 2019 wurde aber bekannt, dass gemeinsam an einem neuen, gemeinsamen Stadionprojekt gearbeitet werden soll.
Vereinbarungen wurden unterschrieben, Arbeitsgruppen gebildet und Optionen geprüft, ob eine Renovierung des Guiseppe-Meazza-Stadions noch Sinn macht oder ein Neubau in Erwägung gezogen werden soll.
Im Mittelpunkt steht dabei der gemeinsame Weg für eine modernere Heimstätte. "Die Klubs glauben, dass ein gemeinsames Stadion im Interesse aller Beteiligten aus finanzieller, administrativer und technischer Sicht ist und überprüfen mehrere Optionen, darunter auch eine vollständige Renovierung des aktuellen Stadions", gaben die Vereine damals in einer Stellungnahme bekannt.
Mittlerweile steht fest: Der neue Fußball-Tempel soll 2027 auf dem gleichen Areal wie das San Siro, unmittelbar daneben, fertiggestellt sein. Rund 65.000 Fans sollen darin Platz finden, was 15.000 weniger bedeutet als davor. Das Projekt mit dem Namen "Kathedrale" soll vom Mailänder Dom und der Jugendstil-Galerie Vittorio Emanuele II inspiriert sein und geschätzt um die 600 Millionen Euro kosten.
Der Neubau soll klimaneutral erfolgen, das Stadion jeweils in den Farben der Heimmannschaft beleuchtet werden können. Das alte San Siro soll nach den Olympischen Winterspielen 2026 in Mailand und Cortina d'Ampezzo zumindest teilweise dem Erdboden gleichgemacht werden.
Prohaska: "Schaut aus als würde die Tribüne aufs Feld stürzen"
Ein neues Stadion hat immer einen eigenen Reiz, allerdings geht mit dem San Siro viel Geschichte verloren. Zu viele Erinnerungen und Emotionen verbinden nicht nur Italien-Fans mit dem 1926 eröffneten und mehrfach renovierten Kult-Tempel.
80.000 Zuschauer passen aktuell in das Mailänder Prunkstück, in dem seit 1947 beide Klubs ihre Heimspiele austragen - Milan seit der Eröffnung, Inter ab 1947. Einer, der zahlreiche Spiele in dieser Fußball-Arena bestritt, ist Herbert Prohaska.
Logischerweise in Diensten von Inter Mailand zwischen 1980 und 1982, aber auch als Gegner mit der AS Roma und Austria Wien. Im LAOLA1-Interview schwärmte "Schneckerl" vor wenigen Jahren noch immer von der besonderen Atmosphäre im Stadion:
"Wenn du dort reinkommst, geht es richtig steil hinauf hinter den Toren, eine Laufbahn gibt es auch nicht. Ich habe das selten mitbekommen. Die Italiener springen schon auf und stürmen nach vorne, wenn wer zur Flanke ansetzt. Das schaut dann so aus, als würde die Tribüne aufs Feld stürzen. Das ist so imposant, da erschrickt man am Anfang. Inter ist auch vom Zuschauer-Schnitt her jetzt wieder die Nummer 1, die haben derzeit um die 62.000 Zuschauer. Zu meiner Zeit hatten wir auch so einen Schnitt. Und im Europacup war es eigentlich immer voll mit rund 80.000. Während in Österreich die Fans oft wegen dem Gegner kommen, ist der Gegner in Italien wurscht."
Prohaska ist aber nur einer von vielen Österreichern, die sich dort ihre Fußballschuhe schnüren durfte.
Wer in der folgenden Aufzählung Rapids UEFA-Cup-Schlager gegen Inter Mailand 1990 vermisst, muss enttäuscht werden: Dieses fand nämlich am 3. Oktober 1990 nicht im San Siro sondern im Bentegodi-Stadion in Verona statt. Nach einem 2:1-Heimsieg im Hinspiel schieden die Grün-Weißen dann erst nach Verlängerung mit einem 1:3 in Italien in der 1. Runde aus.
Denkwürdige Spiele mit rot-weiß-roter Beteiligung:
1934 WM-Halbfinale, Italien - Österreich 1:0
Lang, lang, ist es her, aber Österreich stand tatsächlich im WM-Semifinale - neben 1954 nämlich auch schon 1934. Eine denkwürdige Partie, schließlich traf die rot-weiß-rote Auswahl in Mailand auf Gastgeber Italien. Am Ende verpasste Österreich mit 0:1 den Finaleinzug, beim Goldtor wurde Torhüter Peter Platzer mit dem Ball in den Händen von Italienern über die Torlinie gestoßen. Schiedsrichter Ivan Eklind (SWE) sorgte für eine umstrittene Leistung. Kurios und kaum vorstellbar: Der Referee köpfte eine Flanke auf den freistehenden Stürmer Karl Zischek weg. Side-Fact: Am Tag zuvor war der Schiedsrichter noch persönlicher Ehrengast beim Ministerpräsident des Königreiches Italien, Benito Mussolini. Weitere Länderspiele fanden 1931 (0:1), 1946 (2:3) und 1966 (1:0) statt, es handelte sich jeweils um Testspiele gegen Italien.
1956 Europapokal der Landesmeister, Viertelfinale, AC Milan - SK Rapid 7:2
An dieses Spiel wird sich der SK Rapid nicht gerne zurückerinnern. Trotz damaliger Fußball-Größen wie Kapitän Gerhard Hanappi, Robert Dienst und Robert Körner kassierten die Wiener damals die bis heute zweithöchste Europacup-Niederlage aller Zeiten - nach dem unrühmlichen 0:6 in Valencia im Jahre 2016. Dabei waren die Chancen auf einen Aufstieg nach einem 1:1 im Hinspiel intakt, die Treffer von Franz Golobic (35./1:3) und Robert Dienst (59./2:5) waren jedoch zu wenig. Es war nicht das einzige Duell von Rapid im San Siro. 1957 unterlag man Milan im Meistercup 1:4, 1973 in der 2. Runde des Cups der Cupsieger holte man auswärts immerhin ein 0:0, das nach dem 0:2 in Wien aber nicht zum Aufstieg reichte.
1970 Europapokal der Landesmeister, Finale, Feyenoord - Celtic Glasgow 2:1 n. V.
Erst vor wenigen Tagen wurde der Trainer-Legende Ernst Happel anlässlich seines 25. Todestages gehuldigt. Einen seiner größten Erfolge als Coach durfte der "Wödmasta" 1970 ausgerechnet im San Siro feiern. Die Kultstätte war Austragungsort des Landesmeister-Finales, Happel dazumals Trainer von Feyenoord Rotterdam, das sich in einer denkwürdigen Partie erst in der Verlängerung mit 2:1 durchsetzte. Ove Kindfalls Tor in der 117. Minute machte den ersten niederländischen Titel im Meistercup perfekt. Neben Happel hielt damals auch Spieler Franz Hasil die rot-weiß-roten Fahnen hoch.
1973 UEFA-Cup, 1. Runde, Inter Mailand - Admira Wacker 2:1 n. V.
Es war die Europacup-Sensation schlechthin! Die Admira warf im San Siro Inter Mailand aus dem UEFA-Cup. Den Grundstein legten die Südstädter mit einem 1:0-Heimerfolg im Hinspiel durch ein Tor von Kurt Swojanowsky. Auswärts musste man sich trotz starker Leistung mit 1:2 nach Verlängerung geschlagen geben, ein Ergebnis, das aber zum Weiterkommen reichte. Inter kämpfte sich mit einem 1:0 nach 90 Minuten in die Verlängerung, ging in dieser mit 2:0 in Führung, ehe Günter Kaltenbrunner das so wichtige Auswärtstor erzielte, das schlussendlich den Aufstieg möglich machte. Die Nerazzurri waren damals mit Stars wie Giacinto Facchetti oder Sandro Mazzola gespickt. Am Ende setzte sich aber der Außenseiter um Anton Herzog und Co. durch.
Video vom 1:0-Heimerfolg:
1983 UEFA Cup, 2. Runde, Inter Mailand - Austria Wien 1:1
Die Austria hat gute Erinnerungen ans San Siro, das gibt für das neuerliche Gastspiel in der Europa-League-Gruppenphase Hoffnung. 1983 holte das Team unter der Leitung von Vaclav Halama ein 1:1 in Mailand. Das Tor erzielte Istvan Magyar in der 72. Minute, Salvatore Bagni erzielte wenig später den Ausgleich für Inter (79.). Damals ebenfalls bei den Mailändern: Der späterer FC-Tirol-Legionär Hansi Müller. Mit Herbert Prohaska und dem heutigen Sportdirektor Franz Wohlfahrt, damals noch als 19-jähriger Torhüter auf der Ersatzbank, gelang im Endeffekt nach einem 2:1 in Wien sogar der Aufstieg.
1985 UEFA-Cup, 2. Runde, Inter Mailand - LASK 4:0
12 Jahre nach der Admira verpasste der LASK die nächste Sensation. Denn auch die Linzer fuhren im Heimspiel sensationell einen 1:0-Sieg gegen das Starensemble von Inter Mailand ein. Hans Gröss war es, der am 23. Oktober 1985 mit seinem Treffer die Tür zum Aufstieg in die 3. Runde weit aufstieß. Auswärts war der österreichische Traditionsverein den Italienern jedoch unterlegen - am Ende hieß es 4:0 für Inter, drei Tore erzielte Alessandro Altobelli. Ansonsten prägten große Namen wie Walter Zenga, Giuseppe Bergomi oder Karl-Heinz Rummenigge diese Inter-Ära.
1994 UEFA-Cup, Finale, Inter Mailand - Austria Salzburg 1:0
Noch heute ist der grandiose Erfolgslauf von Austria Salzburg bis ins UEFA-Cup-Finale in guter Erinnerung, sind Bilder vom tanzenden Trainer Otto Baric und Präsident Rudi Quehenberger im Gedächtnis abgespeichert. Mailand bot die perfekte Kulisse, um das Märchen vom Titel in der Kultstätte wahr werden zu lassen, da das im Wiener Ernst-Happel-Stadion ausgetragene Hinspiel nur mit 0:1 verloren ging. Doch es kam anders. Vor 80.326 Fans am 11. Mai 1994 sollte es einfach nicht sein, sinnbildlich dafür ist der Stangenpendler von Marquinho, der einfach nicht über die Linie wollte. So war es schlussendlich Wim Jonk, der die Hausherren zum knappen 1:0-Erfolg und Titel führte, zum Leidwesen damaliger Salzburg-Stars wie Otto Konrad, Heribert Weber, Adi Hütter, Nikola Jurcevic oder Heimo Peifenberger.
1998 Champions League, Gruppenphase, Inter Mailand - Sturm Graz 1:0
Noch ein weiterer Champions-League-Auftritt eines österreichischen Teams nach Austria Salzburg 1994 fand im San Siro statt. Sturm Graz, angeführt von Startrainer Ivica Osim, gastierte am 30. September 1998 bei Inter Mailand. Eine starke mannschaftliche Leistung mit den Zugpferden Franco Foda, Roman Mählich, Markus Schopp, Ivica Vastic oder Mario Haas wurde schlussendlich aber nicht belohnt. Denn der Franzose Youri Djorkaeff verwertete nach Vorarbeit von Klubikone Javier Zanetti zum 1:0 in der 94. Minute. Ein später Stich ins Sturm-Herz. Im Gruppen-Rückspiel am 9. Dezember unterlag man schließlich mit 0:2.
2019 Europa League, Sechzehntelfinale, Inter Mailand - SK Rapid Wien 4:0
Der bisher letzte Auftritt eines österreichischen Teams im San Siro war ein wenig ruhmvoller des SK Rapid. Dabei lebte nach dem Überwintern in der Europa League und einer sensationell knappen 0:1-Heimniederlage tatsächlich noch die Chance auf den Aufstieg ins Achtelfinale. In Wien konnte Inter lediglich durch einen Elfmeter von Lautaro Martinez (39.) eine Blamage vermeiden. Rapid rechnete sich was aus und hoffte auf ein Nervenflattern bei den Nerazzurri, doch nach bereits 18 Minuten war der Traum so gut wie ausgeträumt. Ein Doppelschlag von Vecino (11.) und Ranocchia (19.) sorgte für klare Verhältnisse, Perisic (80.) und Politano (87.) machten den Sieg spät aber doch noch deutlich.
Italien-Legionäre, die in San Siro aufliefen:
Spieler | Spiele in San Siro | gegen AC Milan | gegen Inter | Tore |
---|---|---|---|---|
Herbert Prohaska | 39 (37 für Inter) | 2x mit Inter, 1 Tor | 2x (1xRoma, 1xAustria) | 7 |
Walter Schachner | 12 | 6x (3xTorino/1 Tor, 2xAvellino, 1x Cesena | 6x (3xTorino/1 Tor, 2x Cesena/2, 1x Avellino) | 4 |
György Garics | 12 | 6x (3xBologna, 2xAtalanta, 1xNapoli) | 6x (4x Bologna, 1x Napoli, 1x Atalanta) | - |
Ernst Ocwirk | 10 | 5x (5xSampdoria) | 5x (5xSampdoria) | - |
Alexander Manninger | 9 | 3x (2xSiena, 1x Juve) | 6x (3x Siena, 1xJuve, 1xSiena, 1xGAK) | - |
Valentino Lazaro | 8 (7 für Inter) | - | 1x (1x Torino) | - |
Marko Arnautovic | 7 (3 für Inter) | 2x (2xBologna) | 2x (1xBologna, 1x mit Bremen) | - |
Markus Schopp | 6 | 2x (2xBrescia) | 4x (3xBrescia, 1xSturm) | - |
Toni Polster | 3 | 1x mit Torino | 2x (1xTorino, 1xAustria) | - |
Michael Konsel | 2 | 1x mit AS Roma | 1x (1xRoma) | - |
Robert Gucher | 2 | 1x mit Frosinone | 1x mit Frosinone | - |
Emanuel Aiwu | 1 | - | 1x (1x Cremonese) | |
Maximilian Ullmann | 1 | 1x mit Venezia | - | - |
Flavius Daniliuc | 1 | - | 1x (1xSalernitana) | |
Michael Svoboda | 1 | 1x mit Venezia | - | - |
Jürgen Säumel | 1 | 1x mit Torino | - | - |
Peter Artner | 1 | - | 1x mit Foggia (Coppa Italia) | - |
Robert Ibertsberger | 1 | - | 1x mit Venezia | - |
Jürgen Prutsch | 1 | - | 1x mit Livorno | - |
Weitere internationale Highlights im San Siro:
Jahr | Bewerb | Runde | Spiele | Ergebnis |
---|---|---|---|---|
1934 | WM | 1/8, 1/4, 1/2-Finale | SUI-NED, GER-SWE, ITA-AUT | 3:2, 2:1, 1:0 |
1965 | Meistercup | Finale | Inter-Benfica | 1:0 |
1970 | Meistercup | Finale | Feynoord-Celtic | 2:1 n.V. |
1974 | UEFA Supercup | Hinspiel | Milan-Ajax | 1:0 (Rückspiel: 0:6) |
1989 | UEFA Supercup | Rückspiel | Milan-Barcelona | 1:0 (Hinspiel: 1:1) |
1990 | WM | Gruppe, 1/8, 1/4 | ARG-CAM, GER (YUG,VAE,COL,NED,CSSR) | 0:1,4:1, 5:1, 1:1,2:1, 1:0 |
1991 | UEFA Cup | Finale, Hinspiel | Inter-AS Roma | 2:0 (Rückspiel: 0:1) |
1994 | UEFA Cup | Finale, Rückspiel | Inter-A.Salzburg | 1:0 (Hinspiel:1:0) |
1994 | UEFA Supercup | Rückspiel | Milan-Parma | 0:2 n.V. (Hinspiel: 1:0) |
1995 | UEFA Cup | Finale, Rückspiel | Juventus-Parma | 1:1 (Hinspiel: 1:0) |
1995 | UEFA Supercup | Finale | Milan-Arsenal | 2:0 (HiInspiel: 0:0) |
1997 | UEFA Cup | Finale | Inter-Schalke | 1:0 n.V., 1:4 i.E. (Hin: 0:1) |
2001 | Champions League | Finale | Bayern-Valencia | 1:1 n.V., 5:4 i.E. |
2016 | Champions League | Finale | Real-Atletico | 1:1 n.V., 5:3 i.E. |
2021 | Nations League | Halbfinale, Final | Italien-Spanien, Spanien-Frankreich | 1:2, 1:2 |